Ein Link geht um. Ein Facebook-Freund, mit dem ich noch kein einziges Wort von Angesicht zu Angesicht gewechselt habe, teilte in seiner Timeline den Kurzfilm Noah von Patrick Cederberg und Walter Woodman – zwei jungen Filmemachern vom Ryerson College, die mit diesem kleinen Werk ihr Regie-Debüt hingelegt haben. Um jenen Facebook-Post historisch korrekt wiederzugeben, hier ist er im Wortlaut:
This is amazing! www.chilloutzone.net/video/noah brilliant storytelling!
Ein Facebook freund
Zwischen Reddit und Relationship
Dokumentation ist wichtig. Zeitgeist konservieren, wer weiß, wie die Welt in 10 Jahren aussieht. Ein » kraftvoller Kommentar zu zeitgenössischen Technologien und ihrem Einfluss auf Beziehungen« – so fasst Jason Sondhi, auf Short of the Week , wo dieser Kurzfilm verdientermaßen einem größeren Publikum bekannt gemacht wurde (was einem Ritterschlag unter Kurzfilme-Macher*innen gleichkommt).
Mich aber machte also besagter Social-Media-Kumpel auf diesen Kurzfilm aufmerksam, nach dessen Sichtung ich mich ziemlich bloßgestellt fühlte. Denn dieser Noah hätte ich selbst sein können. Das wäre mir nach Darren Aronofskys Noah (2014) bestimmt nicht passiert. Sei’s drum.
Nächte mit Sonderlingen
Hier geht es also um einen jungen Kerl namens Noah (Sam Kantor), der viel Zeit am heimischen Computer verbringt. Zwischen sozialen Netzwerken, Pornos und »seiner Kunst« (hier in Form eigener Songtexte) interagiert Noah mit seiner Noch-Freundin (Caitlin McConkey-Pirie), mehr oder weniger bei der Sache. Der Junge ist auf Facebook, Reddit, Skype, YouPorn und Chatroulette unterwegs. Besonders Letzteres verübt auf mich persönlich, zugegebenermaßen, einen großen Reiz.
Nächtelang mit fremden Sonderlingen weltweit zu kommunizieren, das hat etwas meditatives, manchmal kribbelndes, oft lähmendes, wie auch immer. Ich mag es. Und ich finde es schön, dass die Handlung im letzten Akt des Kurzfilms Noah auf Chatroulette ausgetragen wird – wenn mir die Message auch schonungslos vor Augen führt, dass ich Teil dieser »Generation Web« bin, die sich gerne hinter Pseudonymen und Rechnern versteckt.
Kurzfilmtipps: Wenig Zeit und große Schaulust? Weitere empfehlenswerte Kurzfilm sind etwa AMA (2018) von Julie Gautier, The Disturbance (2010) von David Sarno und Interesting Ball (2014) von Daniels. Letzterer ist vielleicht der beste Kurzfilm im World Wide Web – aber wer kann das schon mit Sicherheit sagen? Oder widerlegen?
Genre: Desktop-Kurzfilm
Mir gefällt der Film Noah ob seiner ungemein authentischen Atmosphäre. Natürlich setzt erst Spitzen, ist aber dennoch nicht übertrieben. Vom Hacken fremder Facebook-Accounts, über ständiges Aktualisieren von Seiten, bis hin zu den dargestellten, verschiedenen Chat-Roulette-Typen und dem Googeln vermeintlichen Wissens – das ist echt, das ist super! Oh, und erwähnte ich, das der gesamte Kurzfilm auf dem Computer von Noah spielt?
Ähnliche Werke
Ich bin sicher, dieses Gimmick des Computer-Screens beschert dem Kurzfilm aktuell so viel Aufmerksamkeit […], dennoch ist es – obwohl sehr gekonnt umgesetzt – kein völlig neuer Ansatz. The Digital Story of Nativity (die Weihnachtsgeschichte im digitalen Zeitalter, sehr empfehlenswert; Anm. d. Bloggers) kommt in den Sinn, die ihrerseits inspiriert wurde von der berühmten Google-Werbung Parisian Love . […] Was umwerfend an Noah ist, ist die Art und Weise, wie der Film eine zeitlose Geschichte über Misstrauen und Herzschmerz erzählt, wie es die Symptome nur durch eben diesen Filter gibt, der gleichzeitig als inszenatorischer Ansatz dient.
jason sondhi ( short of the week )
Hier gibt’s den Kurzfilm Noah zu sehen:
Kleines Fazit zu Noah
Konsequent in der technischen Umsetzung, flott und intuitiv vom Schnitt, beziehungsweise der Montage her, und nicht zuletzt ziemlich schonungslos. Soziale Netzwerke und unsere asozialen Seiten, miteinander verwoben zu diesen unlogischen, widerspenstigen Wesen, die wir Menschen sind. Starker Kurzfilm!