Origin · Thriller von Dan Brown | Buch 2017 | Kritik

Origin (zu deutsch: Ursprung) ist der fünfte Thriller-Roman von Dan Brown, in dem der US-amerikanische Bestseller-Autor seinen altbekannten Helden Robert Langdon ins Rennen schickt. Dabei handelt es sich um einen kunstbeflissenen Harvard-Professor für (die fiktive Disziplin) Symbologie, der in den Verfilmungen vorausgegangener Bücher von Tom Hanks gespielt wurde. Über eine Verfilmung von Origin ist noch nichts bekannt. Der 670 Seiten starke Roman erschien im englischen Original am 3. Oktober 2017, in Deutschland einen Tag später.

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Jäger des verlorenen Passworts

Robert Langdon wird von einem ehemaligen Studenten namens Edmond Kirsch ins Guggenheim-Museum in Bilbao, Spanien eingeladen. Kirsch hat es weit gebracht: der Computer-Geek, Milliardär und Zukunftsforscher hat eine weltweite Fangemeinde und ist mit Leuten wie Elon Musk so gut befreundet, dass er von diesem den neusten Tesla geschenkt bekam. Doch an dem Abend im Guggenheim geht es um Größeres als schicke Schlitten. Neben Langdon sind Hunderte großer Persönlichkeiten eingeladen. Organisiert wurde die Sause mithilfe der Museumsleiterin Ambra Vidal, die vor kurzem erst Bekanntschaft mit dem spanischen Thronfolger gemacht hat und ihrerseits ob ihrer Schönheit ohne Weiteres bereits die Ehrfurcht einer Königin einflößt.

Edmond Kirsch will im Guggenheim eine Präsentation abhalten, die via Live-Stream ins Internet von Millionen Menschen rund um den Globus mitverfolgt werden kann – denn das Thema geht uns alle an: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Die großen Fragen der Menschheit behauptet Edmond Kirsch, im Zuge seiner neusten Entdeckung beantworten zu können. Jedoch haben etliche Parteien etwas dagegen, dass die Antworten an die Öffentlichkeit geratene. Schon bald finden sich Robert Langdon und Ambra Vidal auf der Flucht vor Schattenmännern – mit dem gemeinsamen Ziel, Edmond Kirsch bei der Bekanntgabe seiner weltverändernden Offenbarung zu helfen.

Browns Bestseller-Rezept

Bis dato hatte ich noch keines der millionenfach verkauften Dan-Brown-Bücher gelesen, sondern nur The Da Vinci Code als Film gesehen. Das reichte, um das Muster des Bestseller-Autors wieder zu erkennen. Brown liefert die Definition von Muster in Origin gleich mit: »Ein Muster ist jede Anordnung, die bestimmten erkennbaren Kriterien folgt.«

Die Langdon-Bücher beginnen mit einer Art Event, im Zuge dessen Langdon in ein Verbrechen verwickelt wird. Er ergreift die Flucht, hin zu einem exotischen Ort, mit einem schönen, weiblichen Charakter an seiner Seite. Dann muss Langdon Verschwörungen und Geheimnisse durch versteckte Rätsel und Hinweise herausfinden, die Fanatiker und Verrückte, die ihn verfolgen, nicht aufgedeckt haben wollen.

Ruel S. De Vera ( Lifestyle.Inq )

Nun ist ja nichts dabei, wenn jemand eine funktionierende »Formel« gefunden hat. Doch Dan Browns Bestseller sind dermaßen als beschämende crowd pleaser verschrien, dass etwa im Piloten zur Stalker-Serie You (2018) ein Buchladen-Kunde gezeigt werden kann, der »noch etwas Seriöses« zu dem neusten Dan-Brown-»Chaser« (Verfolgungs-Reißer) hinzukauft, um Letzteren an der Kasse verdecken zu können wie eine peinliche Packung Kondome. Der Joke funktioniert, weil Browns Ruf etabliert ist.

Lesetipp: Ein wirklicher lustiger und mit etlichen Belegen gespickter Zerriss zu Dan Browns Buch Origin findet sich in The Week (auf Englisch). Rezensent Matthew Walther erklärt ausführlich, warum Brown kaum als Thriller-Autor gelten kann, und schreibt: »Wenn das ein Thriller sein soll, dann ist dieser Artikel hier SpongeBob-Fan-Fiction.«

Sightseeing statt Storytelling?

Die Kritiker*innen haben ja Recht: Brown betreibt viel Info-Dump. Er lädt absatzweise Wikipedia-Wissen ab, was ständig aus dem Plot reißt und die Action unterbricht. Ob Churchill oder Nietzsche, jedem großen Namen werden im Vorbeigehen ein paar Zeilen gewidmet: Wer waren die noch gleich? Stets so beschrieben, dass man getrost nie von diesen Persönlichkeiten gehört haben könnte, just in case .

Die vermeintliche Verfolgungsjagd – das stimmt auch – ist nicht wirklich eine, wenn die Protagonist*innen nur von Ort zu Ort hetzen, um dort dann ungestört ihre Dialoge fortsetzen zu können (ständig mit einer fürs Storytelling heiligen Regel brechend: show, don’t tell! ). Insofern handelt es sich bei dem Location-Hopping eher um ein Sightseeing, wofür auch die etlichen Superlative sprechen (unter anderem geht es in »die längste Basilika der Welt«, unter »dem größten Kreuz der Welt«).

Fazit zu Origin

Nach all der Kritik muss ich jedoch zugeben, dass ich Origin als Lektüre ziemlich genossen habe. Innerhalb von zwei Tagen verschlang ich den kurzweiligen Pageturner, wobei ich an eben den Dingen meine Freude hatten, die andere Kritiker*innen aus der »Story« herausrissen. Mir scheint die Story eher als Vehikel für die kleine Kulturreise, an der es Dan Brown ganz offensichtlich eher gelegen ist. Er ist zweifelsohne ein Typ mit vielen Interessen, der mitteilungsfreudig seine »Fundstücke« interessanter Wissenshäppchen in sein aktuelles Buchprojekt stopft – oder auch irgendwelcher Zitate. So wirkt man Referenz doch arg plump… Beispiel:

»Robert«, sagt Ambra leise. »Erinnern Sie sich an die klugen Worte der Prinzessin Elsa aus Disneys Eiskönigin ? […] Lass jetzt los.«

Je näher an der Wirklichkeit, desto besser ist das Buch – leider aber weicht Brown im Dienste seines Plots dann doch öfter mal von den »Fakten« ab, die sein Roman laut Proklamation auf der ersten Seite so zahlreich enthält. Auf den letzten Seiten hat mich Origin auf ganz ähnliche Weise enttäuscht wie schon der Science-Fiction-Film Transcendence (2014). Beide Werke arbeiten sich an verwandten Baustellen ab: Künstliche Intelligenz und Transhumanismus.

Themen aus Origin

Am besten funktioniert Origin als Stichwortgeber für eine Reihe spannender Themen, die es sich näher zu erkunden lohnen. Hier also einige dieser Dinge, die in Origin mehr oder weniger ausführlich »verarbeitet« werden:

Alya Red

MareNostrum ist einer der besten Computer weltweit für Modellrechnungen. Er ist spezialisiert auf komplexe Simulationen – die bekannteste davon ist »Alya Red«, ein voll funktionsfähiges virtuelles menschliches Herz, naturgetreu bis hinunter auf Zellebene.

Dan Brown, in: Origin (2017), S. 543 1

Jeremy England

Jeremy Englands Theorie lief darauf hinaus, dass das gesamte Universum einem einzigen Gesetz folgte. Einem Ziel. Energie verteilen.

dan brown, in: origin (2017), s. 576

Entropie

Wellen krachen niemals auf den Strand und hinterlassen Sand in Gestalt einer Sandburg. Entropie löst Strukturen auf. Sandburgen erscheinen nicht spontan im Universum. Sie verschwinden immer nur.

dan brown, in: origin (2017), s. 572

Die ergiebigere Lektüre zum Thema »Entropie« ist gewiss Stephen Hawkings Eine kurze Geschichte der Zeit (1988) – hier geht’s zu unserer Buchkritik .

Fußnoten

  1. Brown, Dan: Origin. Köln 2017.

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