Infodump, so nennt man die Unart von Schriftsteller*innen, die zu ihren Themen viel recherchiert haben, dieses Wissen auf Biegen und Brechen im Buch unterbringen wollen – und es tun. Aufgeblähte Szenen, in denen sich ganze Absätze tummeln, in denen sich die Leserin von einem Roman in ein Sachbuch geschubst fühlt. Nun, macht sich Martin Walker mit Germany 2064 dessen schuldig?
Irgendwie schon, ja, sehr. Nicht nur inmitten von oder zwischen zwei Dialogen finden sich solche Infodump-Absätze – gar die Gespräche selbst blühen vor »schmückendem Beiwerk«, das die Geschichte nicht voranbringt. Diese handelt von einem spektakulären Überfall auf eine fahrende LKW-Kolonne und einer verschwundenen Sängerin. Der Erste Polizeihauptkommissar Bernd Aguilar nimmt sich der Sache an, zusammen mit seinem Buddy Roberto.
Dieser ist – man mag es am Namen erahnen – ein Roboter.
Weit gedacht – aber tiefsinnig?
Das Buch spielt, der Titel gibt diese Info schon ein bisschen vorweg, im Jahr 2064, in einer Zeit, da das Statussymbol reicher Leute nicht mehr ein schicker Wagen ist, sondern ein menschlicher Chauffeur am Steuer dieses (eigentlich selbstfahrenden) Wagens. Während diese Idee in meinen Ohren sehr realistisch klingt (bescheuert auch, aber eben deshalb: durchaus realistisch) scheinen mir manche Aspekte, erstaunlicherweise, arg mager durchdacht. Erstaunlich deshalb, weil der Autor keinen Zweifel daran lässt, wie deep er sich mit dem Thema Zukunftsforschung auseinandergesetzt hat. Jedes einzelne Kapitel führt ein zuweilen umfangreiches Zitat an. Manchmal kommen da Schauspieler zu Wort, Philip Seymour Hoffman etwa, oder Robert Redford, in der Regel geht es jedoch nicht darum, wer etwas sagt, sondern was da gesagt wird, heutzutage schon, über die nahe Zukunft, die tatsächlich beeindruckt nah dran ist, ABER.
Menschen vs. Roboter
Nehmen wir mal eine Stelle von Seite 103 meiner Ausgabe (siehe Bild), in der Kommissar Bernd über die größte Schwachstelle von Robotern sinniert, die alles mögliche sammeln würden, was ihnen an Datenmaterial zugänglich sei – allein, dass sie dann aber…
[…] eben nur mit dem arbeiten, was ihnen zur Verfügung stand. So etwas wie Intuition brachten sie nicht mit. Wohl analysierten sie Körpersprache und Pulsfrequenz einer Person während des Verhörs, durchschauten aber nicht, wenn diese log.
Im Gegensatz zu Menschen, die bekanntlich ein zuverlässiges Gespür für Lügen und Lügner*innen haben. Sie wählen sie in höchste Regierungsposten, weil gute Lügner*innen da besonders gut aufgehoben sind. Menschen sammeln indes auch sehr gerne Daten, könnten aber weit weniger damit anfangen, wenn ihnen keine Roboter/Maschinen zur Hand gingen. Überhaupt die Bemerkung, die Roboter können »nur mit dem arbeiten, was ihnen zur Verfügung« steht. Für welchen Menschen gilt das denn nicht? Gewiss, jetzt kommt das Thema Intuition ins Spiel. Das habe ich allerdings, nach der Lektüre von Kahnemans Schnelles Denken, langsames Denken (zu diesem Werk ein andermal mehr), noch allzu prägnant als weitverbreitete Illusion im Gedächtnis.
Fazit zu Germany 2064
Das Buch Germany 2064 beschwört gewiss eine spannende und in weiten Teilen realistisch anmutende Zukunft herauf. Eine Zukunft, in der es immer noch dämliche Klischees und stumpfe Stereotypen gibt, wohlgemerkt. Lies es nicht, weil du Bock auf einen flotten Thriller hast – sondern weil du dich brennend für die Zukunft interessierst. Über dieses Buch bin ich übrigens, Schneeballeffekt, auf diesen Artikel aufmerksam geworden: Why the Future Doesn’t Need Us von Bill Joy. Im Jahr 2000 geschrieben. Schnell lesen, bevor es Schnee von gestern ist!