Der Drehbuchautor Nic Pizzolatto spielt die wohl bemerkenswerteste Rolle im Gesamtkunstwerk True Detective (Staffel 1, 2014). Darin geht es um einen acht Folgen und viele Jahre andauernden Kriminalfall, der Stoff für Thriller, Horror und Drama in sich vereint, Lebensweisheiten hinzuwürzt und den Humor nicht vergisst. Pizzolatto schrieb das Buch dazu und schuf damit, behaupte ich, die dickste Säule, auf die ansehnliche Serie True Detective jetzt steht.
Loblied auf True Detective
Klar, das Schauspiel der beiden Hauptdarsteller – Matthew McConaughey und Woody Harrelson ( Three Billboards ) – und allen anderen ist grandios, die Musik passend, die Ausstattung düster und atmosphärisch, das Intro geradezu genial! Aber es sind die Story und die Figuren und die Zeilen, die sie sagen, die True Detective so interessant machen. Ungefähr alles, was Rust Cohle über seine spröden Lippen haucht, würde ich mir im Wortlaut auf den Arsch tätowieren lassen. Leider schweift der coole Detective hin und wieder etwas aus, aber so manch Zitat würde passen: »I don’t sleep / I just dream« (linke Backe / rechte Backe). Kurz: 10/10 Punkte , für jeden, der ein bisschen finster und brutal wegsteckt – it’s a must-see because of Rust C.
Woohoo, der ging runter wie Butter… doch ausgehend von der Serie True Detective , in der es nicht eben wenig um Lebensglück geht, möchte ich noch ein wenig abschweifen.
Dieses Interview mit Herrn Vaillant geht mir nicht aus dem Kopf. Ein Professor, der eine Studie betreut, deren Ziel es ist, eine Art Glücksformel zu finden. Wenn ich das richtig verstanden habe. Über 200 Menschen standen und stehen im Fokus dieser Studie, seit über 70 Jahren – eine lange Zeit in vielen Leben, da kann eine Menge passieren. Wer ist am Ende glücklich, wer ist es nicht? Nachfolgend Gedanken zum Glück.
Wahres Glück und Wanderlust
Manche sind gestorben. Andere abgestürzt. Ist Glück kurzweilig oder langatmig, dasselbe wie Zufriedenheit, oder ein emotionaler Orgasmus, etwas, das man selbst finden kann, besser aber noch mit einem Partner? Ich weiß es nicht.
»Glück ist, nicht immer alles gleich und sofort zu wollen, sondern sogar weniger zu wollen. Das heißt, seine Impulse zu kontrollieren und seinen Trieben nicht gleich nachzugeben. Die wahre Glückseligkeit liegt dann in der echten und tiefen Bindung mit anderen Menschen .«
George Vaillant im Interview, erschienen im SZ-Magazin 13/2013
Schrecklich schnulzig, ja, ist wahr. Aber eben auch wahr. Bin selbst in einer langjährigen Partnerschaft. Mein Gedächtnis funktioniert nicht so blendend, als dass es mir noch verraten könnte, ob ich damals so empfunden habe, wie ich es heute tue. Wir sind Ende der Schulzeit zusammen gekommen, zwei Teens, sprunghaft und launisch und es ist ein Wunder, dass wir – trotz aller Differenzen, Hürden, Zanks – zusammen geblieben sind. Jetzt, im Moment, scheint es mir so leicht. Vielleicht, weil so viel auf dem Spiel steht: All die Jahre wären verschwendet, wenn es am Ende nicht gehalten hat… nicht wahr? Dazu, aus True Detective :
»Past a certain age, a man without a family can be a bad thing.«
Martin Hart (Woody Harrelson) in True Detective (2011)
Wie oft schreit der Freigeist in meinem Kopf, ich müsse mich lösen und rauskommen aus der comfort zone , jenseits welcher das Leben anfängt, ich müsse mich verwirklichen, so viel sehen und machen und erleben. Reisen natürlich. Reisen vor allem. Die Lehr- und Wander jahre nachholen, die mir im industrie- und handelskammerheimeligen Rahmen so geschmeidig wie möglich gestaltet wurden und mich einen »Beruf« gelehrt haben, den ich seitdem nie praktiziert habe (Wiki-Definition: Beruf ist die *aufgrund besonderer Eignung und Neigung systematisch erlernte und mit Qualifikationsnachweis versehene, spezialisierte* Betätigung eines Menschen. Ich habe den Bullshit-Teil davon mal in Sternchen gesetzt. Die Herren in True Detective jedenfalls frönen ihrem Beruf im besten Sinne der Definition, so scheint es).
Schreihals und Ruhepol
Gelernt habe ich das Aufgabenfeld des Medienkaufmanns. Gearbeitet habe ich schon währenddessen eigentlich eher als Kameramann und Cutter. Und danach als Redakteur. Und nebenher – in Form eines arbeitsreichen aber reichlich unlukrativen Hobbys – als Filmemacher. Was bin ich jetzt? Schlüge mein Herz wirklich, ehrlich, leidenschaftlich für den Film, wäre ich längst Vollblut- und Vollzeitregisseur. Feste Arbeitsstelle? Sicheres Gehalt? Meh, ein Leben für die Kunst! Das schreit der Freigeist, doch dem höre ich selten zu. Ich denke mir, die Welt zu sehen, ein Mehr an Lebenserfahrungen und Eindrücken würden mir endlich eine Antwort darauf geben, wer ich bin und was ich will… doch dazu müsste ich erst einmal raus aus der comfort zone wollen. Wirklich wollen.
Dem Schreihals steht ein Ruhepol gegenüber, stark wie ein Weirwood, der sich nicht beirren lässt: Ich muss bleiben. Mehr noch: Ich will bleiben. Ich sehne mich nach dem Vertrauten in meinem Leben, nach der Nähe und Wärme, selbst wenn sie nur eine Nacht lang weg ist. Dir kommt’s hoch bei so viel Gefühlsduseligkeit? Frag mich mal. Denn ein Teil von mir ist so nicht. Ein Teil von mir ist dunkel und hätte die helle Seite längst aufgefressen, hätte ich mich nicht in ein soziales Gefüge verstrickt, das meiner hellen Seite bedarf, sogar: bedingt. Meistens bin ich froh darum. Die dunkle Seite ist verlockend (sie hat Kekse), aber sie ist auch »a bad thing«, wie True Detective lehrt.
Bis jetzt hab ich’s im Griff. Und »bis jetzt« ist schon eine ganze Weile. Zum Glück.
Nachtrag: »Verlassen der comfort zone« ist wohl zu viel gesagt, und doch hab ich sowas wie ’n Absprung gewagt – seit 2018 versuch ich mich in der Selbständigkeit. Mit meiner Kamera ausgestattet, und dem was mein Hirn an Kreativität zu bieten hat, stehe ich damit am Anfang neuer »Lehr- und Wanderjahre«. Ich bin gespannt, wo sie mich hinführen. Bisher auf jeden Fall: Nicht zur zweiten Staffel True Detective …