Das Science-Fiction-Drama See You Yesterday kombiniert als womöglich erster Film die Themen Polizeigewalt und Zeitreisen. Regie führte der Newcomer Stefon Bristol, der bei BlacKkKlansman (2018) als Assistent von Spike Lee fungierte – dem Produzenten seines jetzigen Debütfilm. Auch vor der Kamera kickstarten junge Talente ihre Karriere. Eden Duncan-Smith und Dante Crichlow waren nur in Kleinrollen und Kurzfilmen zu sehen, ehe sie hier die Hauptrollen übernahmen. Allein der Rapper Astro genießt schon eine größere Bekanntheit. Und natürlich ein weiterer, gar nicht so kleiner Name im Cast. Das Ergebnis, seit dem 17. Mai 2019 auf Netflix verfügbar, wird zu recht ob seiner überbrodelnden Kreativität gelobt.
Humor & Tragik in See You Yesterday
Die Teenager*innen CJ Walker (Eden Duncan-Smith) und Sebastian Thomas (Dante Crichlow) können das Läuten der Schulglocke kaum erwarten. Dann gilt es, den Lehrer (cooler Cameo-Auftritt, der an dieser Stelle nicht verraten werden soll) abzulenken und gleichzeitig etwas aus dem Schullabor zu entwenden – etwas, das sie dringend für ihre Freizeit-Experimente brauchen. Denn CJ und Sebastian arbeiten in ihrer Garage an einer Zeitmaschine. Mithilfe von Fachlektüre (Stephen Hawkings Eine kurze Geschichte der Zeit , hier geht’s zur Buchkritik ) und einem Hauch Genialität haben sie es weit gebracht und stehen kurz vor dem Durchbruch mit ihren Versuchen – als ein schockierender Zwischenfall plötzlich zur Eile drängt.
Back to the Future trifft »Black Lives Matter«, passt das zusammen? Tatsächlich geht die Mischung aus Zeitreise-Komödie und Sozialdrama-Tragödie erstaunlich gut auf, ohne abrupt von einem ins andere umzuschlagen. Der grandiose Humor vom Auftakt wird bis in den letzten Akt von See You Yesterday beibehalten. Siehe: Die »Koffer-Szene« mit Jonathan Nieves als ziemlich witziger Sidekick Eduardo.
Kreative Kameraarbeit
Zugleich funktionieren die tragischen Szenen und der deutliche dramatische Klimax in der zweiten Hälfte, als – wie es sich für Zeitreise-Filme gehört – Kontinuums-Chaos ausbricht. Bemerkenswert ist dabei die kreative Kameraarbeit von Felipe Vara de Rey ( Nosotros ). Ihm gelingt es, den wiederholten Schauplatz der Zeitreisen in See You Yesterday (eine eigentlich eher triste Gasse) einfallsreich einzufangen und mit einfachen Effekten große Wirkung zu erzielen. Etwa, wenn die Kamera von einer Szene in die nächste »kippt« (Minute 56).
Abgesehen von Kamerabewegungen ist die Mise-en-Scène in See You Yesterday selbst ein Hingucker. Das liegt am gezielten, farbenfrohen Lichteinsatz – wenn etwa eine einfache Küchenszene (ein Geschwister-Gespräch beim Abwasch) in Rot-Gelb-Grün getaucht wird. Die Farben der Guyana-Flagge, die über der Garage hängt, in der die Hauptfiguren à la Rick and Morty ihre Wurmloch-Sprünge austüfteln. CJ trägt dabei ein »I Need My Space«-Shirt von der NASA und Einstein hängt als Poster in der Ecke – es gibt viele Details zu entdecken.
Die Angst davor, die Wut danach
Ebenso darin, wie sich die tragischen Elemente des Films See You Yesterday entfalten. Polizeigewalt gegen Schwarze wird in ihren schrecklichen Auswirkungen (der Furcht vor solchen Zwischenfällen und die Trauer und Wut, wenn es so weit kommt) ähnlich deutlich und facettenreich thematisiert wie in der Serie Dear White People .
Ich habe […] viel recherchiert und wollte zeigen, dass Polizisten, die junge Schwarze ermorden, »trigger happy« und nicht richtig ausgebildet sind. Oft sehen sie junge Schwarze als Bedrohung – und das sind sie nicht. Ich habe höfliche und professionelle Polizisten erlebt, aber wenn wir [Minderheiten] angesprochen werden, sind wir impulsgesteuert und haben große Angst. […] Die Cops müssen herausfinden, wie sie das beruhigen können.
Stefon Bristol im Interview mit Salon
Fazit zu See You Yesterday
See You Yesterday war zunächst ein Kurzfilm (siehe hier ), ehe Stefon Bristol das Budget bekam, aus der Idee einen Spielfilm zu machen. Nicht immer trägt ein Kurzfilm-Konzept diesen Schritt (siehe: Cargo ), doch See You Yesterday schafft es: Die 80 Minuten sind bis zuletzt temporeich – bis zum letzten Bild, genau genommen – und schlagen gelungen Haken zwischen Frohsinn und Verzweiflung. Wer Zeitreise-Filme mag, wird an dieser kleinen Genre-Perle Freude haben!