Die Filmkritikerin Alicia Malone versammelt in ihrem Buch The Female Gaze – Essential Movies Made by Women (2018) rund 50 Filme von Frauen, die repräsentativ sind für den »weiblichen Blick«. Begleitet von Essays weiterer Filmkritikerinnen und biographischen Abschnitten zu wichtigen Regisseurinnen, bietet diese kommentierte Sammlung eine bereichernde Lektüre. Denn die Filmgeschichte, die so oft an Citizen Kane , Hitchcock und Kubrick festgemacht wird, kann auch anders erzählt werden.
Regisseurinnen im Rampenlicht
Alicia Malones Buch The Female Gaze – Essential Movies Made by Women beginnt mit den Stummfilmen The Consequences of Feminism (1906) von Alice Guy und Madame Beudets sonniges Lächeln (1923) von Germaine Dulac und bahnt sich dann durch die Jahrzehnte bis zu Carla Renatas Das Zeiträtsel (2018). Auf rund 7 Seiten pro Werk werden Handlung und Wirkung der Filme besprochen. Dazu gibt es Hintergründe zu den Beteiligten sowie einige »Fast Facts«. Die eingestreuten Essays stammen von Filmkritikerinnen wie Jamie Broadnax, Monica Castillo, Jacqueline Coley, Roth Cornet und vielen mehr. Die zahlreichen Filme, Fakten und Perspektiven sorgen dafür, dass The Female Gaze – Essential Movies Made by Women ein kurzweiliges, hochinformatives Lese-Erlebnis ist. Hier geht es zu einer Liste aller im Buch besprochenen Filme .
Eine Auswahl der in The Female Gaze thematisierten Filme ist hier erhältlich*:
- Meine glückliche Familie (2017) von Merritt Mecham | Stream
- The Rider (2017) von Chloé Zhao | Blu-ray
- Das Zeiträtsel (2018) von Ava DuVernay | DVD
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Die Frau als Sehenswürdigkeit
Die Einleitung ihres Buchs beginnt Malone mit einem Zitat von John Berger aus dessen Fernsehserie Ways of Seeing (1972).
Man könnte dies vereinfachen, indem man sagt: Männer handeln und Frauen erscheinen. Männer betrachten Frauen. Frauen sehen sich selbst dabei, betrachtet zu werden. Dies bestimmt nicht nur die meisten Beziehungen zwischen Männern und Frauen, sondern auch das Verhältnis von Frauen zu sich selbst. Der Betrachter der Frau in ihr selbst ist männlich: die begutachtete Frau. So verwandelt sie sich in ein Objekt – und vor allem in ein Objekt des Blicks: eine Sehenswürdigkeit.
John Berger
Als einer der meistzitierten Aufsätze der feministischen Filmtheorie, wird Laura Mulveys Essay Visuelle Lust und narratives Kino (hier als PDF verfügbar ) aus dem Jahr 1975 auch zum Auftakt des Buchs The Female Gaze genannt. Immerhin geht der Begriff des »male gaze« (männlicher Blick), dem der »female gaze« konzeptuell gegenübersteht, auf Mulveys Analyse von Hollwoodfilmen der 1930er bis 1950er Jahre zurück. Doch das als »male gaze« beschriebene Phänomen des männlichen Blicks auf das weibliche »Schauobjekt« finde sich auch im Kino der Gegenwart, so Malone. Sie verweist dabei auf die Inszenierung von Megan Fox in Transformers . Es ließen sich mit Leichtigkeit weitere Beispiele nennen – doch darum geht es in diesem Buch nicht.
Lesenswert: Tori Telfer (Vulture) schreibt umfassend über »den weiblichen Blick« im Jahre 2018 , in ihrem Beitrag: How Do We Define the Female Gaze in 2018?
Fazit zu The Female Gaze
Das Projekt von The Female Gaze – Essential Movies Made by Women besteht darin, das Rampenlicht auf die Werke zu lenken, die den weiblichen Blickwinkel prägen. Denn auch diesen hat es im Laufe der Filmgeschichte immer gegeben, wenngleich er wesentlich weniger Beachtung fand. Wie erfrischend, erkenntnisreich und unterhaltsam »the female gaze« sein kann, das demonstriert die Filmauswahl von Alicia Malone (hier geht’s übrigens zu ihrem Podcast Magnificent Obsession ). Bis dato ist das Werk nur auf Englisch erhältlich , aber für Filmfans auf jeden Fall einen Blick wert.