Am Weltfrauentag 2018 , dem 8. März, da feierte ein Kurzfilm von Julie Gautier mit über 40 öffentlichen Aufführungen Premiere: AMA . Zu sehen ist darin die Regisseurin selbst, mit einer Unterwasser-Tanzperformance , die außer ihr wohl kein Mensch auf dieser Welt hätte darstellen können. In rund 10 Metern Tiefe zieht sie die Zuschauer*innen in ihren Bann, über 6 Minuten lang.
2019 im Kino: Wer Julie Gautier auf großer Leinwand erleben möchte, kann dies im Rahmen der International OCEAN FILM TOUR tun. Weitere Infos darüber gibt’s hier von Sonja Schönthier ( StadtZeitung , 17.01.19) und hier von Olivia Binde ( Swim , 06.02.19). Über die Eröffnung der Filmtour in Hamburg schreibt Tatjana Pokorny ( Yacht Online , 18.03.19), unter dem Titel: »Wenn der Ozean stirbt, dann sterben auch wir«
Neuer Kurzfilm: Am 01.02.19 wurde ein neuer, wieder einmal atemberaubender Kurzfilm von Julie Gautier und Guillaume Néry veröffentlicht: One Breath Around The World
Tanzen im Weltraum
Der Titel des Kurzfilms AMA kommt aus dem Japanischen. Dort steht der Begriff für »Frau des Meeres« und bezeichnet auch die traditionellen Perlentaucher*innen. Die Disziplin des langen Tauchens ohne Geräte nennt man Apnoe- oder Freitauchen.
Hier geht’s zu einem Blogbeitrag über das Musikvideo Birthplace , in dem die Kunst des Freitauchens ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.
Totale: AMA im Zusammenhang
Künstlerischer Kontext
Vor rund 3 Millionen Jahren stieg der Vulkan Piton des Neiges aus dem Indischen Ozean auf und bildete eine Insel, die später von den Franzosen La Réunion – Insel der Zusammenkunft – genannt wurde. Im Jahr 1980 kam dort das Mädchen Julie zur Welt. Ihr Vater war ein Speerfischer. Bei dieser Unterwasserjagd auf Fische und Schalentiere handelt es sich um eine der ältesten Techniken des Nahrungserwerbes. Nicht nur auf La Réunion, sondern überall wo’s je Wasser gab. Ohne Pressluft, nur mit einer Harpune bewaffnet, sinkt der Mensch dazu in die Tiefe.
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Inzwischen ist Julie Gautier französische Rekordhalterin im Tieftauchen mit konstantem Gewicht . 68 Meter tief (!) ging sie schon hinab, mit nur einem Atemzug. Im Jahr 2010 inszenierte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Guillaume Néry, ebenfalls Apnoetaucher und Rekordhalter, den Kurzfilm Free Fall (inzwischen über 26 Millionen Views auf YouTube). »Dieser Riesenerfolg […] hat sie darin bestärkt, eine eigene Filmkarriere zu beginnen«, heißt es auf der offiziellen Website zu der Doku Attention: A Life In Extremes , an der sie mitgewirkt hat.
Filmemacherin Julie Gautier
Julie Gautier ist also Filmemacherin , ebenso Unterwassermodel und -kamerafrau . Zu ihren bekanntesten Produktionen zählt der fantastische Kurzfilm Narcose , inspiriert »von den realen Unterwasser-Halluzinationen« ihres Mannes, sowie das Musikvideo Runnin‘ (Lose It All) von Naughty Boy (feat. Beyoncé), in dem sie Co-Regie führte und ihr Mann vor der Kamera stand, beziehungsweise: schwebte.
Für AMA begab sich Julie Gautier in den tiefsten Pool der Welt , genannt Y-40. Y wegen der Y-Achse eines Koordinatensystems, 40 aufgrund der Tiefe von ebenso vielen Metern (was wiederum der Höhe eines 12-stöckigen Hochhauses gleichkommt). Der Pool liegt im italienischen Padua und verfügt über mehrere Zwischenebenen. Auf der Ebene Y-10 führte Julie Gautier ihre Performance auf.
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Persönlicher Kontext
Als Sonia einmal vor der Küste von Irland beim Skelling Michael in einem Boot auf dem Meer schipperte, tauchten Delfine in ihrer Nähe auf. »Kennst du das Gefühl«, hat sie mich später mal gefragt, »etwas derart Schönes zu sehen, dass man glaubt, es nicht ertragen zu können?« Das klingt schrecklich schwärmerisch, ja, mein Kitsch-Sensor blinkt rosarot. Aber es ist doch wahr! Dieses Gefühl, das Sonia damals bei den Delfinen hatte, das kenne ich tatsächlich: Eine Beklemmung in der Brust, bestärkt vom Bewusstsein, nichts von alledem festhalten zu können, was wir an Schönheit erleben dürfen.
Apropos Schönheit: Schon der griechische Philosoph Platon setzte sich vor ein paar Tausend Jahren mit dem Wesen der Schönheit auseinander. Mehr darüber in Platons Ideenlehre .
Ein solches Gefühl – die Schönheit kaum ertragen zu können – hatte ich, als ich AMA zum ersten Mal sah. Zufällig auf großer Leinwand und in genau der richtigen Stimmung. Obwohl ich selbst als Kind leidenschaftlich gerne schwamm, bin ich in Tiefen jenseits von 3 Metern seit jeher ein großer Schisser – und in naturbelassenen Gewässer sowieso.
Die Welt Unterwasser ist einfach nur das nach innen gekehrte Universum , kein bisschen weniger faszinierend und unbekannt, als das Weltall außerhalb unserer Erde. Deshalb sind Taucher*innen wie Julie Gautier für mich wie Astronaut*innen, bloß ohne Raumanzug und tanzend, kurzum: atemberaubend!
Close-up: AMA im Fokus
Erster Eindruck | zum Inhalt des Kurzfilms
Der Kurzfilm AMA beginnt mit einer halbnahen Frontalaufnahme von Julie Gautier im strömenden Regen. Umgeben von Schwarz. Dazu setzen Klavierklänge ein, The Rain In Your Black Eyes von Ezio Bosso. Die Kamera fährt auf sie zu, ins Close und näher, bis zu einer Detailaufnahme von ihren Augen, die sich langsam schließen.
Trauma filmisch verarbeitet
AMA ist ein Stummfilm. Er erzählt eine Geschichte, die jede*r auf eigene Weise interpretieren kann, basierend auf ihren oder seinen eigenen Erfahrungen. Es gibt keine festen Zuschreibungen, nur Anregungen. Mit diesem Kurzfilm möchte ich den größten Schmerz in meinem Leben teilen.
Julie Gautier
Von den geschlossenen Augen folgt ein Schnitt auf die nackten Füße Gautiers. Sie liegt am Boden. Die Kamera bewegt sich entlang ihres Körper, der Beine, dem schwarzen Kleid, einer Hand, die auf ihrem Bauch liegt. Schnitt in die Totale: Jetzt sehen wir, dass Julie Gautier nicht irgendwo auf dem Boden liegt, sondern auf dem Grund eines gewaltigen Beckens. Sie bewegt sich – und ihre Haare schweben wie in Schwerelosigkeit.
Aber es geht nicht um den Schmerz in seiner rohen Form. Ich überdeckte ihn mit Anmut, um dem Schmerz seine Schwere zu nehmen. Ich tauchte ein ins Wasser. Dieser Film ist allen Frauen dieser Welt gewidmet .
Julie Gautier im Statement der Regisseurin (aus dem Englischen, siehe Video-Description )
Filmtipp für Extremsport-Fans: Hier geht es zu unserer Filmkritik über Durch die Wand (2018), eine Doku über Tommy Caldwells halsbrecherisches Projekt, die Dawn Wall zu erklimmen.
Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films
Wie ist eine solche Performance überhaupt möglich? Ohne Atemgerät, ohne Gewichte? Dass professionelle Apnoetaucher bis weit über 5 Minuten lang ihren Atem halten können, ist zwar beeindruckend, aber einleuchtend. Tieftauchen heißt, Wege zurücklegen – und das braucht Zeit. Taucht man tief genug, ist der Wasserdruck auf den Körper und die Lunge so hoch, dass der Auftrieb ausbleibt und die Schwerkraft wirkt, wenn auch in anderem Maße.
So kommt es, dass Julie Gautier diese beispiellose Ballett-Performance präsentieren kann. Mich persönlich macht’s sprachlos, drum überlasse ich die letzten Worte der Regisseurin.
Für mich ist dieser Film ein Weg, um zu sagen: Du bist nicht allein. Öffne dich anderen und rede mit ihnen, über deine Leiden und deine Freuden.
Julie Gautier
Und hier ist er, der Kurzfilm AMA von Julie Gautier, mit inzwischen über 1 Millionen Aufrufe:
Weblinks:
- Die Website Colossal über den Kurzfilm AMA
- Die Website My Modern Met über den Kurzfilm AMA
- Das Frauen-Surfmagazin immersion über den Kurzfilm AMA