Schlaf wie ein Tiger · von Mary Logue | Kinderbuch 2014 | Kritik

Schlafenszeit! Aber was, wenn das Kind noch überhaupt nicht müde ist? Das Kinderbuch Schlaf wie ein Tiger von Mary Logue gibt Eltern ein Beispiel und Kindern ein tierisches Gute-Nacht-Märchen zur Hand.

Das Kind mit der Krone

Zum Inhalt von Schlaf wie ein Tiger : Das Kind mit der Krone auf dem Kopf ist absolut noch nicht müde. Das sei nicht schlimm, meinen die Eltern und leiten es mit abendlichen Ritualen sanft in Richtung Bett. Doch selbst im kuschligen Bettchen möchte das Kind noch nicht an Schlaf denken. Denn es gibt noch eine wichtige Frage zu klären: Geht eigentlich alles auf der Welt irgendwann schlafen?

Der erste Blick aufs Buchcover verrät’s: Schlaf wie ein Tiger ist eine Gute-Nacht-Geschichte der kunterbunten Art. Was uns so farbenfroh entgegen leuchtet, ist nicht nur die bunte Girlande, die an ein Fest erinnert. Auf dem Boden schläft eine Figur im musternden Pyjama, angelehnt an einen Tiger, der seine Augen ebenfalls zum Schlummern geschlossen hält – hinter blauen Lidern, was auch an ein zurückliegendes Fest erinnert. Mit Krönchen und Kuscheltier schläft es sich scheinbar schön. Die Illustratorin Pamela Zagarenski erweckt mit dem Cover jedenfalls die kindliche Neugierde.

Überhaupt nicht müde

Mary Logue rückt eine Figur in den Mittelpunkt ihrer Gute-Nacht-Geschichte, die etwas anders ist. Sie trägt weder einen Namen, noch ist sie auf den ersten Blick als Schubladen-Mädchen zu erkennen. Die Autorin verzichtet auf klimpernde Wimpern, Schleifchen und Farben, die in diesen Zeiten (immer noch) mit dem weiblichen Geschlecht konnotiert sind. Und ich muss zugeben: Beim ersten Blick aufs Cover bin ich voll darauf reingefallen. Ätsch, doch kein Junge. Allein dieser kleine Oha-Moment sei der Autorin sowie der Illustratorin Pamela Zagarenski dankend anzuerkennen. Da sieht man mal wieder, wie oberflächlich das eigene Schubladen-System ist.

Indetifikationspotenzial?

Eine Protagonistin ohne Namen? Das wirkt zunächst etwas fremd, zumindest distanziert. Vor allem für Kinder sind Namen wie Ankerpunkte ihrer Identität. Etwas in dieser komplexen Welt, dessen sie sich sicher sein können (neben dem Alter, das ebenfalls enorm an kindlicher Relevanz besitzt). Bei der Frage »Wer bist du?« ist der Name aus Kinderperspektive in der Regel ausreichend, um nicht mehr als fremd zu gelten. Also, komm mit in den Sandkasten!

Doch Mary Logue geht mit Schlaf wie ein Tiger einen anderen Weg. Das Mädchen, von dem sie schreibt, ist einfach ein Kind, welches nicht schlafen gehen will. Damit addressiert sie alle Kinder (und Eltern), die dieses Problem vertraut ist. Ungeachtet der namentlichen Anonymität der Figur, gelingt es der Kinderbuchautorin durch die aufgezeigte Abendroutine des Mädchens, eine Identifikation der kleinen Leser*innen mit der Figur herzustellen.

Kindliche Lebensnähe

In den Schlafanzug schlüpfen, die Zähne putzen und sich ins Bett einkuscheln sind abendliche Rituale, die für die meisten Kinder zum Alltag gehören. Genauso wie die Auseinandersetzung mit den Eltern über das Zubettgehen – oder Nicht-Zubettgehen. Mit diesem zentralen Handlungsstrang ist die Geschichte nah an der Lebenswelt der Kinder angesiedelt. Auf diese Weise erhält die Lesemotivation der Kinder einen ordentlichen Schubser.

Geht eigentlich alls auf der Welt irgendwann schlafen?

In dem Kinderbuch Schlaf wie ein Tiger geht es mehr um die Schlafgewohnheiten der Tiere als um deren nächtliche Aktivitäten, wie zum Beispiel in Bitta Teckentrups Kinderbuch Mond – Eine Reise durch die Nacht (2018). So nehmen die königlichen Eltern das Mädchen auf eine gedankliche Reise mit und erklären ihr, wie Hund und Katze, aber auch Wale und Fledermäuse zur Ruhe kommen. Da fällt dem Mädchen selbst ein Tier ein, das tiefen Schlaf tanken muss: der Tiger! Doch auch jetzt ist das Mädchen, wo es im Bett liegt, nicht bereit, einzuschlafen. Auch das wird von den Eltern brav abgenickt. Soll es ruhig die ganze Nacht wach bleiben…

Allein in Gedanken versunken, fühlt sich das Mädchen in all die Tiere ein, die ihren Schlafgewohnheiten nachgehen. Besonders vorlesefreundlich ist dabei die wiederaufgenommene Chronologie, bei der die Kinder die zuvor vorgestellten Tiere wiedererkennen. Das motiviert müde Augen, noch ein Stück mitzulesen. Je mehr das Mädchen in ihrer Fantasie mit den Tieren verschmilzt, desto mehr beginnt ihr innerer Tiger nach Schlaf zu schnurren.

Lesetipp: Ein Kinderbuch, das ebenfalls mit der Erzähl-Chronologie und Tiergewohnheiten spielt, ist Kleiner Dreckspatz Aurelia (2017).

Ausgezeichnetes Buch

Zur Visualität: Bunte Häuser, diverse Größen und verspielte Muster sowohl im Hintergrund als auch im vorderen Geschehen zieren die Bilder von Pamela Zagarenski, die mit dem Caldecott Honor Medal ausgezeichnet wurde. Das Zusammenspiel verschiedener Elemente und zahlreicher Details lassen erahnen, wie viel Kreativität in der Illustratorin strotzt.

Besonders deutlich wird dieses artistische Talent bei der Visualisierung der kindlichen Fantasie: Aus dem Bett wird ein Meer für Otter. Aus der Stadt eine Unterwasserwelt und aus dem Kuscheltier ein großer Tiger. Für Kinder, die noch nicht schlafen wollen, sind solch detailreiche Illustrationen ideal, um der Entdeckungswut noch einmal Raum zu geben, um anschließend der Müdigkeit das Zepter zu übergeben.

Leseprobe gefällig? Einen Blick ins Buch bietet der Knesebeckverlag an.

Fazit zu Schlaf wie ein Tiger

Das Kinderbuch von Mary Logue mit den wunderschönen und fantasievollen Illustrationen von Pamela Zagarenski ist eine in sich harmonische, geschlossene und liebevoll erzählte Gute-Nacht-Geschichte für Kinder ab 3 Jahren. Mit der Kombination aus Alltagsnähe und Märchenwelt sowie fabelhaften Bildern stimmt die Story die Kinder auf die sensible Schlafensphase ein. Ich vergebe 10 Sterne.

Titel
Schlaf wie ein Tiger
Erscheinungsjahr 2014
Autorin/Illustratorin Mary Logue/ Pamela Zagarenski
Verlag
Knesebeck
Umfang
40 Seiten
Altersempfehlung
ab 3 Jahren
Thema
Schlafen, Tiere

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