8 1/2 – Achteinhalb · mit Anouk Aimée | Film 1963 | Kritik

Im Folgenden geht es um das wohl bekannteste, womöglich beste Werk des italienischen Regisseurs Federico Fellini: 8 1/2 – Achteinhalb . Neben Marcello Mastroianni treten darin unter anderem Claudia Cardinale ( Das Mädchen mit dem leichten Gepäck ) und Anouk Aimée ( Lola ) auf. Letztere spielt Luisa Anselmi, die Ehefrau des an sich selbst zerbrechenden Künstlers. Was ist eigentlich dessen Problem?

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Die Rakete wartet im Sande

Vergangene Woche – vom 21. bis 24 Mai 2010 – fand die 45. Werkstatt der Jungen Filmszene in Wiesbaden statt. Dort präsentierten die Teilnehmer Tom Plümmer und Emanuel Brod ihren Bewerbungsfilm für eine Filmhochschule. Die Aufgabe zum Thema »Krise« hatte die beiden Jungs dazu inspiriert, ein Videotagebuch zu drehen. Über die Suche nach Einfällen, die ausbleiben und schließlich die Krise verursachen. So entstand Tagebuch , ein Kurzfilm über die Qual der Kreativ-Blockade. Radikale 3 Minuten, in denen der Wahnsinn regiert (Auszüge des Films findet ihr in diesem Clip ). Doch selbst die Idee, keine Idee zur Idee zu machen, ist (wie jede Idee) nicht neu. Auf die Spitze getrieben wurde die Verfilmung eines künstlerischen Stillstands bereits in den 60er Jahren. Da war es ein italienischer Regisseur, der nach 6 Kinofilmen, 2 Kurzfilmen und einer Co-Regie vor der Frage stand: »Was nun?«

Werk und Wahrheit

Gemeint ist Federico Fellini, der nach achteinhalb Filmen den Film 8 1/2 schuf: »Einen Film, den ich auf keine Weise sehen kann, ohne ihn nicht als Meisterwerk zu erkennen«, wie Filmkritiker Dwight MacDonald es schon 1964 kurz nach der Premiere auf den Punkt brachte. Mit seinen Höhen und Tiefen, seinem Schaffensdrang und Ruf als Italiens Maestro ist es viel zu einfach, Fellini mit 8 1/2 ein rein autographisches Motiv zu unterstellen, wenn er die Geschichte eines Regisseurs zwischen Sinnkrise und Leistungsdruck erzählt. Mit Sicherheit sind es eigene Erfahrungswerte, die Fellini inspirierten, und er weiß genau wovon er spricht, wenn er Guido Anselmi sagen lässt:

Das Glück liegt darin, die Wahrheit sagen zu können, ohne irgendwen zu verletzen.

Nichtsdestotrotz gibt es einen gravierenden Unterschied zwischen Fellini und seinem vermeintlichen Alter Ego: Anselmi, der Regisseur eines Films, der geplant ist, ohne dass auch nur eine Idee vorliegt. Das Debüt war ein Riesenerfolg und jetzt möchten Presse, Produzenten und Publikum mehr von Anselmi sehen. Doch da gibt es nichts zu sehen, außer einer Raketenabschussbasis-Attrappe in der Wüste.

8 Minuten am Set von 8 1/2 – Achteinhalb , hier ein kleiner Blick hinter die Kulissen (Italienisch ohne englische Untertitel, aber mit vielen schönen Bildern):

In Minute 2:38 gibt es diesen schönen kleinen Austausch:

Reporter: Was war das größte Kompliment, dass Ihnen der Regisseur Fellini je gab? | Anouk Aimee : Dass er mich in diesem Film besetzt hat.

Randnotiz: Eine sehr lesenswerte Besprechung der herausragenden Szene »Guido’s Harem« (die vielleicht ehrlichste Männerfantasie, die je auf Film gebannt wurde) findet sich auf Reddit .

Traumhafte Sequenzen

Seine Bekanntschaft mit dem deutschen Psychoanalytiker Ernst Bernhard beeinflusste Fellinis Kino dahingehend, psychische Abgründe und Probleme mit traumhaften Sequenzen zu visualisieren. So ist es kaum verwunderlich, dass wir das künstlerische Wrack Guido Anselmi in einem vieldiskutierten Traum kennenlernen (die Flucht aus dem erstickenden Stau), ehe er in einer skurrilen Kurklinik erwacht und der Spießroutenlauf losgeht.

Hier kommt besagter Unterschied zwischen dem von Marcello Mastroianni beeindruckend verkörperten Protagonisten und seinem Schöpfer zum Tragen: Fellini vermischt mit unglaublicher Lässigkeit die gefilmte Gegenwart und Realität mit Träumen und Erinnerungen, ohne dabei Zweifel an seiner Rezeptur erkennen zu lassen. Dieser Film verrät das Genie eines Künstlers, der selbst den wenig originellen Ansatz, die eigene Situation vage zum Gegenstand seines nächsten Kunstwerks zu machen, gekonnt verwandelt.

Fazit zu 8 1/8 – Achteinhalb

Das Ergebnis ist nicht verkopft, sondern mitreißend und angenehm selbstironisch und amüsant. Guido, der »artist in extremis«, ist so verzweifelt und ideenlos, dass uns der Erzähler seiner Geschichte schlichtweg nicht glauben machen kann, hier autobiographisch vorgegangen zu sein – zumindest, was die aussichtslose kreative Blockade Anselmis anbelangt. Den Spaß, mit diversen (nicht zuletzt optischen) Anspielungen auf seine eigene Person für zusätzlichen Diskussionsstoff zu sorgen, lässt sich ein Filmemacher von Fellinis Format natürlich nicht nehmen.

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