Der General ist eine Stummfilm-Komödie mit Marion Mack und Buster Keaton, der mit Clyde Bruckman zusammen auch Regie führte. Der Film erzählt die Geschichte einer Sabotage-Aktion während des Amerikanischen Bürgerkrieges, basierend auf wahren Begebenheiten (siehe: Andrews-Überfall ). Uraufgeführt wurde das etwa 78-minütige Werk am 31. Dezember 1926 in Tokio. Der General markierte den Höhepunkt von Keatons Ruhm – anders ausgedrückt: den Beginn seines Abstiegs – und zeigt, was für ein kleingeistiges Klientel doch Filmkritiker sein könnten (ein zu jener Zeit noch ausschließlich männlicher Berufsstand).
Johnny dampft in den Krieg
Frühling, 1861. Die Unionstruppen nahen, der Bürgerkrieg schwelt am Horizont. In Marietta (Georgia) lassen sich alle fähigen Männer als Soldaten rekrutieren. Ebenso der Lokomotivführer Johnnie Gray (Buster Keaton). Doch aus für ihn unerfindlichen Gründen wird abgelehnt verliert dadurch die Gunst seiner geliebten Annabelle Lee (Marion Mack). Sie wolle ihn erst »in Uniform!« wiedersehen. Ein Jahr später bietet sich für Johnnie die Gelegenheit, Annabelles Herz zurück zu gewinnen. Und zwar, als nordstaatliche Spione seine – ebenfalls geliebte – Lokomotive General entführen. Johnnie nimmt mit einer anderen Lokomotive die Verfolgung auf und gerät so zwischen die Fronten.
Der Film greift bereits so einige erzählerische Stilmittel auf, die später allzu bekannte Story-Bausteine wurden, im Guten wie im Schlechten. Sei es Buster Keaton als »versehentlicher Held« oder Marion Mack als »damsel in distress« (sie spielte die einzige Frauenrolle, selbstredend – eine brauchte man ja, als love interest ). Mack trägt mit ihrer Performance eindrucksvoll zur Schau, wie die Frauenkleider jener Zeit einfach nicht dazu geeignet waren, am Leben teilzunehmen, geschweige denn: an der Action. Mit Keaton in der Lokomotive fängt Mack an zu fegen, stellt sich dämlich an, bringt den Mann in Rage, wird von ihm gewürgt, später in einen Sack gestopft und verladen wie Cargo – also ja, Feminist*innen werden an Der General eher keine Freude haben.
Das Missfallen früher Filmkritiker
Aber welche Entschuldigung haben Filmkritiker? Mordaunt Hall etwa, der erste regelmäßig engagierte Vertreter dieser Profession, schrieb in der New York Times damals , Keaton habe »mehr abgebissen, als er kauen kann. […] Die Produktion selbst ist einzigartig gut montiert, aber der Spaß ist nicht gerade groß.« Und in der Los Angeles Times las man im Mai 1927 von einer »langen und langweiligen Verfolgungsjagd von Dampfmaschinen«. Der Autor Robert E. Sherwood setzte noch einen drauf: »Lang und nervtötend – das Unlustigste, was Buster Keaton je gemacht hat.«
Aus heutiger Sicht fragt man sich, wie die Ansprüche damals schon derart hoch (oder überhöht?) sein konnten – gilt Der General doch inzwischen als ein Meilenstein der Filmgeschichte. Das Werk war eine der teuersten Komödie der Stummfilm-Ära und das sieht man ihm auch an: die Lokomotive, die mit der brennenden Brücke in den Fluss stürzt, OMG! Kaum zu glauben, wie damalige Filmkritiker diese Szene sahen und dachte: laaangweilig.
Lesetipp: Christina Kimble lädt dazu ein, »über die Jungfrau in Nöten hinwegzusehen, auf die Inspiration des Films« – hier geht’s zu ihrem Beitrag über die wahre Geschichte hinter Der General (auf Englisch).
Der General – ein Meilenstein
Die ach so langweilige Verfolgungsjagd kann man auch als hochkreativ beurteilen, wie überhaupt viele Bildideen dieses Films (der Blick durch das Loch in der Tischdecke!) – und nicht zu vergessen: die Stunts. Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte, kann die Stummfilm-Komödie Der General hier schauen (heute gilt sie als ein Meisterwerk und Meilenstein jener Zeit, aber whatever):
Der Philosoph Stanley Cavell zieht Buster Keaton in Der General als Beispiel für eine skeptizistische Weltsicht heran:
Keaton leugnet weder den Abgrund, der jederzeit unsere Pläne bedrohen kann, noch die Möglichkeit, trotz dieser Gefahr auf ehrenhafte Weise zu leben – in guter, wenn auch resignierter Stimmung und mit ewiger Hoffnung. Seine Fähigkeit zu lieben scheut dieses Wissen nicht, vielmehr lebt sie im Angesicht dieses Wissens. Ist er obenauf? Er ist etwas Selteneres; er ist einer, der sich nicht unterkriegen lässt.
Stanley Cavell, in: Was wird aus den Dingen im Film? 1