Die ewige Frage nach dem »Warum?« | Tagebuch

Warum also, warum das alles? Warum gibt es Etwas und nicht Nichts? Warum gibt es uns und spielen wir eine Rolle? Wenn ja, welche? Was ist der höhere Sinn? Solche Fragen, sagt Kant, sind uns Menschen von Natur aus gegeben. Eben weil wir abstrakt denken können, weil wir uns Dinge vorstellen können, die es nicht gibt, aber auf die wir uns irgendwie einigen können – Geld, Gott, Gleitzeit – zumindest einige von uns, weil wir uns also sowas denken können, sind wir vor solchen Fragen niemals sicher.

Solche Fragen nach etwas, das unseren Verstand übersteigt. Das Warum? einer Sache, die sich nicht mit unseren Sinnen begreifen lässt, weil es nicht die Physik betrifft, darüber steht, ein höheres Wesen meint, über dem Physischen, Metaphysik.

Auch ich frage mich warum? Nicht jeden Tag, das hält zu sehr auf, aber wann immer ich etwas anfange, etwas Neues, ein Projekt, irgendwas. Manchmal vergesse ich es, anfangs, aber die Frage taucht irgendwann auf. Warum machst Du das gerade? Ein Drehtag, es ist nachts um drei, draußen, nach acht Stunden halligalli, alle frieren, sind müde, wollen heim, der Kaffee ist kalt und auf der Pizza kriechen Schnecken, aber der Drehplan sagt: zwei Szenen noch, go, go, go – spätestens dann: Warum!? Warum tun wir uns das an? Im Rahmen eines Projekts, zum Glück, ist das Ergebnis oft die Antwort. Und noch öfter das behind the scenes, die Setfotos, die Erinnerung an die Zeit, die Highlights, der Weg als Ziel, bla. Ja.

Aber manchmal erwischt einen die Frage nach dem Warum? zwischen zwei Projekten und zwischen den Stühlen, wenn man gerade nichts macht und nichts Neues im Blick hat, dann kommt’s aus dem Hinterhalt: Warum überhaupt? Irgendwas? Warum sollst Du irgendwas tun? Darum soll man als 14-Jähriger nicht Fight Club schauen, nicht wegen dem auf die Fresse hauen, sondern wegen dieser Eins-A-Motivationsansprache von Mr. Durden:

Ihr seid keine wunderschönen, einzigartigen Schneeflocken! Ihr seid genauso verweste Biomasse wie alles andere! Wir sind der singende, tanzende Abschaum der Welt! Wir sind allesamt Teil desselben Komposthaufens!

Als Auftakt zur Pubertät eines super Orientierungshilfe. Nihilismus. Wir sind nichts, brauchen nichts, wollen nichts, bringen nichts. Bei mir hat es lange gedauert, bis mein Kopf die Frage formte, ob dieser Zwei-Stunden-Film wirklich die Antwort liefern kann – nach der seid über zweitausend Jahren nachweislich gesucht wird. Das ist das Faszinierendste überhaupt (zumindest solange man den homo sapiens für so weise hält, wie er sich selbst gelabelt hat), dass seit über 2500 Jahren die genialsten Hirne unserer Spezies die Frage nach dem Warum? durchexzerziert haben. Sie fallen immer wieder zurück auf Sokrates und Platon und doch gibt es lauter neue Ansätze und Gedanken dazu, in jeder Generation, und immerzu ist’s die große Intelligenzia, die zum immer gleichen Ergebnis kommt: Wir wissen es nicht. Nicht mit Sicherheit. Nicht verbindlich. Warum? Frag mal was Leichteres. Was ist das Sein? Es wird uns noch eine Weile beschäftigen.

– Sinnsuche, ein Dialog –

Eine Antwort

Mich ebenfalls. Doch ich habe eine Antwort gefunden, nach dem Warum? , eine die mich zufrieden stimmt. Dabei halte ich mich an Kant, glaube ihm, dass die Antwort in uns liegen muss, von unseren eigenen Fähigkeiten, überhaupt irgendwas zu verstehen, abhängen muss. Den Rest liefert Chomsky:

Es ist durchaus möglich, überwältigend wahrscheinlich, könnte man vermuten, dass wir über das Leben und die Persönlichkeiten von Menschen stets mehr aus Romanen lernen werden, als von der wissenschaftlichen Psychologie.
– Language and Problems of Knowledge: The Managua Lectures

Aus Romanen lernen, aus fiktiven Geschichten, also auch aus Filmen, die nicht minder unser Leben reflektieren, und Poesie, Poetry Slam, Songs und Tweets und thoughts, die ich jetzt schon lesen kann, bis wir wirklich Gedanken übertragen, eines nahen Tages. Wie kann darin nicht die Antwort liegen? Angesichts der über 7 Milliarden, die es von uns gibt und den zig Milliarden, die es gegeben hat, in zig Tausend Jahren. Wenn die Antwort in uns liegen muss, und uns eine Anzahl von Ichs ist, und es davon so unfassbar viele gibt und „gab“ (viele von ihnen leben ja irgendwie fort, in allem, was sie uns hinterließen), also dann ist doch die Wahrscheinlichkeit, diese Antwort zu finden, wie ein Sechser im Lotto: Schwer zu finden, aber kein Ding der Unmöglichkeit!

Warum – da ist es wieder – hat sie dann nicht längst jemand gefunden? Die Antwort irgendeine metaphysische Frage, die letztlich ja alle aufs Gleiche hinauslaufen: Warum gibt’s überhaupt irgendwas, was ist der große Grund? Von zwei Möglichkeiten [die Erste: ein paar Köpfchen kennen die Antwort(en) und behalten sie schön für sich] glaube ich fest an die zweite: Die Antwort ist tatsächlich wie ein Sechser im Lotto, aber die Lottozahlen, oder bildlicher gedacht: diese haufenweise Lottobälle, auf denen die Zahlen stehen, die sind nicht alle in einem rotierenden Käfig gesperrt, aus dem man einfach nur ziehen brauchen (wie lächerlich einfach ist Lotto bitte!?). Die einzelnen Teile – und vielleicht sind es mehr als sechs – aus denen sich die Antwort nach dem großen Warum zusammensetzt, die sind besser versteckt, in uns. In all den Subjekten, die auf dieser Erde lustwandeln. In den Büchern und Filmen eben, und in uns, die wir noch leben. Dort also, denke ich, ist die Antwort versteckt.

Und bis jetzt hat einfach noch niemand die richtige Kombination an Gedanken zusammengetragen, um die Antwort zu formen. Warum? Wir müssen weiterlesen, ins Kino gehen, Musik hören, zuhören überhaupt, die Menschen in unserer Nähe und Ferne und sammeln gehen, Gedanken wie Pilze, dürfen sie nur nicht vergessen, müssen sie irgendwie irgendwo festhalten, damit sie im Gedächtnis bleiben.

Deshalb dieser Blog vom Bleiben . Dies ist meine kleine Basis, um anzusammeln, was irgendwann vielleicht zur Antwort beiträgt – und sei es, dass eine wie auch immer geartete künstliche Intelligenz erst die Leistung vollbringt, so vieles unseres Kulturguts zu sichten, abzuspeichern, neu zusammen zu setzen und daraus eine Antwort zu bilden, in einer Sprache, die wir verstehen können: Wir sind auf dem besten Weg, es eines nahen Tages zu erfahren, warum das alles? Bis dahin versuchen ich, die künstliche Intelligenz abzuhängen und schneller zu sein. Challenge accepted .

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