Familie Braun · mit Nomie Laine Tucker | Mini-Serie 2016 | Kritik

Schön die Fernsehzeitung aufschlagen (übrigens die, deren Titelseite stets eine andere blonde, weiße, arisch-schöne Frau ziert) und schauen, ob der ZDF-Zweiteiler über Adolf Hitler mit grauem oder roten Stern bewertet wurde. Das war gestern! Heute läuft die Vergangenheitsbewältigung als hippe Webserie im Zweiten Deutschen Internet – betitelt: Familie Braun . Ob sich das lohnt? Dazu schaut man am besten in die YouTube-Kommentare.

Vorweg nochmal, im Ernst: Habe gerade, beiläufige Recherche, muss ja auch mal sein, »tv movie« in der Google-Bildersuche eingegeben. Bemerkenswert. Die Modelauswahl, möcht ich mal vermuten, hätt einen Goebbels stolz gestimmt. Aber wen repräsentiert diese helle Eintönigkeit? Das deutsche Fernsehprogramm? Vielleicht. Brillant. Apropos Br…

Zwischen Praise und Prügel

Br wie Braun, Familie Braun. Unter diesem Titel veröffentlichte das Zweite Deutsche Fernsehen vergangenes Jahr eine Webserie, die jetzt eine Emmy gewonnen hat . Worum gehts? Zwei Nazis müssen sich um ein kleines schwarzes Mädchen kümmern. Das Feedback der YouTube-Gemeinde, berühmt-berüchtigt als brutale Hater-Brigaden, fällt erstaunlich positiv aus. Natürlich gibt es das obligatorische: »Selten etwas so Dämliches gesehen!« Und Empörung: »Wehrmacht denn solche Witze?« Nicht wenige plärren rum wegen der Glaubwürdigkeit, dass eine Mutter ihr schwarzes Kind bei Nazis abgibt, nee, dass sei ja mega unrealistisch! (Das gute alte Realismus-Argument. Solche Vorwürfe kommen von Leuten, mit denen Kinobesuche in 99 Prozent der Fälle wenig Spaß machen.)

Professionell zerrissen wird Familie Braun übrigens von…

  • Heike Kunert für Die Zeit : Zu Hause bei den Führers
  • Nora Burgard-Arp für Meedia.de : Zwei Neonazis und ein »Negermädchen«: die verunglückte ZDF-Webkomödie „Familie Braun“

Gegen den Shitstorm pusten Stimmen an, die sowas sagen wie: »Meiner Meinung nach eine der besten deutschen Produktionen seit langem!« Die Wahrheit liegt also, wie immer, irgendwie dazwischen. Am besten selbst anschauen und mit der Lizenz zum Haten reinjumpen in den Pöbelpool, oder eben Däumchen hoch geben. Ich für meinen Teil habe sehr gelacht (innerlich, man schaut ja nicht mehr immer in Umgebungen, in denen lautes Lachen adäquat ist, was zum Heulen ist, aber ein andermal.)

Was bringt mich zum Lachen? »Adolf Hitler, Mein Kampf , Kapitel 1…«, wenn so die Gute-Nacht-Geschichte beginnt. Das finde ich: sehr witzig. Das Spiel mit Klischees und deren Umkehrung (Stichwort: Lehrer). Das finde ich: ziemlich amüsant. Marienkäfer aus Naziflagge. Das finde ich: lustig, mit Tendenz zur Genialität.

Kurzfilmtipp zum Thema Fremdenhass und Nationalsozialismus: Act A Hool (2017) mit Benita Sarah Bailey.

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