Durch die Wand | Doku 2018 | Kritik: Pathos, wem Pathos gebührt

Durch die Wand ist eine Doku über zwei Bergsteiger und ihr wahnsinniges Vorhaben. Sie wollen die 900 Meter hohe »Dawn Wall« im Yosemite-Nationalpark erklimmen. In der Jahreswende 2014/2015 machten Tommy Caldwell und Kevin Jorgeson mit diesem Projekt weltweit Schlagzeilen. Nun porträtiert Durch die Wand die beiden Kletterer. Das Ergebnis ist pathetisch, aber im angebrachten Maße, denn deutlicher als an Tommy Caldwell lässt sich menschliche Willenskraft kaum demonstrieren. Veröffentlicht wurde Durch die Wand am 19. September 2018.

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Empfehlungen*: Tommy Caldwells Buch Push: Ein Leben für die Bigwalls (2018) ist hier erhältlich – und die Doku Durch die Wand gibt’s inzwischen auch als Blu-ray und DVD .

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Helden-Porträt wird Buddy-Movie

Der 19-tägige Aufstieg der Wand auf einer bis dato unbezwungenen Route bildet den Handlungsrahmen für dieses filmisches Porträt. Im Fokus von Durch die Wand steht Tommy Caldwell, den wir über chronologisch eingestreute Rückblenden von Kindesbeinen an kennenlernen. Geboren 1978, war Tommy schon seit seiner Jugend ein ambitionierter Kletterer – stets in Begleitung seiner Freundin und späteren Frau Beth Rodden (*1980). Die beiden waren auch zusammen in Kirgisistan, als sie dort im Jahr 2000 während einer Kletter-Tour im Gebirge von Rebellen als Geiseln genommen wurden. Während es zu vielen Stationen aus Tommys Laufbahn erstaunlich gutes Videomaterial gibt, haben sich Josh Lowell und Peter Mortimer – die Regisseure von Durch die Wand – dazu entschieden, das Kirgisistan-Kapitel mit düsteren Animationen zu visualisieren. Diese fügen sich stimmungsvoll in das Gesamtwerk ein. Weitere Animationen, die immer wieder die Route an der Felswand darstellen, runden den Film ab. Die 101 Minuten sind durchweg spektakulär bebildert.

Das Träumen, das Streben, das Versuchen, das Kämpfen, das Scheitern, das Oben-Ankommen… Es gibt wohl kaum eine Sportart, die ähnlich metaphysisch das Mensch-Sein beschreibt wie das Klettern.

Tom Joad in der Kommentarspalte von Spiegel Online

Schwindelfreie Filmemacher

Aber wie zum Geier filmt man in Hunderten von Metern Höhe an einer Felswand in einem Nationalpark, in dem keine Dronen erlaubt sind? Mit einem Konstrukt aus Seilen und Schwindelfreiheit: Der Blick hinter die Kulissen von Durch die Wand dokumentiert die Herausforderungen für die Kameraleute und ist eine spannende Ergänzung zum Film.

Hier ein Blick hinter die Kulissen (Englisch):

Filmtipp: Ein Bergsteiger-Drama, das ebenfalls auf wahren und wahnsinnigen Begebenheiten beruht, ist Danny Boyles 127 Stunden (2010). Hier geht’s zu unserer Filmkritik .

Tommy Caldwell zeigt, was menschlicher Wille möglich macht. Scheinbar ohne höheres Ziel als persönlicher Genugtuung erklimmt er unter ständiger Lebensgefahr eine Felswand. Einfach, weil er’s kann. Oder eben können will, trotz einer körperlichen Behinderung, die eigentlich das Aus für diesen Extremsport bedeuten sollte. Der Mensch als Mängelwesen , der durch Werkzeug und Willen über sich hinauswächst: das ist Tommy. Da wird ein bisschen Pathos in Durch die Wand doch erlaubt sein.

Fazit zu Durch die Wand

Was als Helden-Porträt rund um Tommy Caldwell beginnt, entwickelt sich zu einem Buddy-Movie, in dem sein Kletter-Partner Kevin Jorgeson eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Dieser Bogen verleiht der Extremsport-Doku Durch die Wand , die durch Stimmen von Freund*innen und Verwandten, Fans und einem New-York-Times-Reporter facettenreich erzählt wird, noch eine tiefere Bedeutungsebene über Einsamkeit und Miteinander außergewöhnlicher Menschen. Im Abspann gibt es übrigens einen Homevideo-Schnipsel von Tommys kleinem Sohn, der mich fasst so sehr gepackt hat, wie manch Kletter-Moment an der »Dawn Wall«.

Filmtipp: Extrem beeindruckend, wenn auch zu einem anderen Thema, ist die Doku-Serie Wild Wild Country (2018) über den Sektenführer Bhagwan Shree Rajneesh.

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