Die britische Anthologie-Serie Black Mirror behandelt seit 2011 allerlei Zukunftsthemen. Dabei eröffnet jede Episode ein eigenes kleines Universum mit neuen Figuren und Konflikten – und zuweilen eigenem Style. Mit der Episode Bandersnatch liefert die Serie Black Mirror nun erstmals ein interaktives Filmerlebnis und verlagert eine Story dazu ausnahmsweise in die Vergangenheit.
Zum Inhalt: London, 1980er Jahre. Der Teenager Stefan Butler (Fionn Whitehead) lebt allein mit seinem Vater und verbringt viel Zeit am Computer. Inspiriert vom Science-Fiction-Roman eines gewissen Jerome F. Davies trägt der Junge die Idee für ein interaktives Computerspiel mit sich herum. Diese Idee präsentiert er dem Videospiel-Unternehmen Tuckersoft, wo er den berühmten Entwickler Colin Ritman (Will Poulter) kennenlernt. Im Gespräch mit dem Chef des Unternehmens wird Stefan vor die Wahl gestellt: Soll er seine Spielidee für Tuckersoft umsetzen, oder nicht?
Der frei wählbare Wille
Das verlockende Angebot ist nur eine Wahl von vielen, die es für die Zuschauer*innen zu treffen gilt – angefangen bei den Frühstücksflocken über die Musik in Stefans Kassettenspieler bis hin zu Fragen um Leben und Tod. »Die neue Black-Mirror-Folge hab ich gestern Abend durchgespielt «, schrieb mir eine Freundin und brachte das Filmerlebnis Bandersnatch damit auf den Punkt: Es ist keines. Denn Bandersnatch gibt das wichtigste Element eines guten Films aus der Hand – die Dramaturgie.
Lesetipp: Hier geht’s zu einem Blogbeitrag über die erste Staffel von Black Mirror .
Insgesamt circa 5 Stunden Filmmaterial ergeben durchschnittlich 90 Minuten Filmvergnügen, ehe man zu einem der offiziell fünf Enden gelangt. Allein, dass sich ein »Ende« nicht unbedingt wie eines anfühlt, wenn man die Wahl hat, einen Schritt zurückzugehen und es nochmal anders auszuprobieren. Diese Möglichkeit gibt es zuweilen neben einem Button, der direkt »zum Abspann« führt – und damit zum selbstgewählten Ausstieg. Eine Option, die für mich persönlich (mit meinen clossure issues ) nicht in Frage kam. Stattdessen hatte ich den Drang, möglichst das gesamte Bandersnatch -Universum zu erkunden, was dazu führt, dass man etwaige Szenen etliche Male sieht. Irgendwann überkommt einen das Gefühl, nur noch in altbekannten Schleifen gefangen zu sein.
Filmtipp: Wer Lust auf einen richtig starken, interaktiven Kurzfilm hat, sollte sich mal Possibilia (2016) von Daniels anschauen. Nur 8 Minuten lang, dieser Ausflug ins Multiversum.
Wirbel im Gesamtwerk
Immerhin: Viele der Einzelszenen sind in sich ziemlich cool, wie man es von Black Mirror gewohnt ist, mit radikalen Wendungen und schrägen Ideen (Stichwort: zerlaufende Augen) – wobei sich die Dialoge oft auf einer Meta-Ebene bewegen. Da geht es um freien Willen und Schicksalswege, um das interaktive Tool auch thematisch zu berücksichtigen.
Ich denke, es geht um Verantwortung über Entscheidungen. […] Wenn es Teil des Rückgrats ist, das sich durch das Gesamtwerk Black Mirror zu ziehen scheint, denke ich, dass auch Bandersnatch uns etwas darüber lehrt, wie wichtig unsere Entscheidungen in Bezug auf unsere Beziehungen zur Technologie sind. Damit wir geistig gesund bleiben und wir uns nachhaltig damit beschäftigen können – auf eine Art, die auch ethisch verantwortlich ist.
Schauspieler Will Poulter im Gespräch mit Den of Geek!
Fazit zu Black Mirror: Bandersnatch
Von den Referenzen innerhalb des multiversalen Black-Mirror -Kosmos‘ hat mir die plakativste (Stichwort: Metl Hedd ) am besten gefallen. Was die Interaktion anging, waren es für meinen Geschmack etwas zu viele Entscheidungen, die an uns Zuschauer*innen ausgelagert wurden. Besagte Freundin dazu: »Was mir enorm schwer fiel, war, mich für Mord und Zerstückeln zu entscheiden, da habe ich eine enorme Hemmschwelle.« Zu sehr Meta-Zuschauer, der stets den Film als zu betrachtendes Werk im Hinterkopf hat (statt in die Geschichte einzutauchen), empfand ich derlei Hemmungen eher nicht. Wenn auch kein allzu wirkungsvolles, so ist Bandersnatch doch ein recht interessantes Experiment zum Thema Willensfreiheit.