Unser neuer Kurzfilm ist fertig, juchee! Das Ding trägt den Titel AMUREUS KISS und fügt der Geschichte von Alex und Zoey ein neues Kapitel hinzu. Die finale Schnittfassung des Films wurde am selben Tag fertig, an dem das Ergebnis dann auch prompt vor Publikum gezeigt wurde, bei der Kurzfilm_Nacht #1 im Bremer Presse-Club . Ein wunderbarer Abend unter Filmenthusiasten! Ab sofort ist AMUREUS KISS jetzt auf YouTube verfügbar (siehe Video weiter unten!) und wird für eine kleine Festivalauswertung aufbereitet. Alles weitere im Schnittbericht:
Amourös im Wirbelsturm
Vor dem Schnittbericht erst noch einmal aus dem Drehbericht vom 9. Mai kurz zusammengefasst. Also: Umgesetzt haben wir unseren Kurzfilm AMUREUS KISS in einem frisch bezogenen Aachener Apartment. In dem sollte noch ne Wand schwarz gestrichen werden. Das bauten wir kurzerhand in die Filmhandlung ein. Damit übernahm der Cast das Streichen (obwohl nach Drehschluss noch ein klitzekleines bisschen nachgestrichen werden musste, wie der fertige Kurzfilm erahnen lässt). Vor der Kamera standen neben Jesse Albert (als Alex) und Stephanie Jost (als Zoey) die Kölner Schauspieler Florian Gierlichs (Noah), Swantje Riechers (Fiona) und Juliana Wagner (Mia). Idee war, das junge, Frust schiebende Ehepaar Alex und Zoey mit ein paar Freunden zu konfrontieren. Diese fegen wie ein Wirbelsturm um sie herum und bringen neuen Schwung in festgefahrene Fronten!
Noah (Florian Gierlichs) ist dabei mehr als nur ein alter Kumpel von Alex. Der hat sich ja schon im Kurzfilm TCHINA WURM (2015) als »schwul oder bi – auf jeden Fall verwirrt« geoutet. Tatsächlich kommt es aber nicht nur zwischen den beiden Jungs im Laufe des Abends (an dem mehr getrunken als gestrichen wird) zu amourösen Annäherungen. Sondern irgendwie zwischen allen. So ein bisschen.
Impro sprengt den Rahmen
Gedreht haben wir den lieben langen Tag, von morgens 9 Uhr bis spätabends. Mit anschließender Drehschluss-Party, bei der die halb vollendete Wand fertig gestrichen und alle Flaschen leer gemacht wurden. Man soll einen Drehort ja ordentlich verlassen…
Für Filmnerds: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Film und Video? Das erklären wir hier .
Das erklärte Ziel lautete, an einem Tag einen Kurzfilm zu drehen . Bloß, dass ursprünglich ein Film von 9 Minuten Spieldauer geplant war. Weil die ersten beiden Teile dieser Quasi-Kurzfilm-Trilogie (Teil 1: TCHINA WURM , Teil 2 JAW CHILLI ) eben je 9 Minuten dauerten und man ja noch seine Neurosen haben dürfen wird. Na, wie dem auch sei, Pustekuchen! Das Konzept »Improvisation« hat etwaige Planungen gesprengt und aus 9 Minuten wurden rund 20 Minuten, die aus diesen 24 Stunden inklusive Aftermath, Pennen und Aufräumen hervorgehen. Wobei nur zwei Bilder im Film – gegen Ende – erst am nächsten Morgen entstanden sind: Die durchs Fenster blinzelnde Sonne und die fertig gestrichene Wand…
Kaum daheim am Schnittplatz, wollte ich mich direkt ans Sichten des Materials machen. Das gestaltete sich aufgrund der Menge an Material als knifflig. Nicht nur, dass wir am Drehtag wirklich fleißig waren und etliches Improzeugs ausprobiert haben. Gedreht wurde außerdem in 4K, einer sehr hohen Bildauflösung. Einfach nur, weil die Kamera es kann. Dabei entstehen immense Datenmengen (allein für AMUREUS KISS kam über 1 Terabyte an Rohmaterial zusammen). Dafür hat man hochwertigeres Footage, aus dem in der Nachbearbeitung mehr herauszuholen ist. Und seien es nur schöne Standbilder wie diese hier:
Impression aus AMUREUS KISS
Weitere Standbilder in Original-Auflösung gibt es hier zu sehen .
Wunderhübsch, charismatisch, witzig
Sind das nicht ein paar wunderhübsche Menschen, die wir da vor der Kamera versammelt haben? Und charismatisch und witzig und hach, ein Haufen zum Verlieben. JEDENFALLS: 4K heißt vier Mal so groß wie HD heißt jede Menge Gigabyte heißt Speicherplatznot. Ich möchte in diesem Schnittbericht nicht zu sehr auf langweilige technische Details eingehen. Verkürzt gesagt dauerte es nach Drehschluss noch eine Woche, ehe ich meinen heimischen Arbeitsplatz soweit aufgerüstet hatte, dass ich das Material doppelt sichern und endlich sichten konnte. Ach, darum hätte man sich ja auch vor dem Dreh mal kümmern können, meinst du!?
Kommen wir zum eigentlichen Schnittbericht… nach dem technisch kniffligen Part kam die künstlerische Herausforderung: Wie schneidet man einen Improfilm? Zunächst ist es ja kein reiner Improvisationsfilm wie der Mumblecore-Klassiker Hannah Takes the Stairs mit Greta Gerwig (2007). Einige Szenen und Übergänge basierten auf einem geskripteten Dialog, der zumindest als dramaturgische Richtschnur dienen sollte. Wie sehr sich daran gehalten wurde, mag bei Interesse jede*r für sich selbst nachlesen, hier gibt’s das Drehbuch zu AMUREUS KISS als PDF . Nun glichen unsere Dreharbeiten auch nicht denen des deutschen Mumblecore-Films Papa Gold von Tom Lass (2011), bei dem angeblich kein Take wiederholt wurde. Bei der Vorstellung schaudert’s mir regelrecht. Ich gehöre zu den Filmemachern, die lieber ein paar Takes zu viel von einer Szene machen. Man mag argumentieren, damit verbraucht sich die Frische des Spiels oder Authentizität oder sonstwas. Spätestens am Schnittplatz bin ich froh, ein wenig Auswahl zu haben.
Lesetipp: Hier ein Beitrag über die Zukunft des Mumblecore .
Auf die Rundheit kommt’s an – was ist die Rundheit?
Kurzum: Ich hatte eine Handvoll Szenen vor mir, die wir allesamt mehrmals aus verschiedenen Einstellungen gedreht haben, zum Teil lose auf einem Drehbuch basierend, zum größeren Teil frei improvisiert, zuweilen von Take zu Take unterschiedlich . Mir persönlich hat diese variationsreiche und freie Arbeitsweise sehr gefallen. Die Szenen sind in sich weniger rund, da ihre Anfänge und Enden weniger streng durchkomponiert sind. Stattdessen fühlen sie sich alltäglicher und damit echter an. Alltäglich heißt jedoch auch banal, daher kam es am Ende auf Auswahl und Blickwinkel an.
Wie soll von diesem Abend unter Freunden erzählt werden, damit sich daraus eine Geschichte ergibt, die trotz offener Szenen eine runde Sache ist?
Denn »rund« ist wichtig, denke ich. Diesen Anspruch stelle ich an einen Storyteller, dem ich meine Aufmerksamkeit schenke. Nach der Geschichte soll sich das Gefühl einstellen, ein dramaturgisch durchdachtes Werk oder (in Serien gedacht) Kapitel gesehen zu haben. Das hat nichts damit zu tun, ob der Ausgang eines Handlungsstrangs offen bleibt oder alle Fragen beantwortet werden. Letztlich ist keine Geschichte jemals zu Ende erzählt. Aber eben deshalb könnte ich eben so gut einfach aus dem Fenster sehen, das Leben betrachten, den zig Geschichten um mich herum folgen, die sich ständig und gleichzeitig abspielen, daran die schönen Momente entdecken.
Auf die Momente verdichtet
Warum einen Film sehen? Weil ein Film, sofern gelungen, eben »rund« ist. Heißt: das Leben und seine Geschichtenvielfalt verdichtet und einen Fokus gelegt auf die schönen oder bemerkenswerten Momente. Na, man kann viel darüber reden und hat am Ende doch nichts gesagt. Die lieben Leser*innen mögen selbst entscheiden, ob es im Fall von AMUREUS KISS geklappt hat, diesem eigenen Anspruch gerecht zu werden.
Der fertige Film ist nun auf YouTube zu sehen. Wenn er gefällt, würdest du mir einen großen Gefallen damit tun, meinen YouTube-Kanal weiterzuempfehlen und bestenfalls selbst zu abonnieren (ein kleiner Klick für dich, ein großer Schritt auf meinem Weg in den »Selbständig von Webcontent leben können«-Modus – und ein fettes DANKE vorweg!). Hier ist er, unser Kurzfilm AMUREUS KISS :
Die Musik in AMUREUS KISS
Kein Schnittbericht ohne ein Wort zur Audiospur! Als Fan der isländischen Band Sigur Rós bin ich vor rund 10 Jahren auf ein inoffizielles Musikvideo zu dem Song Inní mér syngur vitleysingur aufmerksam geworden. Es zeigt einfach nur zwei Frauen und einen Mann im Auto, wie sie auf das Lied abgehen. Sehr sympathisch, macht gute Laune. Es hat mich auf weitere Videos des Mannes aufmerksam gemacht, der darin die Kamera »führte« (wenn man das bei dem spontanen Beifahrer-Dreh so sagen kann). Sein Name ist Pavel Ruminov , ein russischer Regisseur, der neben solch rauen Musikvideos in Homevideo-Ästhetik auch wundervolle, preisgekrönte Spielfilme dreht.
Außerdem ist der Tausendsassa als Musikproduzent unterwegs. Er arbeitet unter anderem mit der russischen Band Sherlock Blonde zusammen. Deren großartig stimmungsvoller Sound floss bereits in die Kurzfilme TCHINA WURM und JAW CHILLI mit ein. Für AMUREUS KISS habe ich nun einmal mehr auf das kongeniale Duo Pavel Ruminov und Natalya Anisimova (die Frontsängerin von Sherlock Blonde und Schauspielerin in Pavel Ruminovs Filmen) zurückgegriffen und drei Songs verwendet, die sie unter dem Bandnamen To Live And Die In Moscow herausgebracht haben. Seit fünf Jahren stehe ich mit Pavel im Mailkontakt, bin begeistert von seinem Antrieb und Schaffen und sage DANKE! , dass wir diese tolle Musik verwenden dürfen.
Algiedi von Konstantin Reinfeld
Doch AMUREUS KISS lebt nicht nur von den drei russischen Songs, sondern auch einem besonderen Score. Die instrumentale Untermalung diverser Szenen stammt von dem Musiker Konstantin Reinfeld . Diesen lernte Hauptdarsteller und Moderator Jesse Albert beim SpokenWordClub in Köln kennen und brachte seine Musik ins Gespräch. Als Mundharmonikaspieler und Komponist hat Konstantin Reinfeld 2015 das Album Algiedi herausgebracht, aus dem ich schließlich eine herrlich abwechslungsreiche Auswahl an Songs für AMUREUS KISS verwenden durfte. Auch dafür vielen Dank! Hier geht es zur offiziellen Website von Konstantin Reinfeld.
Schnittbericht-Fazit: Mumblecore, ja oder nein?
Ist AMUREUS KISS nun ein Mumblecore-Film geworden, wie ursprünglich geplant? Ehrlich gesagt, fürchte ich, nicht ganz. Dafür tragen Inszenierung, Tempo und Musikeinsatz zu sehr die aufdringliche Handschrift, die sich schon in TCHINA WURM und JAW CHILLI abgezeichnet hat. Der Kurzfilm erfüllt einige Mumblecore-Elemente, ist jedoch nicht rein genug, um als echter Mumblecore zu gelten. Dazu hätte es mehr Mut bedurft, das Tempo weiter herausnehmen und die Zügel in Sachen Dramaturgie noch mehr aus der Hand zu geben. Schnittbericht Ende.
In jedem Fall aber war es ein spannendes Projekt! Danke an alle Beteiligten , es war mir eine Freude und Ehre, mit euch zusammenzuarbeiten! Oder mit den Worten Sherlocks: