Ein Film, den Schüler und Lehrer gleichermaßen feiern – das muss man erstmal schaffen. Fack ju Göhte belegt Platz 5 der erfolgreichsten deutschen Filme seit 1968, mit über 7,4 Millionen Kinobesuchern. Inzwischen sind der Film und seine Fortsetzungen in der Video-on-Demand-Auswertung angekommen. Nehmen wir, 5 Jahre nach dem Kinostart, die Komödie Fack ju Göhte nochmal unter die Lupe.
Spitze Zungen und andere scharfe Zutaten
Bora Dağtekin sieht viel Comedy-Potential im Teenager-Milieu und hat sich darin mit Türkisch für Anfänger zur Genüge ausgetobt, sollte man meinen. Doch als Hauptdarsteller Elyas M’Barek entgültig dem Teenager-Alter entwuchs, überlegte Dağtekin: Wie krieg ich diesen coolen Typen wieder in dieses witzige Milieu? Na klar: als Lehrer. Das Ergebnis dieser Gleichung ist (deutsche) Filmgeschichte: Fack ju Göhte .
Hinweis: Liebe Leser*innen, im Folgenden gibt’s keine Spoiler. Allenfalls ein, zwei Pointen werden preisgegeben, weniger als im Trailer zum Film . Eine Übersicht über aktuelle legale Streaming-Angebote gibt es bei JustWatch.
Totale: Fack ju Göhte im Zusammenhang
Cineastischer Zusammenhang
Regisseur Bora Dağtekin ist in erster Linie ein Schreiberling und hat damit genau die 3 Dinge im Blick, die es laut Altmeister Alfred Hitchcock für einen guten Film braucht: das Drehbuch, das Drehbuch, das Drehbuch. Eben dieses Gewerk studierte Dağtekin an der Filmakademie Baden-Württemberg. Schon während seines Studiums machte er als Hauptautor der zweiten Staffel der erfolgreichen RTL-Serie Schulmädchen auf sich aufmerksam. Die erste Dialogzeile gesprochen vom spitzzüngigen Lehrpersonal lautet in dieser Staffel:
So! Handys, MP3-Player, Notebooks, Videokonsolen und Zigaretten AUS!
Das war im Jahr 2005, entsprechend antiquiert wirken die genannten Gimmicks. Doch der Tenor und das Tempo aus Schulmädchen sind zwei der Zutaten, die später auch das Erfolgsrezept von Fack ju Göhte prägen sollen. Sogar die wichtigste – weil schärfste? – Zutat hat Drehbuchautor Dağtekin damals schon kennengelernt: Elyas M’Barek. Der österreichische Schauspieler (*1982) mit tunesischem Vater spielte in der Serie Schulmädchen nur eine Nebenrolle. Schon 2006 aber führte er den Cast in der Serie Türkisch für Anfänger mit an, wieder aus der Feder von Bora Dağtekin. Außerdem schrieb Dağtekin noch die Serie Doctor’s Diary mit M’Barek in einer Nebenrolle. Die beiden kannten sich also gut, als Dağtekin dem Schauspieler M’Barek die Rolle des Ausnahme-Lehrers für Fack ju Göhte auf den gestählten Leib schrieb.
Persönlicher Kontext
Von all diesem kreativen Schaffen, das Fack ju Göhte prägend vorweg geht, kenne ich notorischer TV-Muffel leider wenig. Allein Türkisch für Anfänger habe ich bei Netflix gesehen, den Film, wohlgemerkt. Das ist eine Weile her, aber ich kann mich noch gut an die Augenschmerzen erinnern: Die grellen Farben haben mich damals einigermaßen abgeturnt, ja regelrecht abgelenkt von allem anderen. Erst als die Hauptfiguren nach einem Flugzeugabsturz an eine Insel geschwemmt wurden und der Humor absolut absurde Züge annahm, konnte ich über die leuchtenden Rot-, Blau-, Gelb-, Grüntöne hinwegsehen. Die Gagdichte und das Erzähltempo waren dermaßen hoch, dass ich fortan keine Gedanken mehr an die Farbe verschwendete.
In Fack ju Göhte gab’s ein Wiedersehen mit diesem Stil. Schrecklich schriller Look trifft flotte Sprüche und Szenen, die schnell zu ihrem Höhepunkt kommen. Markanter Unterschied: Die Gedanken der Hauptfigur, die in Türkisch für Anfänger noch alles Mögliche aus dem Off kommentierte, wurden stumm geschaltet. Danke dafür. Mich persönlich nervt eine solche Off-Stimme, die überflüssige Erklärungen liefert, in 11 von 10 Fällen.
Filmtipp: Wem Fack ju Göhte gefällt, dem oder der könnte auch Almanya – Willkommen in Deutschland ein Blick wert sein. Ist zwar ebenfalls mit Erzählerstimme aus dem Off, aber halt auch mit Deutschtürken und derbem Humor, also… viel Spaß.
Close-up: Fack ju Göhte im Fokus
Erster Eindruck | zum Inhalt des Films
Das Intro von Constantin Film kommt variiert daher, unterlegt mit einer dramatischen weiblichen Singstimme, witziger Einstieg. Der Schriftzug der anderen beteiligten Produktionsfirma – Rat Pack Filmproduktion – wird über Constantin Film drüber gesprüht. Ich fange deshalb so übertrieben weit vorne bei den langweiligen Studio-Credits an, weil dieses Drübersprühen, Graffiti-Style, die Handschrift von Drehbuchautor und Regisseur Bora Dağtekin perfekt vorwegnimmt. Schrille Farben und nonkonforme Attitüde, das passt.
Dann geht’s erstmal in den Knast. Dort lernen wir Elyas M’Barek als kriminellen Zeki Müller kennen. Zu faul oder genervt oder anti, um hinter Gittern seinen Hauptschulabschluss nachzuholen. Aber lebensklug genug, um den Gratis-Kakao abzustauben, den es eben nur beim Knast-Unterricht gibt. Auf dem Gefängnis-Gang folgt noch ein kurzer Gruß von Rapper Farid Bang, der sich hier in einer kleinen Rolle die Ehre gibt – dann wird Zeki Müller entlassen.
Nicht lange fackeln
Zu Fuß lässt er das Gefängnis hinter sich. Dazu werden die Vorspann-Titel eingeblendet, in handgeschriebenem Stil, wieder wie beim Film Türkisch für Anfänger . Und wie schon in Dağtekins Regie-Debüt wird nicht lange gefackelt: Schon in der dritten Filmminute stehen Zeki und eine befreundete Prostituierte auf dem Schulhof, auf dem sie für ihn die Beute von dem Coup vergraben hat, für den Zeki überhaupt in den Knast gewandert ist. Blöd nur, dass in der Zwischenzeit eine Turnhalle über der Beute errichtet wurde.
Da bleibt, logischerweise, keine andere Möglichkeit, als dass Zeki als Lehrer an der Schule anheuert. Weil wie soll er sich sonst in Ruhe unter die Turnhalle graben können? Nun ist die Schule für Zeki tendenziell fremdes Terrain. Er selbst hat nur temporär eine solche Einrichtung besucht.
So bis zur Achten oder Neunten, weiß nicht mehr genau, war meine Crack-Phase.
Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films
Problemschüler wird Lehrer unter Problemschülern, soweit die erfolgsversprechende Idee. Das Schul-Setting hat schon bei Schulmädchen damals gut funktioniert. Darin findet sich eben jede*r Zuschauer*in wieder. Crack-Phase hin oder her, wir haben alle unsere Erinnerungen an die Schulzeit. Da Dağtekins Mutter Lehrerin war, hatte der Drehbuchautor, der Autobiografisches schon in der Serie Türkisch für Anfänger geschickt zu überspitzen wusste, womöglich auch in diesem Metier einen reicheren Pool an Erfahrungen oder Erzählungen, als der normale Schulgänger. In jedem Fall gelingt es ihm wieder, alle gängigen Klischees so krass zu karikieren, dass man nicht mehr über etwaige stereotypische Darstellungen seufzt, sondern deren Extrem entweder feiert oder verachtet. Love it or hate it , so verhält’s sich mit Fack ju Göhte .
Suck Me Shakespeer
Fun Fact: Hierzulande kommt’s mir immer ein bisschen dämlich vor, einem englischen Filmtitel einen neuen englischen Filmtitel für den deutschen Vertrieb zu geben. Aktuelles Beispiel: Das Drama You Were Never Really Here mit Joaquin Phoenix ( Her ) läuft in Deutschland zurzeit (Mai 2018) unter dem Titel A Beautiful Day im Kino. Nun können die Amerikaner das allerdings auch ganz gut: Der an sich schon englische Titel Fack ju Goehte ist in Amerika als Suck Me Shakespeer bekannt. Denn immerhin wird im Film als Schulmusical das berühmte Shakespeare-Stück Romeo und Julia aufgeführt – laut The Hollywood Reporter die beste Szene des Films. Insgesamt bewertet die amerikanische Fachzeitschrift den deutschen Erfolgsfilm als etwas zu lang und repetitiv, aber im Großen und Ganzen gelungen.
Was nicht gelungen ist: Der Versuch der Produktionsfirma Constantin Film, sich den Titel Fack ju Göhte als Marke schützen zu lassen. Zu vulgär, hat das EU-Gericht im Januar geurteilt . Aber Constantin Film werden schon andere Möglichkeiten einfallen, den Goldesel nach zwei Fortsetzungen, einer Musical-Adaption ( Fack ju Göhte – Se Mjusicäl ) und einer lateinamerikanischen Neuverfilmung ( No manches Frida , herrlich: dieser Trailer ) noch weiter zu reiten. So möchte der Constantin-Film-Chef Martin Moszkowicz auch einen vierten Teil nicht ausschließen .
Fazit zu Fack ju Göhte
Die trashige Gag-Parade trifft sicher nicht jeden Geschmack, aber deckt doch einen breiten ab. Über 5 Millionen Kinogänger haben Fack ju Göhte zum erfolgreichsten deutschen Film 2013 gemacht. Obwohl er tatsächlich etwas lang geraten ist, sind sämtliche im Film aufgeschlagenen Erzählbögen so kurz, dass selbst unkonzentrierte Zuschauer*innen (also wir alle, in diesem Zeitalter der Zerstreuung) dranbleiben. Die Pointen sind mindestens politisch unkorrekt, gerne richtig böse, definitiv nicht »pädagogisch wertvoll«. Aber das will der Film auch nicht sein.