DER MARSIANER mit Matt Damon | Film 2015 | Kritik, Review

The Space Pirate . Das wäre der bessere Filmtitel gewesen – und stand hundertpro mal zur Debatte, in der Preproduction-Phase. Der Titel liegt einfach auf der Hand. Und ist so. viel. cooler. Als „The Martian“ (ich kann das nicht aussprechen) respektive „Der Marsianer“ (ich will das nicht aussprechen). Außerdem hätte Ridley Scott dann in zwei Jahren den lang ersehnten „Gladiator vs. Space Pirate“ drehen können. Darauf warte ich seit… gestern. Abend. 23 Uhr.

Matt Damon ist also wieder verloren gegangen. Kann den Kerl mal jemand festbinden? Oder einfach nicht zurückholen? Einfach mal da lassen? „Der Zurückgelassene – vergesst Matt Damon“. Würde ich mir anschauen. Mal was anderes als „Der Verschmähte – übergeht Leo DiCaprio“. Zum Thema: In „The Martian“ spielt Matt Damon einen Astronauten, der – im Marssturmchaos totgeglaubt – von seiner Crew zurückgelassen wird. Und was macht man alleine auf dem Mars, in seiner kleinen Space-Hütte, um die Zeit bis zur nächsten Rückreisemöglichkeit in fünf Jahren (oder sehr, sehr vielen „Sols“ – so nennt man Marstage) zu überbrücken? Kartoffeln züchten. Gediegene Discomucke dissen. Und Werbung machen, für die NASA und GoPro und Jordanien als Topreiseland in Sachen Wüstenpanoramen. Ein Teil des Filmes wurde dort gedreht. Ewige Weiten, in der Farbkorrektur schön a bissel auf rot getrimmt und den Himmel um Space-Wolken und -Winde bereichert. Boom, zack, nicht von dieser Welt! Das sieht spektakulär aus, sogar in 3D. Damit wurde ich uninformierter Launegänger an der Kinokasse überrascht. Vorpremiere, 3D, das hat mich mehr als einen Monat Netflix gekostet. Aber so bin ich. Selbstlos mein Geld in die krankende Kinoindustrie pumpend. Dafür wurde ich mit einem tollen Film belohnt.

„I admit it’s fatally dangerous, but I’d get to fly around like Iron Man.“

Gut, Matt Damon nervt ein wenig in seiner Selbstgefälligkeit. Ja, Damon, nicht Watney. Irgendwie blitzt der Schauspieler hin und wieder durch – und wie geil er es findet, so eine One-Man-Show-Rolle zu wuppen. Klar, da gibt’s noch diesen hochkarätigen Hammer-Cast jenseits des roten Planeten, aber im Wesentlichen geht es um Matt. Mark. Marsmatt. Der Film schlägt zwischendurch philosophische Töne ein, macht großes Aufhebens um Pioniere: Der erste Mensch zu sein, der diesen Hügel auf diesem Planeten besteigt. Viele Millionen Jahre keiner da und plötzlich ist man der Erste. Und Einzige. Der bildgewaltige und narrative Mars-Kontext hebt diesen Umstand auf ein besonders wirkungsvolles Bedeutungslevel. Doch warum ist uns dieses Der-erste-Mensch-Blah so bedeutsam?

Neil Armstrong war nicht nur der erste Mann auf dem Mond. Es war auch sein erstes Mal auf dem Mond. Vielleicht werde auch ich eines Tages meine eigenen Kartoffeln anbauen – aller Voraussicht nach wird das eher in einem popeligen Hintergarten, als auf einem anderem Planeten passieren, aber hey: Mars, Erde, poteyto, potahto. Ich würde mich mindestens so feiern wie Mark Watney sich – als Pionier in meinem eigenen, kleinen Schaffenskosmos. Das weiß ich aus Erfahrung. In meiner Jugend habe ich Fische gezüchtet. Ein paar Aquarien, Wasser, Wärme, Guppys, Futter, voilà: Fischbabys. Schon fühlt sich der bescheidene Hobbyzüchter in seiner Garage wie Gott am Freitag.

Übrigens: In Der Marsianer / The Martian spielt auch Donald Glover mit, der 2018 mit dem großartigen Musikvideo This Is America für Aufsehen sorgte.

Kurzum: Nach „The Space Pirate“ ging ich beschwingt aus dem Kino. Wohlwissend, dass ich wohl nie etwas so Großes unternehmen werde, wie eine Marsexpedition. Wohl nie… eher: Sicher nie. Auf dem Weg zum Auto hat mich das dann für einen Moment ein bisschen traurig gestimmt. Andererseits macht dieser Film auch nicht gerade Werbung für Marsexpeditionen per se. Vielmehr hat er mir nochmal gezeigt, dass ich als Astronaut wirklich, wirklich unqualifiziert wäre (der Moment, als Watney über Kommunikationsmöglichkeiten nachdenkt und ihm das Hexadezimalsystem einfällt, nun… ach… bis zu dem Punkt wäre ich längst draufgegangen, auch egal). Jedenfalls: Auf der Rückfahrt vom Kino kam mir der Gedanke, dass ich, vom Pioniergeist befeuert, wenn schon nicht der erste Mensch irgendwo, doch wenigstens das erste Mal, für mich, irgendwo sein möchte. Im Regal einer Buchhandlung. Mit einem eigenen Schinken, der voll ist von solchem Buchstaben-Geblubber hier. Oder sogar etwas mit Handlung. Der Weg dahin ist ein weiter, die Zeit zum Ziel noch lange hin. Bestimmt hunderte von Sols entfernt. Ich hab schon angefangen. Ich mach einfach weiter. Hier noch ein lustiges Zitat aus der literarischen Vorlage zum Film:

“I started the day with some nothin’ tea. Nothin’ tea is easy to make. First, get some hot water, then add nothin’.”

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