MONSIEUR CLAUDE UND SEINE TÖCHTER | Film 2014 | Kritik

Kürzlich gesehen: Monsieur Claude und seine Töchter von Philippe de Chauveron. Er platziert in Frankreich auf Rang 7 der erfolgreichsten französischen Filme aller Zeiten. Die Zahl 7 find ich super. Den Film Sieben auch. Die sieben Königslanden erst recht. Ach, komm, geben wir Monsieur Claude eine Chance, solange die nächste Staffel GoT noch auf sich warten lässt.

Die unbequeme Haltung einstiger Urviecher

Meine Hoffnung darauf, den nächsten Ziemlich beste Freunde zu sehen, hat sich schnell gelegt. Bei besagtem Film war es wie zufällig die ziemlich beste Dosis von allem, die daraus einen tollen Film gemacht hat. Monsieur Claude und seine Töchter ist nach dem gleichen Rezept entstanden, nur eben mit zu viel von allem. Gesehen habe ich den Film in der deutschen Synchronfassung via Amazon .

Hinweis: Liebe Leser*innen, bis zur Zwischenüberschrift »Close-up« wünsche ich spoilerfreies Lesen. Danach verrate ich ein paar Pointen (die jetzt nicht sooo lustig waren, der Trailer verrät mehr) und gehe konkreter auf die Problematik des Films ein. Wer sich vorher ein unvoreingenommenes Bild von Monsieur Claude und seine Töchter machen möchte, findet bei JustWatch einen Überblick über aktuelle Streaming-Möglichkeiten .

Ein Chinese, ein Jude und ein Araber erheben die Gläser zum Toast und… ja. Standbild aus dem Film »Monsieur Claude und seine Töchter« | Bild: Arnaud Borrel

Totale: Monsieur Claude und seine Töchter im Zusammenhang

Cineastischer Kontext

Im Jahr 2014 im Kino, im Jahr 2015 auf der Longlist des Europäischen Filmpreises. Mit vielen außergewöhnlichen Filmen, etwa Victoria , Ewige Jugend, Das brandneue Testament, The Lobster . Bei dieser Konkurrenz sticht Monsieur Claude und seine Töchter nicht gerade als bemerkenswert heraus. Zu konventionell ist der Film geraten. Konventionell hingegen schlägt sich immer gut an den Kinokassen. Über 12 Millionen Menschen sahen ihn allein in Frankreich im Kino. Damit zählt er zu den Top 10 der erfolgreichsten französischen Filme im Filmland Frankreich.

Gewonnen hat Monsieur Claude und seine Töchter für sein Drehbuch den Prix Lumières. Der Preis ist benannt nach den Gebrüdern Lumière. Zwei Pioniere des Kinos im 19. und frühen 20. Jahrhundert, deren Gesamtwerk 2005 zum Weltdokumentenerbe ernannt wurde. Wie den beiden Herren die französische Komödie aus dem Jahr 2014 wohl gefallen hätte? Naja, vermutlich oberaffengeil, wenn das hier die Referenz ist, an der man neue Kinomomente misst:

Persönlicher Kontext

Im Sommer möchten Sonia und ich einander das Ja-Wort geben. Sie hat polnische, ich habe deutsche Wurzeln, beide kommen wir aus katholischem Hause. Trotzdem möchten wir uns frei trauen lassen, ohne kirchliche Schirmherrschaft. Dieser Wunsch ließ sich mit unseren Eltern entspannter besprechen, als es mit unseren Großeltern der Fall gewesen wäre. Dennoch waren es eben diese persönlichen Umstände, aufgrund derer wir glaubten, der Filmidee »Hochzeit sorgt für Konflikt zwischen Generationen/Konventionen« durchaus etwas abgewinnen zu können. Identifikationspotential, wenigstens.

Allein, die Komödie lässt leider nur Karikaturen aufeinander los. Lebensnähe ist in diesen 97 Minuten eher wenig gegeben.

Close-up: Monsieur Claude und seine Töchter im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Films

Es beginnt mit einem von Blumen umspielten (ich sag: kitschigen, Sonia sagt: voll schönen) Vorspann. Verschnörkelte Schrift auf papierenem Grund. Dann: Establishing Shot vom Rathaus von Chinon. Zu der Totale sind via J-Cut bereits die Worte zu hören, die nur von einem Standesbeamten kommen können.

Rachid Abdul Mohammed Ben Assem, wollen Sie die hier anwesende Isabelle Susanne Marie Verneuil zu ihrer rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen?

Während des Satzes wird auf die Familien geschnitten. Zunächst auf die von Rachid, dann auf die von Isabelle, deren Eltern missmutig dreinschauen. Insbesondere der Vater rückt mit seinem verdrießlichen Blick in den Fokus. Monsieur Claude. Wir kennen ihn noch nicht, aber wir dürfen schon einmal annehmen, dass ihm nicht nur mulmig zumute ist, weil er eine seiner vier Töchter in die Hände eines anderen Mannes abgeben muss.

Ein bisschen rassistisch

Der vage Eindruck bestätigt sich in einer folgenden Montage: Mit einsetzender Musik werden auch die Trauungen zweier weiterer Töchter abgefeiert – an einen Juden und einen Chinesen. Klingt wie ein Witz und gibt auch ganz gut die Art des Humors wieder, der in Monsieur Claude und seine Töchter zelebriert wird. Geht so:

Ein Araber, ein Jude und ein Chinese heiraten drei Schwestern. Wie findet es deren konservativer Vater, wenn die vierte Tochter jetzt noch mit einem Afrikaner um die Ecke kommt?

Wie auch immer die Antwort ausfällt, ich ahne, dass ich im Affekt lachen könnte. Mein schlichtes Gemüt ist empfänglich für flachen Humor. Auch wenn mein Hirn warnt, dass es diese Art von Witz gar nicht mögen möchte. Lachen über rassistische Vorurteile, aus einem empathischen Impuls heraus, nach dem Motto: Hach ja, Rassismus… – im Film wird der darin mitschwingende Gedanke tatsächlich ausgesprochen, von Rachid:

Ein bisschen rassistisch sind wir doch alle, irgendwie. | Minute 27

Eine Frage der Haltung

Hier ein Link zu einer Liste mit Filmzitaten aus Monsieur Claude und seine Tochter . Deutlicher lässt sich auf einen Blick nicht zeigen, welcher Humor diesen Film durchweg prägt.

Ich kann die Logik nachvollziehen, nach der uns die Skepsis etwaiger Fremder gegenüber urviechmäßig eingebrannt ist. Aus lange zurückliegenden Jahrtausenden, in denen sich wortkarge Stämme noch mit Steinen bewarfen. Ähnlich wie Rückenschmerzen als Volkskrankheit einer Spezies, wie etwas macht, wofür unsere affigen Körper nicht gemacht sind: Sitzen.

Eine seltsame, neumodische Haltung, die wir da etabliert haben.

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

Über besagten Araber, Juden, Chinesen und den Afrikaner erfahre ich im Laufe des Films deren Namen, deren Berufe und ein bisschen über deren Temperament, ob eher hitzig oder kühl. Wobei Letzteres schon in die Kategorie dessen führt, was der Film Monsieur Claude und seine Töchter uns sonst noch so über seine Figuren mit auf den Weg gibt. Nämlich nichts als gängige Vorurteile. Weniger, um diese vorzuführen (zu entblößen, um dann einen Blick hinter die stereotype Fassade zu werfen). Vielmehr, um diese Vorurteile aufzuführen, wie eine Parade.

Und weil alle, selbst der katholische Gaullist, der Monsieur Claude ist, Vorurteile über andere hegen, aber auch welche über sich selbst bestätigen, können ja alle mit allen über alle lachen. Läuft bei allen.

Für mein Empfinden werden Klischees damit nicht als solche (und somit gelegentlich, aber nicht per se zutreffend und überhaupt hinterfragenswert) entlarvt, sondern plump kultiviert.

Dass mir die Verfilmung aus künstlerischer Sicht nichts Neues serviert, darum bin ich rückblickend ein bisschen froh. So, wie die Figurenzeichnung völlig auf Zweckmäßigkeit im Sinne humoriger Plattitüden reduziert wird, so ist die technische Umsetzung reines Handwerk. Hinter keiner Kameraeinstellung, keinem Schnitt ist da ein kreativer Impetus zu spüren. Abgesehen von der Einführung Afrikas als Handlungsort durch die besondere Kolorierung einer Totalen – was im Kontext des Gesamtwerks arg aus dem Rahmen fällt und eher peinlich wirkt. Die Ausleuchtung ist komplett High-key gehalten, ein Feel-Good-Movie nach Schema F. Warum stimmt mich das froh? Weil ich mich sonst zu einem »ja aber« hätte durchringen können: Rassismus-freundliche Grundstimmung, ja aber die Inszenierung ist interessant. Nö.

Fazit zu Monsieur Claude und seine Töchter

Ich kann mit guten Gewissens ganz einseitig und undifferenziert auf die Seite derjenigen schlagen, die den Film nicht so dolle finden. Als gefälliges Mainstream-Werk ist Monsieur Claude und seine Töchter gewiss ein guter Film, der auf den Box-Office-Listen halt einfach gerne an anderen Filme vorbei nach oben rücken möchte, so wie ein Audi A3 ein gutes Auto ist, dessen Fahrer*in halt einfach gerne auf der Autobahn an dir vorbei nach vorne preschen möchte – mit Strobo-Lichthupe. Ach, und die Luft verpesten beide, irgendwie.


Weblinks
  • Monsieur Claude und seine Töchter bei Wikipedia
  • Filmkritik | Susan Vahabzadeh (SZ) über Monsieur Claude und seine Töchter : Alles so schön bunt hier
  • Filmkritik | Julia Dettke ( DIE ZEIT ) über Monsieur Claude und seine Töchter , mit einem schönen Titel und einem Schlusswort zum hier unerwähnten Sexismus : Ziemlich rechte Freunde

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