Leser – Blog vom Bleiben http://www.blogvombleiben.de Kinderbücher, Kinofilme und mehr! Thu, 04 Oct 2018 10:18:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 http://www.blogvombleiben.de/wp-content/uploads/2017/03/Website-Icon-dark.png?fit=32,32 Leser – Blog vom Bleiben http://www.blogvombleiben.de 32 32 138411988 KLEINER DRECKSPATZ AURELIA über Hygiene | Kinderbuch 2017 | Kritik http://www.blogvombleiben.de/buch-kleiner-dreckspatz-aurelia-2017/ http://www.blogvombleiben.de/buch-kleiner-dreckspatz-aurelia-2017/#respond Sun, 26 Aug 2018 07:00:11 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=5150 Wie sagt man einem Kind, dass es stinkt? Auf jeden Fall nicht so. Eine Freundin und…

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Wie sagt man einem Kind, dass es stinkt? Auf jeden Fall nicht so. Eine Freundin und Grundschullehrerin von mir stand einmal vor dieser heiklen Aufgabe… Hier sind Fingerspitzengefühl, aber auch Deutlichkeit gefragt. Wie der Zufall es wollte, bin ich einen Tag später auf das Kinderbuch Kleiner Dreckspatz Aurelia gestoßen. Ein Buch, das ich Dreckspatz-Hütern wärmstens empfehlen kann.

Kinderbuch-Bloggerin Sonia Lensing mit dem Buch Kleiner Dreckspatz Aurelia

Lieber Schlamm als Schwamm

Zum Inhalt: Die kleine Aurelia findet Baden und Duschen doof. Viel lieber spielt sie draußen im Schlamm und Dreck, so wie das Abenteurer machen. Doch bei so viel Schmutz am Leib muss sich selbst Aurelias Papa die Nase zu halten. Seine Kleine muss sich mal waschen. Denn sogar Dreckspatzen machen sich sauber. Was erzählt Papa da? Aurelia wird neugierig. Wie wäscht sich denn ein Spatz, eine Katze, ein Bär oder ein Eichelhäher? Ihr Papa kennt sie alle, die speziellen Putzrituale der Tiere. Das muss sie dringend alles selbst ausprobieren… allerdings, bei all der Putzwut im Dreck flüchtet selbst Aurelia zu einem besonderen Ort.

Dorothea Flechsig – Kinderbuchautorin, Geschichtenschreiberin für KiKAninchen und Prinzessin Lillifee und auch noch Verlegerin des Glückschuh Verlags (ich bin beeindruckt!) – gelingt mit Kleiner Dreckspatz Aurelia ein rund um kindgerechtes Lesevergnügen. Das liegt zum einen sicher am Alltagsthema. Mit dem Schwerpunkt Hygiene nähert sich die Autorin der Lebenswelt der Kleinen und der Erziehungsberechtigten an.

Zur Wirkung des Buchs

Vor allem bei den Jüngsten löst das regelmäßige Putzen eher wenig Euphorie aus. Umso höher ist das Identifikationspotenzial für die kleinen Leser mit der quirligen Hauptfigur Aurelia. Denn dass sich das Mädchen viel lieber in der Natur suhlt, als mit dem Schwamm geschrubbt zu werden, können kleine Dreckspatzen gut nachvollziehen. Diese Vertrautheit zum Geschehen und zur Kinderfigur ist für die jungen Leser von besonderer Bedeutung. Zumal Kinder bis zum 7. Lebensjahr noch nicht in der Lage sind, andere Perspektiven einzunehmen und hier dementsprechend Unterstützung brauchen (sagt Piaget). Diese Unterstützung liefert Dorothea Flechsig, indem sie die Kleinen in Kleiner Dreckspatz Aurelia mit nur reduziertem Text konfrontiert und kindgemäße Bilder von Suse Bauer einsetzt, die für sich alleine stehen und auch leseschwache Kinder abholen.

Ein weiterer Kniff von Dorothea Flechsig für ein kindgemäßes Storytelling ist das Wieder-Aufgreifen von Elementen, wie der Tierreihenfolge. So tauchen die Tiere, von denen Aurelias Papa in Kleiner Dreckspatz Aurelia erzählt, in der gleichen Reihenfolge bei Aurelias animalischer Waschaktion auf. Der rote Faden hilft den Kindern, das Mini-Universum von Aurelia abzustecken und zu einem harmonischen Abschluss zu kommen.

Zur Visualität des Buchs

Huch, das Buch ist ja dreckig! So mein erster Gedanke, als ich das Hardcover zu Kleiner Dreckspatz Aurelia in den Händen halte. Dann ein näherer Blick. Ah! Wenn der Titel mit dem Coverbild inhaltlich verschmilzt, hat die Illustratorin etwas richtig gemacht. Ich bin jedenfalls auf die Schmutzflecken reingefallen. Und das obwohl Suse Bauer in diesem Werk eher minimalistisch als realistisch zeichnet.

Dieser grobe Zeichenstil entspricht dem empfohlenen Lesealter von 3 Jahren. So besinnen sich die Bilder im Grundschulstil auf das Wesentliche. Ohne mit zu vielen Details zu überfordern, sondern mit einigen zu überraschen, bleibt somit genug Raum für die eigene Fantasie. Welche putzeifrigen Tiere könnte Aurelia noch nachmachen? Hier lädt die Geschichte zur Anschlusskommunikation mit Eltern und Kindern ein.

Buchtipp: Wer auf den groben Zeichenstil steht, dem kann ich das Bilderbuch Überraschung (2014) von Mies van Hot empfehlen.

Fazit zu Kleiner Dreckspatz Aurelia

Das Buch Kleiner Dreckspatz Aurelia eignet sich hervorragend, um Kindern auf spielerische und deutliche Weise die Wichtigkeit von Hygiene zu vermitteln. Durch die ideale Kombination aus klarem Storytelling und kindlichen Illustrationen bietet das Werk Anlass, gemeinsam mit Kindern Aurelias Welt zu erkunden und sich eigene Gedanken über das Putzverhalten zu machen. Ein unterhaltsames Lesevergnügen, das ohne den pädagogischen Zeigefinger auskommt. Ich vergebe 9 Sterne.

Eckdaten im Überblick

TitelKleiner Dreckspatz Aurelia – Wasch dich doch mal
Erscheinungsjahr2017
Autor/IllustratorDorothea Flechsig (Autorin) Suse Bauer, (Illustratorin)
VerlagGlückschuh Verlag
Seiten38 Seiten
AltersempfehlungAb 3 Jahren
ThemaKörper, Tiere

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Das schwache Geschlecht: Schicksal oder Mythos? | Bio mit Beauvoir http://www.blogvombleiben.de/das-schwache-geschlecht-schicksal-oder-mythos/ http://www.blogvombleiben.de/das-schwache-geschlecht-schicksal-oder-mythos/#respond Wed, 01 Aug 2018 07:00:42 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4607 Wie viele Geschlechter gibt es? Zwei. Welche beiden? Männlein, Weiblein. Welches ist stärker? Männlein. Alles klar!…

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Wie viele Geschlechter gibt es? Zwei. Welche beiden? Männlein, Weiblein. Welches ist stärker? Männlein. Alles klar! Jetzt könnte man mit kindlicher Neugier noch weiter stochern: Warum ist das denn so? Und ist das wirklich so? Gibt es das »schwache Geschlecht«? Erwachsene Skepsis funkt dazwischen: Ob Kinder im 21. Jahrhundert diese Verunglimpfung überhaupt noch kennen, »das schwache Geschlecht«? Doch für Kinder hat der folgende Beitrag ohnehin zu wenig Bilder. Und zu viel versaute Sprache. Also bitte, liebe erwachsene Leser*innen, muntere Ein- und Mehrzeller da draußen, lasst uns über Geschlechter sprechen.

Ein Porträt von Simone de Beauvoir und die Frage: Gibt es das schwache Geschlecht?

Von Einfältigkeit und Entfaltung

Ich ziehe für die etwas plakative Frage – Gibt es das schwache Geschlecht? – ein Buch zurate, das schon ein wenig in die Jahre gekommen ist. Das andere Geschlecht (1949) von Simone de Beauvoir. Eine französische Philosophin und ihr monumentales Standardwerk über die Rolle der Frau von Anbeginn der Menschheitsgeschichte bis heute. Ja, okay, heute vor rund 70 Jahren – doch vieles von dem, was Beauvoir schreibt, hat nicht an Gültigkeit verloren.

Doch vorweg: Wer war Simone de Beauvoir? Zu dieser Frage hat ARTE einen amüsanten Film produziert – eine Art »Beauvoir kompakt«, 3 Minuten knackig kurzes Kennenlernen jener Frau, aus deren Werk hier fleißig zitiert wird:

In einem Meer vor unserer Zeit…

Wie es sich für ein Standardwerk gehört, fängt Beauvoir mit ihrer Untersuchung der Geschlechter-Verhältnisse ganz vorne an. Oh nein, nicht bei Adam und Eva – noch weiter vorne: Bei den namenlosen Einzellern, die sexlos durchs urgeschichtliche Meer wabern und lange vor Darwin denken: könnt‘ langsam mal weitergehen, die Evolution…

Ungeschlechtliche Fortpflanzung

Einzellige Lebewesen sind zur selbständigen Teilung fähig, da geht die Vermehrung ganz ohne Sex vonstatten. Diese ungeschlechtliche Fortpflanzung nennt man auch Schizogonie.

Vielzellige Lebewesen können sich ebenfalls ungeschlechtlich vermehren. Dazu gehören etwa die Süßwasserpolypen, winzige Nesseltiere, an denen Knospen wachsen, aus denen dann neue Nesseltiere entstehen.

Beobachtungen haben gezeigt, daß die ungeschlechtliche Vermehrung sich unbegrenzt fortsetzen kann, ohne daß irgendeine Form von Degeneration auftritt. 1

Mit diesem Kommentar möchte Beauvoir der naheliegenden Reaktion entgegenwirken, evolutionären Fortschritt per se mit Überlegenheit gleichzusetzen. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung »primitiver« Organismen nutzt sich nicht ab, schadet nicht den Individuen oder ist irgendwie »schlechter« als geschlechtliche Fortpflanzung. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, die Denkkategorien »besser« und »schlechter« mal für eine Weile abzuschalten. Das Leben ist erstmal nur.

Eingeschlechtliche Fortpflanzung

Unter dem Fachbegriff Parthenogenese (oder auch: Jungfernzeugung) fällt die eingeschlechtliche Fortpflanzung. Dabei gehen etwaige Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen hervor. Die Parthenogenese ist bei manchen Pflanzen zu beobachten. Ebenso bei Blattläusen (die häufig über mehrere Generationen nur Weibchen hervorbringen), sowie gewissen Schnecken, Fischen, Schlangen und Eidechsen. Bestimmte Hormone sind es, die deren Eizellen vorgaukeln, sie seien befruchtet. Darauf folgt die Teilung und ein neuer Organismus entsteht – ohne, dass andersgeschlechtliche, befruchtende (von Menschen gemeinhin als »männlich« bezeichnete) Artgenossen dazu beigetragen hätten.

Es sind immer zahlreichere, immer kühnere Experimente mit Parthenogenese durchgeführt worden, und bei vielen Arten hat das Männchen sich als vollständig unnütz erwiesen. 2

Zweigeschlechtliche Fortpflanzung

Kommen wir zum nächsten Szenario: 2 Gameten verschmelzen miteinander. Gameten sind in einem Körper diejenigen Zellen, die der geschlechtlichen Fortpflanzung dienen – auch Geschlechtszellen genannt. Es gibt Algen, bei denen diese miteinander zu einem Ei verschmelzenden Gameten äußerlich nicht voneinander zu unterscheiden sind. Das nennt man Isogamie. Es zeigt, dass Gameten (die wir später »männlich«, »weiblich« differenzieren) grundsätzlich gleichwertig sind. Das schwache Geschlecht? Bis hierher: keine Spur.

Nun sind im Laufe der Evolution aus ursprünglich identischen Zellen voneinander zu unterscheidende hervorgegangen: Eizellen (Oozyten, auch »weibliche Geschlechtszellen« genannt) und Samenzellen (Spermatozyten, oder »männliche Geschlechtszellen«).

Zwei in Eins

Doch Achtung! Hier leitet uns die Sprache bereits auf naheliegende Irrwege. Tatsache ist, dass es verschiedenartige Gameten gibt, aus deren Verschmelzung ein Ei entsteht. Diese verschiedenartigen Gameten jedoch unterschiedlichen Geschlechtern (»weiblich«, »männlich«) zuzuordnen, mutet etwas voreilig an. Beide Ausprägungen von Gameten, also sowohl Ei- als auch Samenzellen, können gemeinsam in ein- und demselben Lebewesen vorkommen. Das kennt man zum Beispiel von bestimmten Pflanzen oder auch Ringelwürmern. Wenn Individuen  mehrere Arten von Geschlechtsausprägungen haben, die verschiedenartige Gameten hervorbringen (jene Eizellen und Samenzellen), dann sprechen wir von Zwittrigkeit.

Hermaphroditismus ist ein Fachbegriff für Zwittrigkeit, die sich aus der griechischen Mythologie ableitet – genauer: Aus Ovids Metamorphosen. Darin erzählt der Dichter die Geschichte vom gemeinsamen Sohn der Liebesgöttin Aphrodite und des Götterboten Hermes, nach seinen Eltern Hermaphroditos benannt. Dieser wurde eines Tages von einer Nymphe derart fest umarmt, dass ihre Körper miteinander verschmolzen. Fortan trug Hermaphroditos seine eigenen Geschlechtsmerkmale sowie die der Nymphe – auch, wenn er schlief, wie diese großartige Skulptur zeigt (sie geht auf eine Bronzeplastik aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. zurück):

Schlafender Hermaphrodit

Statue des »Schlafenden Hermaphrodit«

Intersexuell statt »unecht«

Zwar kommt es beim Menschen vor, dass ein Körper unterschiedliche Geschlechtsmerkmale (etwa einen Penis und Brüste) offensichtlich ausprägt. Nicht jedoch, dass in einem Menschen verschiedenartige Gameten (also Ei- und Samenzellen) produziert werden. Deshalb spricht man bei Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsmerkmalen von »Pseudohermaphroditen« oder »unechten Zwittern«. »Pseudo« respektive »unecht« sind jedoch sehr wertende Begriffe, in denen eine Vorstellung von richtig und falsch mitschwingt, die nicht von der Natur, sondern von uns Menschen kommt. Wir sind es, die diese Ausprägung eines Körpers als »Störung« klassifizieren und behandeln.

Menschen, die solch unterschiedliche Geschlechtsmerkmale haben, empfinden solche Begriffe – verständlicherweise – als diskriminierend. Viele bevorzugen die Bezeichnung intersexuell. Und ja, intersexuelle Menschen können schwanger werden (siehe: Diskussion bei Quora), je nach dem, wie die jeweiligen Geschlechtsmerkmale ausprägt sind. Das ist Tatsache. Doch von der Möglichkeit zur Fortpflanzung auf einen »erfüllten Sinn« zu schließen, der eine etwaige Störung wettmacht, das ist wieder der Mensch. Die Natur ist irgendwie und wir Menschen deuten sie. Wie ein Kunstwerk. (Wobei wir bei einem Kunstwerk gerne mal hinnehmen, dass es einfach keinen Sinn macht.)

Was mit Sicherheit behauptet werden kann, ist, daß beide Fortpflanzungsmodi [Getrenntgeschlechtlichkeit und Zwittrigkeit] in der Natur nebeneinander vorkommen, daß einer wie der andere die Arterhaltung sichert und daß die Verschiedenartigkeit der gonadentragenden Organismen [Gonaden sind die Geschlechtsorgane, in denen die Ei- oder Samenzellen gebildet werden] ebenso wie die der Gameten akzidentell [also zufällig] scheint. Die Trennung der Individuen in Männchen und Weibchen stellt sich also als eine unreduzierbare und kontingente Tatsache dar. 3

Platon, Hegel und Konsorten

Mit »kontingent« meint Simone de Beauvoir »beliebig« im Sinne einer möglichen aber nicht notwendigen Trennung. Zu Beginn ihres Buchs Das andere Geschlecht (1949) führt die Autorin beeindruckend vor Augen, wie namhafte Denker diese Trennung zwischen »männlich« und »weiblich« seit jeher entweder erklärungsfrei hingenommen oder logisch zu begründen versucht haben. Dabei schlägt sie den Bogen von der griechischen Antike (Platon, Aristoteles) vor rund 2500 Jahren über das Mittelalter (Thomas von Aquin) bis in die Neuzeit (Hegel) und ihre unmittelbare Gegenwart (Merleau-Ponty, Sartre).

Auch die Ansichten über die jeweiligen Rollen der Geschlechter beleuchtet Beauvoir im Wandel der Zeit. Angefangen mit frühgeschichtlichen Mythen bis hin zur ersten Beobachtung einer Samenzelle, die in die Eizelle eines Seesterns eindringt – im Jahr 1877. Damit war die Gleichwertigkeit dieser verschiedenartigen Geschlechtszellen, die zu einem Ei verschmolzen, eigentlich bewiesen. Und doch wurde das quirlige Verhalten der Spermien und die geruhsam wartende Eizelle vielfach von altklugen Köpfen interpretiert: Als Zeichen für männliche Aktivität und weibliche Passivität. Beauvoir erlaubt sich hier noch einmal einen Verweis auf die eingeschlechtliche Fortpflanzung (Parthogenese), bei der Eizellen durch bloße Einwirkung körpereigener Hormone beginnen, neues Leben hervorzubringen.

Es hat sich gezeigt, daß bei manchen Arten die Einwirkung einer Säure oder eine mechanische Reizung ausreichen kann, um die Eifurchung und die Entwicklung des Embryos auszulösen. Vielleicht wird die Mitwirkung des Mannes an der Fortpflanzung eines Tages überflüssig: das ist anscheinend der Wunsch zahlreicher Frauen. Nichts aber berechtigt zu einer so gewagten Vorwegnahme, denn nichts berechtigt zu einer Verallgemeinerung spezifischer Lebensprozesse. 4

Von der Eizelle zum heimischen Herd

Eine Verallgemeinerung wie die vom Verhalten unserer Geschlechtszellen auf die Verhaltensnormen unserer Geschlechtsrollen, wenn man sagt: »Eizellen sind passiv, also gehören Frauen an den Herd.« Beauvoir warnt überhaupt vor der Freude an Allegorien, während sie auf die genauen biologische Vorgänge bei der Befruchtung eingeht. (Und bevor sich jemand räuspert: ja, ich weiß, ich stelle in diesem Blog selbst eine unverhohlene Vorliebe für Allegorien zur Schau…). Im Moment der Zeugung, so die Quintessenz von Beauvoirs Ausführungen jedenfalls, stellt sich keines der Geschlechter als dem jeweils anderen überlegen dar. Aber ab wann gibt es das schwache Geschlecht denn dann?

Aus befruchteten Eiern gehen beim Menschen – wie bei den meisten Tieren – in etwa gleich viele Individuen zweier verschiedenartiger Geschlechter hervor, von uns »Männchen« und »Weibchen« genannt. Für beide vollzog sich die embryonale Entwicklung identisch, bis zu einem Reifestadium, da sich Hoden oder Eierstock zu bilden begannen. Bis zur neunten Woche hat ein Embryo einen sogenannten Genitalhöcker, aus dem sich Penis oder Vagina bilden. Was beim Penis größer wächst und zur Eichel wird, rutscht bei der Vagina weiter hoch und heißt Klitoris. Quasi das gleiche Ding, etwas anders positioniert. Etwaige Zwischenformen – wie eine zu große Klitoris oder ein zu kleiner Penis, wie sie die Natur manchmal hervorbringt – werden von uns als Störungen bezeichnet und zuweilen operativ angepasst.

Die Sexualtheorie zu Zeiten Beauvoirs ging bereits davon aus, dass das Einwirken bestimmter Hormone auf den Zellhaufen Mensch dazu führt, dass dieser Zellhaufen diese oder jene Geschlechtsmerkmale bekommt. Hormonelles Ungleichgewicht hat dabei Formen der oben beschriebenen Intersexualität zur Folge. Wie genau die Gewichtung zustande kommt? Der Titel von Beauvoirs erstem Kapitel sagt es schon: Schicksal.

»Das schwache Geschlecht« bei Tier und Mensch

Die Philosophin klettert im Folgenden die evolutionäre Stufenleiter des tierischen Lebens hinauf, mit Blick auf das schwache Geschlecht. Wir passieren Stechmücken, von denen das Männchen nach der Befruchtung stirbt, und Schmetterlinge, deren Weibchen nicht einmal Flügel haben, während Männchen mit Flügeln, Fühlern und Scheren ausgestattet sind, sowie allerlei anderes Getier.

Sehr häufig legt [das Männchen] bei der Befruchtung mehr Initiative an den Tag als das Weibchen: es sucht das Weibchen auf, greift es an, betastet es, packt es und zwingt ihm die Paarung auf; […]

Auch wenn das Weibchen provozierend oder willig ist, ist es in jedem Fall das Männchen, das es nimmt: es wird genommen. Das trifft oft buchstäblich zu: entweder weil das Männchen entsprechende Organe hat oder weil es stärker ist, packt es das Weibchen und hält es fest; ebenso vollführt es aktiv die Kopulationsbewegungen. Bei vielen Insekten, bei den Vögeln und den Säugetieren dringt es in das Weibchen ein. Dadurch erscheint das Weibchen als eine vergewaltigte Interiorität. 5

Die Fortpflanzungsfunktion

Zu dieser äußerlichen Fremdherrschaft kommt eine innere Entfremdung durch das befruchtete Ei, dass sich im Uterus festsetzt und zu einem anderen Organismus heranwächst. Simone de Beauvoir beleuchtet die vorwiegend belastenden Auswirkungen von Schwanger- und Mutterschaft, von Zyklus und Wechseljahren auf den weiblichen Körper und kommt zu dem Schluss:

[…] von allen weiblichen Säugern ist die Frau am tiefsten sich selbst entfremdet, und sie lehnt diese Entfremdung am heftigsten ab; bei keinem ist die Unterwerfung des Organismus unter die Fortpflanzungsfunktion unabwendbarer, und bei keinem wird sie mit größeren Schwierigkeiten angenommen. 6

Wir werdende Wesen

Die in Beauvoirs Buch ausführlich beschriebenen Gegebenheiten des Körpers sind deshalb so wichtig, weil der Körper als »Instrument für unseren Zugriff auf die Welt« maßgeblich ist. Trotzdem lehnt Beauvoir die Vorstellung ab, dass all die Belastungen für den weiblichen Körper mit einem festgelegten Schicksal einhergingen. Das bringt uns zu unserer Ausgangsfrage:

Gibt es das schwache Geschlecht?

Diese Frage stelle sich für die Frau nicht in derselben Weise, wie für andere Weibchen irgendwelcher Tierarten, die beobachtet und einigermaßen statisch beschrieben werden könnten. Denn, so betont Beauvoir: Menschen sind stetig im Werden begriffen, niemals fertige Wesen. Beauvoir schreibt in den späten 1940er Jahren:

Die Frau ist keine feststehende Realität, sondern ein Werden, und in ihrem Werden müßte man sie dem Mann gegenüberstellen, das heißt, man müßte ihre Möglichkeiten bestimmen: was so viele Diskussionen verfälscht, ist, daß man die Frau, wenn man die Frage nach ihren Fähigkeiten stellt, auf das beschränken will, was sie gewesen ist, was sie heute ist. Tatsache ist doch, daß Fähigkeiten nur sichtbar werden, wenn sie verwirklicht worden sind. 7

Und eben, dass eine Untersuchung der Fähigkeiten niemals abgeschlossen wäre. Fähigkeiten, die beim Mensch nicht von körperlichen Gegebenheiten abhängig sind.

Die Weltreisende und Journalistin Nellie Bly, hier im Alter von etwa 26 Jahren (1890)

Beauvoir appelliert an den Kontext:

Schwäche zeigt sich als solche nur im Licht der Ziele, die der Mensch sich setzt, der Instrumente, über die er verfügt, und der Gesetze, die er sich auferlegt. […] Wo die Sitten Gewaltanwendung verbieten, kann die Muskelkraft keine Herrschaft begründen: existentielle, ökonomische und moralische Bezüge sind nötig, damit der Begriff Schwäche konkret definiert werden kann. 8

Mit Tiefgang gegen den Mythos

Diese Bezüge stellt Simone de Beauvoir her. In ihrem 900 Seiten umfassenden Werk Das andere Geschlecht nimmt sie die Kunst- und Kulturgeschichte unter die Lupe, die kindliche Entwicklung und Erziehung. Sie untersucht etablierte Argumente und Klischees und liefert damit eine Lektüre, die über Jahrzehnte Bestand hat und noch heute Antworten auf Fragen gibt, die manchmal eben nicht in einem 30-sekündigen Facebook-Video zu beantworten sind. Es sei denn, man heißt Frauke Petry. Das schwache Geschlecht? Abgenickt.

Ich habe nichts dagegen, dass Frauen weiterhin das schwache Geschlecht sind, weil wir objektiv anders sind als Männer.

Frauke Petry (Quelle)

»Das schwache Geschlecht« ist ein Mythos. Eine polemische Formel, die helfen soll, eine Autorität zu etablieren, wo es an Rechtfertigung für diese Autorität fehlt. »Objektiv anders« ist jeder Mensch von seinem Nächsten, »anders« mit »schwach« gleichzusetzen ist irgendwie absurd, für eine Partei, die sich selbst als »Alternative« (also: anders!) bezeichnet – und in dieser Absurdität schon wieder passend. Doch bevor ich mich dazu hinreißen lasse, hier auf den letzten Zeilen das Thema zu wechseln, überlasse ich die Kommentierung von Frauke »weiterhin das schwache Geschlecht« Petry dieser YouTuberin:

Das schwache Geschlecht spricht:

Ebenso lesenswert:

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ASTERIX IM LAND DER GÖTTER | Film 2014 | Kritik, Review http://www.blogvombleiben.de/film-asterix-im-land-der-goetter-2014/ http://www.blogvombleiben.de/film-asterix-im-land-der-goetter-2014/#respond Mon, 30 Jul 2018 05:00:48 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4439 »Wer Asterix-sozialisiert ist«, schreibt Christine Paxmann im aktuellen Eselsohr (Heft 7, 2018), »wird sicher noch die ersten…

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»Wer Asterix-sozialisiert ist«, schreibt Christine Paxmann im aktuellen Eselsohr (Heft 7, 2018), »wird sicher noch die ersten Ausgaben im Schrank haben.« Band 1, Asterix der Gallier, kam 1968, passend zu Paxmanns Schulstart. »Da waren die Figuren noch nicht stromlinienförmig, auch wenn das bei den beleibten Herren der gallischen Antike eh schwierig ist.« Aber, wie die Zeit vergeht: Inzwischen werden die beleibten Herren der gallischen Antike im digitalen Animationsprogramm gestaltet. Der Blog-vom-Bleiben-Gastautor Markus Hurnik hat sich den ersten computer-animierten Asterix-Film aus 2014 nochmal angesehen.

Gastbeitrag von Markus Hurnik

Hinweis: Liebe Leser*innen, dieser Beitrag enthält keine Spoiler. Aktuelle legale Streamingangebote finden sich bei JustWatch.

Asterix im Land der Götter: Topaktuell und spannend. Er garniert die weltpolitische Lage mit einer Prise Humor, zeigt einem aber auch die aktuellen Probleme und Missstände auf. Sei es Flüchtlinge, Migration, Gentrifizierung, Integration und Widerstand.

Asterix im Land der Götter, schüttelt einem Mann die Hand. | Bild: M6 STUDIO / BELVISION / M6 FILMS / SNC / LES ÉDITIONS ALBERT RENÉ / GOSCINNY-UDERZO

Erstmals in der dritten Dimension

Der Film Asterix im Land der Götter wurde bereits 2014 veröffentlicht. Er ist der erste 3D-Animationsfilm der Reihe. Viele haben vermutlich in den letzten Jahren irgendwann aufgehört zu verfolgen, wann neue Asterix-Filme veröffentlicht wurden, da die Filme mit echten Schauspieler*innen teilweise doch einigen Missmut hinterlassen haben. Sie konnten das asterix‘sche Flair nie richtig einfangen. Wer erinnert sich nicht an das Fiasko Asterix und Obelix gegen Caesar, in dem der Humor auf der Strecke blieb? Doch der neue Film der Reihe gibt einem wieder einen Grund ins Kino zu gehen bzw. die Blu-ray zu erwerben. Asterix im Land der Götter basiert auf dem 17. Comic der Reihe – der Trabantenstadt

Ansehnliche Animationen, ein schönes Farbbild und eine typische Asterix Geschichte sind zu erwarten.

Feinde ihrer selbst

Zum Inhalt: Der Film ist in Gallien angesiedelt. Caesar hegt wieder einmal Pläne, wie er das Dorf der Gallier*innen sich zu eigen machen kann. Ein kaltblütiger Plan soll her und man entscheidet sich zu dem Bau einer Trabantenstadt – dem Land der Götter (und Göttinnen). Das gallische Dorf wiederum soll dadurch in die Defensive gerückt werden und nach und nach zum unbedeutenden Vorort verkommen, welcher sich nach und nach integriert. Dabei wird die Bevölkerung des gallischen Dorfes auf eine harte Probe gestellt. Seine gesellschaftlichen Strukturen drohen zu zerfallen beziehungsweise die Dorfbewohner*innen die Feinde ihrer selbst zu werden.

Alles findet seinen Platz Asterix im Land der Götter und wird wunderbar humorvoll und amüsant in Szene gesetzt.

Das Schwein zwischen den Fronten

Dem neuen Animationsstil ist es auch zu verdanken, dass die Keilereien zwischen Römer*innen und Gallier*innen (*und eigentlich kloppen sich doch nur die Kerle) endlich wieder so sind, wie man Sie aus den alten Filmen kennt. Mal ragt eine Hand aus dem Gemenge, ein Römer fliegt über das Feld oder ein Wildschwein kommt zwischen die Fronten. Und alles wirkt schön unrealistisch und verspielt, wie es sein muss!

Man kann sagen, Asterix ist endlich im 21. Jahrhundert angekommen! Dafür ist vermutlich der zweite Regisseur Louis Clichy verantwortlich, der bereits einige Pixar-Filme prägte, wie WALL·E (2008) oder Oben (2009).

Asterix im Land der Götter auf Deutsch

Leider gibt es aber auch unschöne Aspekte. So ist die deutsche Synchronisation zum Teil etwas gewöhnungsbedürftig. Milan Peschel gefällt mir einfach nicht als Asterix. Der Charakter kommt einem teilweise so fremd vor, als würde die eigene Stimme nicht an Ihn glauben.

Der Humor kommt dagegen überhaupt nicht zu kurz. Schöne Szenen im römischen Dampfbad und auch szenische Darstellung holen sowohl das ältere Publikum, als auch den jungen Filmfan ab. Viel Witz spielt sich auch zwischen den Zeilen ab, hier muss man vermuten, dass durch die Synchronisation eventuell noch mehr verloren gegangen ist, dies bleibt aber vorerst Spekulation. Genug Ironie und dialogischen Feinschliff hat die Übersetzung auf alle Fälle mitgebracht. Passierschein A38 lässt grüßen.

Mit dem Zaubertrank auf die Couch!

Die 3D-Umsetzung kann leider nicht weiter bewertet werden. Ich durfte den Film im heimischen Heimkino genießen und war daher auf 2D angewiesen. Jedoch ist anzunehmen, dass die 3D-Umsetzung nur für Hardcore-3D-Fans absolut notwendig ist, der durchschnittliche Zuschauer dürfte mit der 2D-Variante sehr gut versorgt sein.

Holt Euch daher Euren Lieblingszaubertrank auf die Couch und fallt zurück in Eure Kindheit. Ihr werdet es nicht bereuen und viel Spaß und Freude mit Asterix im Land der Götter haben.

Und wem das alles nicht genug ist, der kann sich auf 2019 freuen. Der Regisseur Alexandre Astier arbeitet bereits an seinem neuen Asterix – The Secret of the Magic Potion, welcher 2019 in Deutschland erscheinen wird.


Zum Autor

Markus Hurnik (28), langjähriger Berliner und Vorortbewohner, den es beruflich inzwischen zunehmend in sächsische Gefilde verschlägt. Er hat in seinen frühen Jahren für die Verlagsgruppe Randomhouse Jugendbücher rezensiert. Anfang der 2000er kam er vermehrt ins Kino und wurde filmabhängig. Studiert hat Hurnik etwas vollkommen Kunstfernes, vis-à-vis der Filmstudios Babelsberg.

Stammkino: Cineplex Titania Palast, Berlin
Lieblingskinos: Programmkino Ost, Dresden Thalia, Potsdam
Lieblingsfilme (eine Auswahl): La Grande Bellezza, Metropolis, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, WALL·E, Train to Busan

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30 MUSIKVIDEOS mit berühmten Hollywood-Schauspieler*innen http://www.blogvombleiben.de/musikvideos-hollywood-schauspielerinnen/ http://www.blogvombleiben.de/musikvideos-hollywood-schauspielerinnen/#respond Thu, 26 Jul 2018 07:00:19 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4230 Musikvideos gibt’s wie Sand am Meer, eine wunderbare Kunstform, in denen sich nicht selten bemerkenswerte Ideen…

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Musikvideos gibt’s wie Sand am Meer, eine wunderbare Kunstform, in denen sich nicht selten bemerkenswerte Ideen entfalten. Oder auch nur die simple Idee, einen Hollywood-Schauspielerin zu engagieren. Bestenfalls bieten Musikvideos beides. Hier mal eine Auswahl, in denen sich die lieben Leser*innen selbst einen Überblick verschaffen können. Welche Musikvideos setzen nur auf den Starfaktor und welche bieten auch in anderer Hinsicht ganz großes Kino?

Von A wie Garfield bis Z wie Deschanel

Tom Hanks, Saoirse Ronan und Andrew Garfield, Schauspieler*innen aus Musikvideos

Zum Auftakt, ein besonders starkes Stück:

Arcade Fire – We Exist (2014) mit Andrew Garfield (Boy A). | Unter der Regie von David Wilson (auch bekannt für das Video zu Passion Pit – Take a Walk) schlüpft der Schauspieler Andrew Garfield in die Rolle einer Transgender-Frau. Anfangs steht sie daheim vorm Spiegel, rasiert sich den Schädel und zieht sich an. Dann geht es in eine Bar, wo sie erst von Typen angepöbelt wird, bis die Awesomeness passiert. Teile dieses großartigen Musikvideos wurden beim Coachella-Konzert von Arcade Fire gedreht. Sehenswert! Hier geht es zum Video.

Kontroverse: Die Transgender-Musikerin Laura Jane Grace kritisierte das Musikvideo dafür, dass es Stereotypen reflektiere – und sagt, die Hauptrolle hätte eine Transgender-Schauspielerin spielen sollen, statt ein Cisgender-Mann. Der Songwriter Win Butler (nicht verwandt oder verschwägert mit der Gender-Studies-Fachfrau Judith Butler) verteidigte die Besetzung von Andrew Garfield mit den Worten »Für ein homosexuelles Kind in Jamaika ist es, meiner Meinung nach, verdammt kraftvoll, in eben dieser Rolle den Schauspieler zu sehen, der Spiderman gespielt hat.« Später lenkte Laura Jane Grace ein, dass sie ihre Meinung zum Video geändert habe.

With great power comes great great responsibility. | Spiderman

Sing, Forrest, Sing!

Carly Rae Jepsen – I Really Like You (2015) mit Tom Hanks (Forrest Gump) | Wer hatte bei der jungen fröhlichen Singstimme von Jepsen nicht immer eigentlich Tom Hanks vor Augen? Der Mann wird älter, aber bleibt ein Kind. Kann man nur feiern. Hier geht es zum Video.

Vampire Weekend – Giving Up The Gun (2010) mit Jake Gyllenhaal (Nightcrawler), Lil‘ Jon und RZA | Ein ziemlich witziges Tennis-Match mit einem extra-breiten Mr. Gyllenhaal. Hier geht es zum Video.

The Shoes – Time to Dance (2012) mit – schon wieder! – Jake Gyllenhaal (Donnie Darko) | Eine ziemlich düstere Mordserie mit einem extra-krassen Mr. Gyllenhaal. Vorsicht, nichts für schwache Nerven! Hier geht es zum Video.

Zirkus und Tanzlust

Aerosmith – Jaded (2000) mit Mila Kunis (Die wilden Siebziger). | In der Lobby des Los Angeles Theater, diesem extravaganten Bau im französischen Rokoko-Stil, tobt ein spektakulärer Zirkus mit irren Artist*innen. In ihrer Mitte: Die abgestumpfte, ausgepowerte (engl. jaded) Frau, verkörpert von Mila Kunis. Hier geht es zum Video.

Will Smith – Miami (1998) mit Eva Mendes (Hitch). | Wenn der Prince von Bel Air ein Musikvideo gemacht hätte… dann wohl diesen tanzlustig-kultigen, preisgekrönten Clip. Mit Schauspielerin Eva Mendes in einem kleinen Auftritt vor ihrem Durchbruch. Hier geht es zum Video.

Melissa Etheridge – I Want To Come Over (1995) mit Gwyneth Paltrow (Sieben, Contagion). | Die Golden-Globe- und Oscar-Preisträgerin ist nicht nur fleißig in Kinofilmen unterwegs. Wer sie als arg deprimierte Liebeskummer-Leidende sehen mag: Hier geht es zum Video.

The Lemonheads – It’s a Shame About Ray (1992) mit Johnny Depp (Angst und Schrecken in Las Vegas). | Es geht immer noch ein bisschen älter: Anfang der 90er Jahre spielte Johnny Depp in diesem lahmen Clip einen Typen, der wütend auf ein Foto ist. Hier geht es zum Video.

Der Fremde und die Retterin

Radiohead – Creep (1993) mit Johnny Depp und Charlotte Gainsbourg (Antichrist). | So viel schöner, als sein letzter Musikvideo-Auftritt. Und eigentlich, na ja, kein richtiger Musikvideo-Auftritt. Bei der Begegnung von Johnny Depp als geheimnisvoller Fremder und Charlotte Gainsbourg im Plattenladen handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Film Happy End mit Hindernissen von Yvan Attal. Hier geht es zum Video.

Brandon Flowers – Crossfire (2010) mit Charlize Theron (Mad Max: Fury Road). | Als hostage in bondage wird der amerikanische Sänger Brandon Flowers (Frontmann von The Killers) nicht einmal, nicht zweimal, sondern DREIMAL von Schauspielerin Charlize Theron aus den Händen von Ninjas befreit. Beim vierten Mal hat sie ihn den Ninjas überlassen. Schätz ich. Hier geht es zum Video.

Vor Breaking Bad und Brangelina

Korn – Thoughtless (2002) mit Aaron Paul (Breaking Bad) | Jesse Pinkman before he was cool? Hier spielt Aaron Paul noch einen Schüler, der von seinen Mitschülern übel misshandelt wird, bis ihn alles ankotzt – oder andersherum? Hier geht es zum Video.

The Rolling Stones – Anybody Seen My Baby? (1997) mit Angelina Jolie (Wanted) | Noch lange vor Brangelina und ihrer ersten Regie-Arbeit trat Angelina Jolie in einem der Musikvideos der Rolling Stones auf. Als Stripperin lässt sie mitten in der Performance ihre Perücke fallen und haut ab. Mit langem Mantel und kurzgeschorenen Haaren wandelt sie durch das New York der späteren 90er Jahre. Hier geht es zum Video.

The Rolling Stones – Doom And Gloom (2012) mit Noomi Rapace (The Girl With The Dragon Tattoo) | Nochmal die alten Herren mit einem abgedrehten Video, in dem sich eine Hollywood-Schauspielerin halbnackt im Müll räkelt, ein Kopf und eine Atombombe explodiert, Zombies rumröcheln und, und, und, also viel zu sehen. Hier geht es zum Video.

Da kann man ruhig mal klatschen – und lachen

Fatboy Slim – Weapon Of Choice (2006) mit Christopher Walken (Catch Me If You Can) | Hat jemand gerade »alte Herren« gesagt? Der gut gealterte Hollywood-Star Christopher Walken zeigt hier mal, was ne krasse Tanzperformance ist! Zum Video.

Islands – No You Don’t (2010) mit Michael Cera (Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt) | Genau der Richtige für den Job: Badass Michael Cera in einem Musikvideo, das den irren Humor dieses Ausnahme-Schauspielers gut treffen dürfte. Hier geht es zum Video.

Foo Fighters – Learn to Fly (1999) mit Jack Black und Kyle Gass (Tenacious D) | Gewinner der Grammy Awards im Jahr 2000 – und das zu Recht. Die Parodie zu dem an sich schon herrlich-absurden Airplane! (Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug) steckt voller Ideen und für meinen simplen Geschmack sehr witziger Szenen! Hier geht es zum Video.

Musikvideos mit Harry-Potter-Stars

One Night Only – Say You Don’t Want It (2010) mit Emma Watson (Vielleicht lieber Morgen) | 2 Jahre dran herum gefeilt, 2010 endlich herausgebracht: Das zweite Album der englischen Indie-Rockband One Night Only heißt genauso wie die Band selbst. Das Video zur Single Say You Don’t Want It wurde in New York City gedreht. Es handelt sich um eine Verneigung vor Susi und Strolch. Denn nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei da eine Jungs-Clique unterwegs, die auf Emma Watson als »leichtes Mädchen« treffen. Es sieht nicht nur komisch aus, wie sich Watson und Frontsänger George Craig beschnuppern und lecken. Am Ende macht alles einen Sinn, versprochen. Hier geht es zum Video.

Ed Sheeren – Lego House (2011) mit Rupert Grint (Harry Potter) | Yes, auch Rupert Grint hat sich in einem Musikvideo die Ehre gegeben (und damit also alle von Harrys Freunden, alle beide) – Grint spielt Sheeran, bis Sheeran selbst auftaucht, sehr witziges Ding! Hier geht es zum Video.

Um die Häuser mit Ed und mit Blunt im Bett

Ed Sheeran – Galway Girl (2017) mit Saoirse Ronan (Am Strand, Lady Bird) | Eine Nacht mit Ed Sheeran im irischen Galway um die Häuser ziehen – Saoirse Ronan spielt (in aller gegebenen Coolness) den vielleicht größten Traum vieler, vieler Fanboys und -girls… und Rupert. Hier geht es zum Video.

James Blunt – Goodbye My Lover (2005) mit Mischa Barton (Hope Lost, Painkillers) | Mr. James Blunt, bekannt für seine hohe Stimme und seine spitzzüngigen Tweets, hat sich mit Schauspielerin Mischa Barton im Bett geräkelt. Sehenswert? Naaa jaaa… ach… nö. Wer trotzdem lünkern möchte: Hier geht es zum Video.

Leidenschaft in schön und schmerzhaft

Justin Timberlake – What Goes Around… Comes Around (2007) mit Scarlett Johansson (Don Jon, Her) | Vor und hinter der Kamera starbesetzt, sehr cineastisch inszeniert und geschrieben von Nick Cassavetes (Regisseur von The Notebook). Unter der Regie von Musikvideo-Ikone Samuel Bayer üben sich Justin und Scarlett als leidenschaftliches Liebespaar. Guess what? Funktioniert. Bis zum krachenden Finale. Hier geht es zum Video.

Eminem – Love The Way You Lie ft. Rihanna (2010) mit Megan Fox (Transformers, Jennifer’s Body) | Apropos leidenschaftliches Liebespaar… nein, nicht Eminem und Rihanna. Hier geht’s um Model und Schauspielerin Megan Fox und deren leidenschaftliche Liebe zu einem Arschloch. Zum Video. (Wie beknackt ist bitte die Songzeile: Told you this is my faultLook me in the eyeball !?– was ein Rapper nicht alles für seinen Reim tut, nee, nee, das ist gar nicht gut.)

Sekunden-Auftritt und Science Fiction

Ricky Martin – She Bangs (2000) mit Channing Tatum (The Hateful Eight), angeblich… | Man muss schon ziemlich genau hinschauen, in der Sekunde (ca. 01:30), in der ein Barkeeper im Hintergrund einen Cocktail-Shaker hochwirft. Nach semi-offiziellen Angaben handelt es sich bei diesem Background-Tänzer um den inzwischen berühmten, immer noch tanzenden Schauspieler Channing Tatum. Eingefleischte Fans erkennen ihn vielleicht an seinem Sixpack. Ansonsten: Ein sehr feuchter Macho-Traum, dieses Filmchen. Hier geht es zum Video.

Broken Bells – The Ghost Inside (2010) mit Christina Hendricks (Mad Men, Drive) | Science Fiction gefällig? Hatten wir bis jetzt noch nicht – bildgewaltig und ein klitzekleines bisschen trashig. Hier geht es zum Video.

…und auch wenn kein Mensch dieser Welt all die Musik aus dieser Liste mag – warum nicht ne Spotify-Playlist anlegen 🙂

U-Bahn-Liebe und der abgefuckte Alltag

Savage Garden – I Knew I Loved You (1999) mit Kirsten Dunst | Im Alter von 17 Jahren sitzt die Schauspielerin Kirsten Dunst in der New Yorker U-Bahn dem Sänger Darren Hayes (damals 27) gegenüber und wird von ihm als love interest besungen. Hier geht es zum Video.

The Offspring – She’s Got Issues (1998) mit Zooey Deschanel (New Girl, (500) Days Of Summer) | Sehr witzig, sehr weird und unglaublich 90er Jahre: Zooey Deschanel (18 Jahre alt und knallrothaarig) spielt in diesem Song eine vom Alltag abgefuckte Frau in einer Welt, die von Künstler Wayne White immer wieder ins comichafte Komische überzeichnet wird. Hier geht es zum Video. Hier geht es zum Making-of (als MTV-Episode! Oooh, so 90er!)

Musikvideos mit berühmten Regisseuren

Stone Temple Pilots – Sour Girl (1999) mit Sarah Michelle Gellar | Heute schon ein düsteres Video mit creepy Teletubby-Bunnies gesehen? Nö? Dann ab dafür! Mit der damals noch als Vampirjägerin aktiven Sarah Michelle Gellar vor der Kamera – und dem namhaften Regisseur David Slade (30 Days of Night, Hard Candy) hinter der Kamera. Hier geht es zum Video.

Paula Abdul – Forever Your Girl (1989) mit Elijah Wood (Der Herr der Ringe) | Kurz vor seinem ersten Kurzauftritt in einem Kinofilm (Zurück in die Zukunft II) spielte Elijah Wood im Alter von 8 Jahren einen melancholischen Anzugträger in diesem Musikvideo, das von Regisseur David Fincher inszeniert wurde. Hier geht es zum Video.

Und der Rest von Hollywood? Hier.

Als der kleine Elijah groß geworden war und seinen Ring weggebracht hatte, da trommelte er halb Hollywood noch für das wohl größte Star-Line-Up aller Musikvideos ever zusammen:

Beastie Boys – Make Some Noise (2011) mit Seth Rogen, Danny McBride und Elijah Wood (in den Rollen der Beastie Boys). | Bei diesem Song handelt es sich um den größten Hit der Beastie Boys seit Ch-Check It Out (2004). Bei dem Musikvideo wiederum handelt es sich um ein Sequel zu deren Musikvideo (You Gotta) Fight for Your Right (To Party!) (1986), das – mit #MeToo im Hinterkopf – nicht ganz so dolle gealtert ist. Aber, aber: Bandmitglied Adam Horovitz hat im Dezember 2017 Schlagzeilen gemacht, als er sich hinter die Vorwürfe von neun Frauen stellte, die seinen Vater – den Drehbuchautor Israel Horovitz – mit Vorwürfen von ungewollten Berührungen bis hin zu Vergewaltigung konfrontierten.

Im Musikvideo zu Make Some Noise indes gibt sich halb Hollywood in Cameos die Klinke in die Hand. Mit dabei sind unter anderem Amy Poehler, Steve BuscemiChloë Sevigny, Kirsten Dunst, David Cross und Orlando Bloom. Ebenso Will Ferrell, John C. Reilly und Jack Black (in den Rollen der älteren Beastie Boys aus der Zukunft). Klingt nach krassem Staraufgebot? Da geht noch was: Zum dem Musikvideo in Standardlänge gibt es eine Extended Edition, die unter dem Titel Fight for Your Right Revisited (Regie: Bandmitglied Adam Yauch aka MCA) veröffentlicht wurde. Darin tauchen unter anderem auch noch Susan Sarandon, Stanley Tucci und Robert Downey Jr. auf. Hier geht es zur langen Version des Videos.

Die Liebe zum Detail

YouTube-User mastersoftoday gibt noch ein bisschen Nerd-Knowledge mit einer Auswahl an Eastereggs im Video zur Hand. Details, die nur echten Fans der Beastie Boys und ihrer Musikvideos auffallen:

Der Typ in Minute 13:00 ist MCA’s Regie führendes Alter Ego Nathaniel Hornblower (der bei den MTV Video Music Awards 1994 die Bühne enterte – in genau diesem Outfit – und behauptete, er habe das Drehbuch zu StarWars verfasst), Jason Schwartzman cosplayt Van Gogh in Anlehnung an Hey Ladies (hier geht’s entsprechenden zu den Lyrics) und Orlando Bloom spielt Johnny Ryall aus dem Song Johnny Ryall (Lyrics).

Ein Jahr nach dem spektakulären Video-Release starb Adam Yauch im Alter von 47 Jahren an Krebs. Im Juni 2014 gab Bandmitglied Mike D bekannt, dass weder er noch Horovitz je wieder als Beastie Boys auftreten würden – aus Respekt vor Yauch.


Zugabe

Zuletzt, als kleines Schmankerl, Nr. 31 der Musikvideos mit berühmten Schauspieler*innen: Massive Attack, Young Fathers – Voodoo In My Blood mit Rosamund Pike (Gone Girl). Ein irres, übles Meisterwerk:

…und zu aller Letzt, Nr. 32 der Musikvideos (und Nr. 16 im Sigur Rós Mystery Film Experiment): Eine poetische Reise mit der fantastischen Schauspielerin Elle Fanning in Sigur Rós – Leaning Towards Solace feat. Dauðalogn and Varúð.

Weitere Musikvideos:

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HERR ANDERS von Eva Schatz, Stefanie Reich | Kinderbuch 2011 | Kritik http://www.blogvombleiben.de/buch-herr-anders-2011/ http://www.blogvombleiben.de/buch-herr-anders-2011/#respond Sun, 08 Jul 2018 07:00:48 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4209 Ein Kinderbuch über die Schwierigkeiten bei der Partnersuche. Ist das überhaupt kindgemäß? Was sich zunächst befremdlich…

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Ein Kinderbuch über die Schwierigkeiten bei der Partnersuche. Ist das überhaupt kindgemäß? Was sich zunächst befremdlich anhört, meistern Eva Schatz und Stefanie Reich. In ihrem Bilderbuch Herr Anders geht es vor allem ums Anderssein. 

Herr Anders sucht eine Freundin 

Bloggerin Sonia Lensing hält das Kinderbuch hoch: Herr Anders von Eva Schatz und Stefanie Reich

Wenn man sein Frühstücksbrot am liebsten mit Erdnussbutter, Marmelade, Käse und Pizzatomaten isst, dann isst man anders als das gemeine Volk. Was sich David genüsslich auf der Zunge zergehen lässt, erfreut nicht immer meine Geschmacksknospen. Allerdings bin ich mit meiner euphorischen Liebe für Bäume und meinem Hang zum Babyhumor (wo ist das Vöglein?) auch etwas eigen. Das Bilderbuch Herr Anders zeigt Klein und Groß, worauf es ankommt: Solange man gemeinsam im gleichen Schritt aus der Reihe tanzt, spielt das Anderssein keine Rolle.

Zum Inhalt: Der Protagonist der Autorin Eva Schatz, gezeichnet von Illustratorin Stefanie Reich, ist ein seltsamer Kerl. Dass er wie Spongebob mit einer Schnecke zusammenlebt, erscheint noch als normalstes. Tatsächlich erinnern mich rückblickend einige Eigenarten von Herrn Anders an den berühmten Gegenteiltag aus der Serie Spongebob Schwammkopf. So schwimmt die Hauptfigur des Bilderbuchs stets gegen den Strom, wenn sie beispielsweise bei eingetretener Müdigkeit aus dem Bett springt oder sich seine Hose über den Kopf zieht.  

Er steigt in seinen Pullover, die Hose kommt über den Kopf. Nach einer heißen Himbeersirupdusche kann der Tag beginnen!

Diese alberne, unlogische Art von Witz ist der Stoff, der mein inneres Kind erheitert. Doch auch, wenn das Buch visuell wie inhaltlich humoristisch aufgezogen ist, geht es nicht immer lustig zu. Obwohl Herr Anderes ein grundsätzlich zufriedener Mensch ist, der es sich in seinem Leben schön macht, ist sein Herz ein wenig bedrückt. Was Herrn Anders fehlt, ist eine Partnerin, eine Gleichgesinnte, mit der er sein verrücktes Glück teilen und somit vergrößern möchte. Doch alle Damen, die Herr Anders kennenlernt, verstehen ihn nicht. Zum Glück stolpert er eines Tages über Frau Anders.   

Zur Wirkung des Buches

Das Bilderbuch von Eva Schatz erschien 2011 im Tulipan Verlag, der damit wirbt, besondere Kinderbücher zu verlegen. Mit Herr Anders bestätigt sich dieser Anspruch jedenfalls. Durch seine Originalität in der Figurencharakteristik und Visualität ist das Werk schon jetzt eines meiner diesjährigen Lieblingsbücher, die ich per Zufall in der Stadtbibliothek gefunden habe.  

Ein etwas anderes Motiv in der Kinderliteratur  

Obwohl es sich um ein Kinderbuch ab 4 Jahren handelt, adressiert die Geschichte mit seinem Motiv der Partnersuche auch die Erwachsenenwelt. Das entlockt den Vorleser*innen das eine oder andere Schmunzeln. Mit seinen unglücklichen Verabredungen, der aufkeimenden Hoffnung und niederschmetternden Ablehnung, die Herrn Anders abermals widerfährt, greift die Autorin ein universelles Thema auf, das sich gegenwärtig immer mehr in der virtuellen Welt abspielt. Wieso das Sujet, einen Freund fürs Leben zu finden, also nicht auch kindgerecht aufarbeiten? Dieses Vorhaben gelingt Eva Schatz mit der Leipziger Illustratorin Stefanie Reich, die für etliche Verlage tätig ist, mit Bravour.  

Man selbst bleiben

Die fehlende Wellenlänge zu den potentiellen Herzdamen und die achterbahnmäßigen Gefühle von Herrn Anders werden kindgemäß und mit ausdrucksstarker Mimik dargestellt. Auch, wenn sich Herr Anders besonders viel Mühe für die Damen gibt, bleibt sich die Figur in ihrem Wesen treu. Ein Vorbild für die kleinen und großen Leser*innen. Die Botschaft, immer man selbst zu sein, wird den Kindern und Erwachsenen in der Person von Herrn Anders liebevoll nahegelegt. Denn dass wir uns zeitweise sogar verbiegen, nur damit wir nicht alleine sind, ist kein seltenes Phänomen unserer Gesellschaft. Umso wichtiger, dass die Kernbotschaft des Bilderbuchs so weise und spielerisch für die Kinderperspektive vermittelt wird. 

Randnotiz: Hier geht’s zur Rezension von der Buchhexe zu Herr Anders.

Mit dem dritten und zuletzt veröffentlichten Kinderbuch der Autorin Eva Schatz ist ein Werk entstanden, das sich trotz kinderlebensferner Thematik als kindgemäße Story eignet. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Skurrilität der Geschichte die Fantasie der Kinder anregt und die vielen, verspielten und witzigen Illustrationen von Stefanie Reich im Comic-Stil den Text ideal ergänzen. Die Figuren sind so liebevoll und ausdrucksstark gezeichnet, dass sie bereits auf deren markanten Charakter deuten. Durch einfache Formen und farbenfrohe Panoramabilder und ganzseitige Bilder bleibt viel zu entdecken, ohne das Kind zu überfordern.   

Dies gilt auch für den Textanteil in dem Buch, der reduziert und verständlich gehalten ist und ab und an mit Neuwortschöpfungen amüsiert. Vom Textumfang und Stil ist das Buch deshalb auch ideal für Leseanfänger. Zudem gelingt es der Autorin, trotz untypischem Thema, eine liebenswürdige und spannende Figur zu kreieren, die selbst noch so viel Kindliches in sich trägt, dass man Herrn Anders auf seiner Suche begleiten möchte und ihm die richtige, verrückte Partnerin wünscht, die ihn so liebt und annimmt wie er ist.  

Fazit zum Bilderbuch Herr Anders

Das Bilderbuch Herr Anders von Eva Schatz und Stefanie Reich ist ein unterhaltsames, etwas durchgeknalltes, fantasievolles und weises Buch. Es macht sowohl Kindern als auch Erwachsenen Spaß. Ein Wohlfühlbuch, das Mut macht, zu sich zu stehen und auch mal rigoros anders zu sein. Dafür gibt es 9 Sterne.


Weitere Kinderbuch-Kritiken:

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AM STRAND über Sex in den Sixties | Buch 2007, Film 2018 | Kritik, Vergleich http://www.blogvombleiben.de/buch-film-am-strand-vergleich/ http://www.blogvombleiben.de/buch-film-am-strand-vergleich/#respond Fri, 06 Jul 2018 06:00:34 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4153 Vor über 10 Jahren erschien die Novelle Am Strand. Im Juni 2018 nun lief der gleichnamige Film…

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Vor über 10 Jahren erschien die Novelle Am Strand. Im Juni 2018 nun lief der gleichnamige Film in den deutschen Kinos an, mit Saoirse Ronan (Abbitte, Lady Bird) und Billy Howle (Dunkirk) in den Hauptrollen. Bei dem Kinoerlebnis handelt es sich, wohlgemerkt, nicht um eine Verfilmung der Novelle – sondern der Drehbuch-Adaption davon. Das Umschreiben vom einen ins andere Format nahm der Schriftsteller Ian McEwan höchstpersönlich vor, denn: »Ich wollte nicht, dass irgendwer anders es vergeigt.« Klare Ansage. Hat’s geholfen?

Rammbock vor den Stadtmauern

Die Novelle lebt von prägnanten Sprachbildern und dem gelungenen Wahrnehmungswechsel, dem Sprung von seiner in ihre Gedankenwelt und zurück. Ein Großteil der Handlung dreht sich um eine bestimmte Szene, in der weniger gehandelt als gegrübelt und gezweifelt und gefürchtet wird. Wie setzt man so etwas als Film um? »Ich habe keine Problem damit, Änderungen einzubauen, die cineastisch interessant sind«, sagt Ian McEwan im Interview mit Andrew Collins (RadioTimes). Doch bevor wir einen Blick auf die Änderungen werfen, worum geht’s überhaupt?

Inhalt: Florence und Edward haben geheiratet. Alles lief gut soweit. Erst als die frisch Vermählten im Hotel am Chesil Beach ihre Hochzeitssuite betreten, schnürt sich ihnen je die Kehle zu… der erste Satz der Novelle beschreibt es so: Sie waren jung, gebildet und in ihrer Hochzeitsnacht beide noch unerfahren, auch lebten sie in einer Zeit, in der Gespräch über sexuelle Probleme unmöglich waren. Am Strand spielt in Südengland, 1962.

Hinweis: Liebe Leser*innen, im folgenden Text werden einige Szenen aus Buch und Film besprochen, ohne jedoch wichtige Wendungen und etwaige Geheimnisse der Figuren preiszugeben. Allein der Absatz »Gedanken zum Ende« enthält, na ja, Gedanken zum Ende, inklusive Spoiler.

Billy Howle überreicht Saoirse Ronan eine Blume, Standbild aus dem Film Am Strand

Totale: Am Strand im Zusammenhang

Historischer Kontext

Am 1. Januar 1900 trat der sogenannte Kranzgeld-Paragraph in Kraft. Er besagte, dass eine »unbescholtene Verlobte« (eine Jungfrau), wenn sie aufgrund eines Eheversprechens »die Beiwohnung gestattet« (erstmals Sex hat) im Nachhinein eine finanzielle Entschädigung für den ideellen Schaden an ihrer Person verlangen konnte, sollte der Mann das Verlöbnis nach dem Sex noch lösen. Denn mit der ersten Liebesnacht hatte die Frau als Braut an Wert verloren, für zukünftige Anwärter.

Anfang der 60er Jahre wurde »vorehelicher Sex« schon lockerer gesehen. Man hatte bereits Kondome im Gepäck und von sowas wie der »Pille« gab es selbst in der Provinz schon Gerüchte. Dass Geschlechtsverkehr kein Hexenwerk ist, vor der Ehe, das weiß auch Florence, die weibliche Hauptfigur des 1962 in England spielenden Am Strand (im Buch »kräftig gebaut«, im Film Saoirse Ronan). Doch die junge Frau will den Moment der Beiwohnung so lange wie möglich hinauszögern. Sie sitzt schon auf der Bettkante, da verrät der Roman:

Einige ihrer Freundinnen […] wären schon seit Stunden nackt im Bett und hätten die Ehe lang vor der Hochzeit lautstark und mit Freuden vollzogen. Wohlmeinend und großzügig, wie sie waren, glaubten sie, Florence habe genau dies ebenfalls längst getan. | Ian McEwan, Am Strand, S. 103 (hier geht’s zur Leseprobe)

Edward mit den Würgehängen

Doch die 22-jährige Florence ist nicht nur unerfahren. Ihre Not mit dem Sex ist anderer Natur. Im Buch wird diese Not schon früh beim Namen genannt und ausführlich beschrieben. Im Film gibt Florences Verhalten den Zuschauer*innen Rätsel auf. Edward indes mag wenig Erfahrung mit Mädchen haben. Der körperliche Akt, so an sich, seinerseits, der ist ihm wohlvertraut.

Wie die meisten jungen Männer seiner Zeit – aber auch aller anderen Zeiten, denen es an Toleranz oder sexueller Freizügigkeit mangelte – gab er sich immer wieder dem hin, was von fortschrittlicher Seite als »Selbstverwöhnung« bezeichnet worden war. Edward hatte sich gefreut, als er auf diesen Ausdruck stieß. | S. 28

Ich hab mal kurz ein Online-Wörterbuch für Jugendsprache konsultiert. Inzwischen sagt man »pellewemsen«, »nudelwürgen«, oder ganz fesch: »fappieren« (das hätte sogar der Engländer verstanden). Im Film indes erfahren wir nichts über die Masturbationsgewohnheiten unserer Hauptfiguren. Was okay ist.

Persönlicher Kontext

Wie das Leben so spielt: Sonia und ich gingen am Sonntag ins Apollo Kino in Aachen, mit einer Freundin. Letztere suchte den Film aus, Am Strand. Ich wusste nichts darüber, sah mir keinen Trailer an. Überrascht wurde ich dann von einem faszinierenden Filmpaar in einem Szenen-Arrangement, das aus jedem Winkel: Literaturverfilmuuung! schrie. Montag saß ich am Laptop und dachte: Puuuh, wie willste darüber schreiben? War tatsächlich ne Literaturverfilmung, basierend auf einer dünnen Novelle. Also klick, Novelle bestellt. Kam Dienstag an. Hab sie Mittwoch und Donnerstag gelesen. Jetzt sitze ich hier, am Freitagmorgen, und schreibe endlich über dieses Werk, das von einer völlig verkorksten Hochzeitsnacht handelt. Und morgen, am Samstag, da heiraten Sonia und ich. Die schönen kleinen Truman-Show-Momente des Lebens.

Close-up: Buch und Film im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Werks

Während das Buch damit beginnt, dass das Paar bereits am Tisch Platz nimmt und zu Abend isst, entführt uns der Film in seinen ersten Einstellungen an den Strand. Das fiktive Hotel aus dem Buch liegt direkt am Chesil Beach in Südengland, On Chesil Beach lautet der Originaltitel des literarischen und cineastischen Werks. Obwohl der Schriftsteller Ian McEwan gerade am Beginn und Ende seiner Geschichte signifikante Änderungen vorgenommen hat, bleibt er der gekonnt heraufbeschworenen Atmosphäre treu. Denn die ist ziemlich angepasst, zuweilen unangenehm. In die Stille hinein dringen die leisesten Geräusche wie Baustellenkrach.

[…] Edward und Florence waren Gefangene ihrer Zeit. Selbst unter vier Augen galten tausend unausgesprochene Regeln. Und gerade weil sie nun erwachsen waren, taten sie nichts so Kindischen wie von einem Mahl aufzustehen, das man mit viel Mühe eigens für sie angerichtet hatte. Schließlich war Abendessenszeit. | S. 26

Schon im Filmauftakt im Kino nahm ich das markante Sounddesign wahr, angefangen mit den Kieseln am Strand. Im Hotel knarzen die Dielen, klappert das Besteck… und siehe da: Schon in der literarischen Vorlage drängen sich immer wieder Geräusche in die Zeilen. Von Eichendielen, die »komisch knarrten« ist da die Rede, und Löffel, die »über Platten schaben«. Manche Details hat der Autor sorgfältig bewahrt und ins neue Format übertragen. Doch ausgerechnet die besten Bilder sind es, die sich nicht übertragen lassen. Bilder, die sich ins Hirn brennen. Bilder, in denen Bedeutungen mitschwingen, die sich später erst entschlüsseln. Florence Furcht etwa, ein »hilfloser Widerwille so heftig wie die Seekrankheit.«

Bleibender Eindruck | zur Wirkung von Buch und Film

Ein Danny Boyle (127 Hours) oder Jaco van Dormael (Mr. Nobody) hätte sich vielleicht um visuelle Entsprechungen für die Sprachbilder bemüht. Vielleicht auch (wobei es schon weniger seinem Stil entspräche) Sam Mendes, der zunächst als Regisseur im Gespräch war. Nicht jedoch der Debütant Dominic Cooke, der mit Am Strand seinen ersten Spielfilm inszeniert hat. Seine langjährige Erfahrung im Erzählen von Geschichten bezieht sich auf das Theater. Und so ist auch sein first feature film in Sachen Kamera und Schnitt, beides sehr konventionell, beinahe ein Bühnenstück. Das ist in Ordnung, etwas Eigenes, etwas Anderes. Es lohnt sich, zunächst den Film zu sehen und dann das Buch zu lesen, um diese Hochzeitsnacht noch einmal mit der Gedankenebene zu durchleben. Sie gibt den Figuren (trotz der hervorragenden Schauspieler) einen Mehrwert.

Florence spürte seine Berührung so deutlich, wie Wärme und den Druck seiner verschwitzten Hand auf ihrer Haut, daß sie sich den langen, gekrümmten Daumen im bläulichen Dämmer unter ihrem Kleid vorstellen, daß sie ihn sehen konnte, wie er da lag, geduldig wie ein Rammbock vor den Stadtmauern […]

Das Buch ist, im Übrigen, stellenweise so explizit bezüglich des Sexuellen, dass Ian McEwan Sorge, eine Verfilmung könne quasi-pornografisch geraten, nicht aus der Luft gegriffen ist. Überhaupt besteht die größte Kunst des Films Am Strand darin, dass die filmische Umsetzung der intimsten Szenen zwischen den beiden Verliebten nicht unfreiwillig komisch geraten sind.

Gedanken zum Ende

Mich persönlich hat tatsächlich die letzte Einstellung sehr gestört: Edward steht am Strand, abgewendet, Florence geht fort. Die Kamera fährt dabei den Hang hinab, immer auf die beiden Schauspieler gerichtet, zwischen denen die Distanz größer wird. Bis sie aus dem Bild ist und er allein am Strand steht. Die Kamera nun von so tief unterhalb des kiesigen Hangs zu ihm hinaufschauend, das wir vom Hintergrund nichts mehr sehen. Nur noch Himmel, Strand und der junge Mann am rechten Bildrand. Ein schönes Bild, eigentlich.

Doch auf dem Weg dorthin, auf der sanften Kamerafahrt während der bedeutsamen Trennung der beiden Protagonisten, schneidet die Kadrage, der Bildausschnitt den Schauspieler Billy Howle immer wieder am rechten Bildrand an. Vielleicht war es der Projektion im Kino geschuldet, dass das Bild dort unschön abgeschnitten schien. In einer letzten Einstellung ist so ein Detail, wem es ins Auge sticht, ein ziemlicher Abtörner. Zieht just dann raus aus der Handlung, wenn man am tiefsten drinstecken sollte.

Die Gewichtung von Szenen

Hinzu kommen die letzten Szenen des Films, der gen Ende von 1962 ins Jahr 1975 und dann ins Jahr 2007 springt. Im Gegensatz zu allen Rückblenden sind diese »Zukunftsblenden« mit Jahreszahlen versehen. Für mich, der ich nichts über Buch und Film wusste und ohne Zeitgefühl im Kino saß, ergab sich der Eindruck, jetzt folge der dritte Akt. Das konkrete Datieren der Szenen verleiht ihnen ein Gewicht, das sie schließlich nicht auf die Waage bringen. Zu kurz, zu ausschnitthaft bleiben sie. Angesichts des liebevoll gestalteten Drumherums – Make-up, Mode, Kulisse – hätte man getrost auf die Einblendung der Jahreszahlen verzichten können. Ich denke, dass hätte die Schlussszenen angemessener ins Gesamtwerk eingefügt.

Was es auch nicht gebraucht hätte, meinethalben, war das tränenreich pathetische Filmfinale. Es ist völlig anders als im Buch und wohl das, was Ian McEwan offenbar »cineastisch interessant« findet. Im Buch hingegen bleibt der Epilog extrem schlicht und viel kühler. Cooler. Florence und Edward sehen sich nach der Trennung am Strand einfach nie wieder. Eiskalt.

Randnotiz: Ein paar Wochen nach unserem Kinobesuch – im Juli 2018 – sind wir übrigens am Chesil Beach gewesen. Sonia und ich haben auf unserer Hochzeitsreise nach Cornwall einen kleinen Zwischenstopp eingelegt, um die Sonne einmal an dieser schönen Kieselbank untergehen zu sehen.

Bloggerin Sonia Lensing am Chesil Beach.

Kieselsteine am Chesil Beach

Fazit zu Am Strand

Während der Abspann lief, im Kinosaal, da war ich enttäuscht. Zu abrupt und zugleich ausschweifend erschien mir das Ende, ganz komisch. Ich hätte es mir anders oder einfach nur weggewünscht. Doch lässt man den Film sacken, enthält er viele starke Szenen, die sich im Gedächtnis wieder an die Oberfläche spielen. Nachdem ich mich nun eine Woche lang intensiv mit dem Werk beschäftigt habe, muss ich sagen:

Am Strand gewährt einen seltenen und relevanten Einblick in die Lebenswelten zweier Kinder einer anderen Zeit, von deren Sorgen und Ängsten trotzdem noch vieles in Köpfen unserer Zeit verborgen liegen mag. Ein Film der dafür sensibilisiert, dass Sex nie nur im Kontext einer mehr oder weniger sexuell freizügigen Gesellschaft lebt. Am Ende kommt es immer auf ein paar einfache Individueen und ihre ganz persönlichen Erfahrungen an.


Weitere Filmkritiken:

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MOND – EINE REISE DURCH DIE NACHT | Kinderbuch 2018 | Kritik http://www.blogvombleiben.de/buch-mond-eine-reise-durch-die-nacht-2018/ http://www.blogvombleiben.de/buch-mond-eine-reise-durch-die-nacht-2018/#respond Sun, 01 Jul 2018 06:16:24 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4120 Nachts ist die Welt anders. Schatten werden zu Tieren, Träume vernebeln die Sinne und draußen, ja,…

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Nachts ist die Welt anders. Schatten werden zu Tieren, Träume vernebeln die Sinne und draußen, ja, was geschieht dort eigentlich in den Wäldern und Wüsten im Mondschein? In ihrem neuen Bilderbuch Mond – Eine Reise durch die Nacht nimmt Britta Teckentrup Groß und Klein mit auf (der Titel verrät es) eine Reise durch die Nacht.

Die Welt unterm Mond

Länger wach bleiben, bis die Welt in Dunkelheit getaucht ist. Wo das Leben plötzlich geheimnisvoll wird. Das ist für jedes Kind aufregend. Werden die Spielzeuge wie in Toy Story lebendig? Kommt uns Peter Pan abholen? Oder das Monster? Was nachts passiert, gehört für Kinder genauso zur Faszination wie die Unterwasserwelt. Kein Wunder, dass der Kinderbuchmarkt unzählige Titel rund um die zwielichtige Tageszeit bereithält. Britta Teckentrup reiht sich mit ein und erzählt, wo der Mond die Erde in sein Licht tunkt und welche Wesen keine Schäfchen zählen möchten.

Bloggerin Sonia Kansy mit dem Kinderbuch Mond – Eine Reise durch die Nacht von Britta Teckentrup

Zum Inhalt: »Hast du je darüber nachgedacht, warum der Mond scheint in der Nacht?«, fragt die Erzähler*innenstimme und zeigt in poetischer Sprache und zauberhaften Bildern, wo und welchen Tieren der Mond seinen Schimmer schenkt. Die Reise durch die Nacht beginnt im Wald, dem Trendmotiv von 2017 und der Kindheitserinnerung der Autorin, die sich heute als Stadtkind bezeichnet.

Ich bin schon inspiriert von der Natur, aber mich zieht es nicht aufs Land. Vielleicht ist es so eine Sehnsucht von früher, da habe ich gegenüber von einem Wald gelebt. Es hat viel mit meiner Kindheit zu tun. | Britta Teckentrup im Gespräch mit Ute Wegmann (Deutschlandfunk)

Im Wald schillern uns Rentiere, Eulen und neugierige Füchse entgegen, die unter dem Mond zwischen Bäumen umherstreifen. Wir begleiten den Mond weiter auf seiner Reise um den Planeten und begegnen Skorpionen in der Wüste, Papageientauchern auf Eisschollen und etlichen Erdbewohnern, die zur späten Stunde an einem fernen Ort zum Leben erwachen. Müde vom ganzen Schauen und Staunen wird das Kind mit Mond – Eine Reise durch die Nacht zum Schluss in den Schlaf geleitet.

Zur Wirkung des Buchs

Wie bereits in ihrem letzten Bilderbuch Zusammen unter einem Himmel (2017) betreibt Teckentrup auch in Mond – Eine Reise durch die Nacht kein klassisches Storytelling. Anstelle einer Hauptfigur gibt es ein Hauptsymbol, das gleichzeitig den roten Faden spinnt. Dieses Mal ist es nicht der Himmel, sondern der Mond, ein häufiger Gast in Teckentrups Bilderbüchern. Jedoch ist der Mond als hübsche Perforation eher passiv, da er das Geschehen unter ihm lediglich beobachtet und beleuchtet. Seine Reise vollzieht sich zwar auf chronologische Weise. Beginnend mit der Mondsichel, die immer mehr an Volumen gewinnt, zum Vollmond aufblüht, im Neumond abkühlt und schließlich seine Bahnen als abnehmender Mond dreht.

Wo soll es eigentlich hingehen?

Was man in der Geschichte vermisst, ist eine konkrete Handlung, ein dramaturgischer Anker für die Kinder, der ihnen zeigt, wo das Ziel dieser Reise und der Geschichte liegt. Die Anfangsfrage an das Kind, warum der Mond in der Nacht scheint, bietet eine interaktive und vielversprechende Einleitung. Hier geht es um den Mond, warum und wie er scheint, oder? Nö. Zumindest erhalten die Leser keine Antwort auf das Warum, aber dafür auf das Wer. So schließt die Erzählung ab mit: »Jetzt weißt du, wer die ganze Welt nachts mit seinem Licht erhellt.«

Ohne eine fassbare Hauptfigur, mit der sich Kinder identifizieren können, und ohne den Bezug zum Lebensraum, könnte die emotionale Anteilnahme des Kindes an der Story zudem geringer ausfallen, als bei typischen Kinderbüchern. Was das Kind aber bei der Lesemotivation hält, ist das Spielerische, allen voran der perforierte, sich allmählich ändernde Mond.

Man nehme die Geheimzutat

Die wichtigste Zutat von Mond – Eine Reise durch die Nacht ist allerdings das Geheimnisvolle, ein bewährtes Motiv der Kinderliteratur. Dieses greift die Illustratorin auf und formt daraus einen Stoff, der zum Mitreimen und Träumen einlädt und die Kinder sanft auf die Nacht einstimmt. Mit starken Panoramabildern, entstanden durch die für Teckentrup typische Mischtechnik aus Collage und strukturiertem Papier, erschafft sie einen wahren Augenschmaus. Als Leser*in ist man aufgefordert, etwas aufmerksamer zu sein, da sich das Geschehen nicht in knalligen Farben wie bei Mies van Houts Überraschung!, sondern in dezenten, deckenden und nächtlichen Farben präsentiert. Das spiegelt sich auch im Text von Mond – Reise durch die Nacht nieder. Als Gutenachtgeschichte eine einwandfreie Empfehlung für kleine und zarte Kinder.

Fazit zu Mond – Eine Reise durch die Nacht

Mit Mond – Eine Reise durch die Nacht ist der renommierten Illustratorin Britta Teckentrup wieder einmal ein künstlerisches Bilderbuch gelungen, das sowohl für Kinder als auch für Erwachsene ein visuelles Highlight auf dem deutschen Kinderbuchmarkt ist. Ihre Illustrationen verleihen dem gereimten Text eine magische Lebendigkeit und regen die kindliche Fantasie an. Was geschieht denn nachts in Höhlen oder in den Bergen? Ein Bilderbuch, das Raum für eigene Ideen lässt und sich zum gemeinsamen Lesen mit Eltern und Pädagogen eignet. Ich vergebe 8,5 Sterne.


 

Titel Mond  eine Reise durch die Nacht
Originaltitel Moon  Night Time around the World
Erscheinungsjahr 2018
Autor/Illustrator Britta Teckentrup (Autorin, Illustratorin)
Verlag arsEdition GmbH
Seiten 32 Seiten
Altersempfehlung Ab 4 Jahre
Thema Nacht

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Culture-Clash und Tanzschul-Trash, großes Theater und knallbunte Kleider, dazu zwei bezaubernde Hauptdarsteller: das ist Strictly Ballroom. Ein Film, dem es tatsächlich gelingt, so etwas vermeintlich Lahmes wie Gesellschaftstanz ziemlich cool in Szene zu setzen.

Wenn Entlein das Tanzbein schwingt

Inhalt: Strictly Ballroom erzählt die Geschichte von Scott Hastings (Paul Mercurio), einem australischen Turniertänzer auf Erfolgskurs. Als er eines Tages seine eigenen Schritte aufs Parkett bringen will, läuft ihm die Partnerin davon. Die Führungsriege der Tanzvereinigung und seine eigene, ehrgeizige Mutter sind empört. Während Letztere händeringend nach einer neuen Partnerin für ihren Sohn sucht, bändelt dieser mit einer jungen Frau namens Fran (Tara Morice) an, dem anfangs unauffälligen Mauerblümchen…

Hinweis: Liebe Leser*innen, liest man Filmkritiken zu Strictly Ballroom, muss man sich doch wundern. Immer wieder wird betont, wie konventionell und vorhersehbar der Plot des Films sei. Und im gleichen Atemzug wird er gefeiert, nicht zuletzt eben dafür. In der Überhöhung von Klischees und dem Charme der Umsetzung liegt die besondere Güte von Strictly Ballroom, insofern enthält der folgende Text keine Spoiler. Da gibt’s nichts zu verraten, was die Zuschauer*innen nicht ohnehin erahnen würden.

Der Film ist in voller Länge online verfügbar, siehe unten.

Paul Mercurio und Tara Morice als Tanzpaar in dem Film Strictly Ballroom

Totale: Strictly Ballroom im Zusammenhang

Cineastischer Kontext

1984 pitchte die Drehbuchautorin Eleanor Bergstein einem Filmstudio erstmals die Idee, aus der später Dirty Dancing hervorgehen sollte. Ein romantischer Low-Budget-Paartanzfilm aus Amerika, der zum internationalen Hit avancieren würde. Im selben Jahr, 1984, präsentierten Studenten des National Institute of Dramatic Art in Sydney ein Bühnenstück über die Welt des Ballroom Dancing, aus dem später der Film Strictly Ballroom hervorgehen sollte. Ein romantischer Low-Budget-Paartanzfilm aus Australien, der zum internationalen Hit avancieren würde. Allerdings erst 5 Jahre nach Dirty Dancing, dem Überraschungserfolg von 1987.

Strictly Ballroom vs. Dirty Dancing

Der Gedanke, Strictly Ballroom reite auf der Erfolgswelle von Dirty Dancing oder sei gar ein Abklatsch dessen, ist also daneben. Baz Luhrmann, der schon damals in das Studenten-Stück involviert war und später die Regie für die Verfilmung von Strictly Ballroom übernahm, ging es darum, dem Skript den Naturalismus auszutreiben. Die Produzenten wollten, dass der damals erst 28-jährige Schauspielstudent mit einem professionellen Drehbuchautor zusammenarbeitete. Luhrmann aber setzte sich letztlich durch, einen theatralischen Ton beizubehalten und die ganze Turniertanz-Welt bewusst zu überzeichnen.

Vergleiche zu Dirty Dancing begrüße ich nicht. Unser Film ist eine Allegorie, eine Art Fantasie, Dirty Dancing ist es nicht. | Baz Luhrmann im Hollywood Reporter, 14.10.1992

…verglichen werden die Filme natürlich trotzdem. Dabei hat es Andrew Price (Commentarama) wohl am besten zusammengefasst, auch wenn sein Diss gegen Dirty Dancing etwas hart ausfällt:

Während Dirty Dancing durchweg ernst ist, ist Strictly Ballroom sehr augenzwinkernd. Auch die Choreographien sind überlegen. Dirty Dancing ist da typisch Hollywood. Der Film zielt darauf ab, flashy zu sein – und wenn er stellenweise auf sexy macht, ist es offensichtlich und überzogen. Das Tanzen in Strictly Ballroom hingegen zeugt von enormen technischen Skills. Es fühlt sich an, als lünkere man in die Übungsstunden echter Tänzer*innen, die im Privaten ihre Limits testen wollen. Dirty Dancing wirkt dagegen gestellt. | Hier geht es zur ausführlichen Filmkritik (auf Englisch)

Tatsächlich handelt es sich bei Hauptdarsteller Paul Mercurio nicht um einen Schauspieler, sondern einen professionellen Tänzer, der in Strictly Ballroom zum ersten Mal für einen Film vor der Kamera stand.

Persönlicher Kontext

In der 9. Klasse damals, ich muss etwa 13 Jahre alt gewesen sein, da wurden wir Schüler*innen liebevoll dazu gedrängt, die Freitagnachmittage doch mal in der Tanzschule zu verbringen. Klassischer Paartanz, Standard und Latein, erst für Anfänger, dann Kurs Nummer 2… 3 Jahre blieb ich dabei. Ein paar Turniertänze, ein paar Dramen hinter den Kulissen, ohne Bühne großes Theater, typisches Tanzschul-Gezeter. Zwischen Abendtrainings und Abschlussbällen hab ich meine Pubertät ausgelebt, mit peinlichen Spitzen.

Dirty Dancing 2 und Darf ich bitten? (beide 2004) haben wir damals mit versammelter Tanztruppe im Kino gesehen. Dirty Dancing, das Original, das stand als bester Tanzfilm aller Zeiten quasi nicht zur Diskussion. Zu der Zeit entdeckte ich auch Moulin Rouge (2001), nahm ihn begeistert in meine junge DVD-Sammlung auf und hielt mich für einen großen Filmkenner. Ach, wie klein doch diese Bubble war, in der ich damals vor mich hin blubberte. Nicht einmal das Spielfilm-Debüt des Moulin-Rouge-Regisseurs nahm ich zur Kenntnis. Obwohl es doch ein Tanzfilm über eben die Tänze war, die wir Woche um Woche lernten, Walzer, Cha Cha, Paso Doble…

Umfangreiche PDF-Broschüre zu Strictly Ballroom vom Film Institute of Ireland.

Close-up: Strictly Ballroom im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Films

Strictly Ballroom beginnt mit einem roten Vorhang. Diese Einstellung mag Namensgeber für die spätere Vermarktung dieses Films als Teil der Roter-Vorhang-Trilogie (Red Curtain Trilogy) sein, zusammen mit Baz Luhrmanns Romeo + Juliet (1996) und besagtem Moulin Rouge (2001). Als erster und am geringsten budgetierter Film dieser thematisch und stilistisch verbundenen Reihe kommt Strictly Ballroom insgesamt jedoch deutlich weniger pompös daher. Die erste Szene zeigt die Silhouetten von Tänzern im Gegenlicht, Bewegungen in Zeitlupe zum Donauwalzer von Johann Strauss.

Der Walzer geht weiter, während wir den Silhouetten aufs Parkett folgen. Als völlig überkandidelt gestylte und gekleidete Tanzpaare paradieren sie vor Jury und Publikum und tanzen los, angefeuert von begeisterten Fans – und aufgedrehten Müttern. Das Bild gefriert auf einer Einstellung eines der Tänzer. Texteinblendung: Scott Hastings, Ballroom Champion. Aus dem Off kommt seine Mutter (Pat Thomson) zu Wort. Sie reflektiert die Erfolgsgeschichte ihres Sohnes, wird prompt eingeblendet. Als nicht minder aufgetakelte Frau sitzt sie neben ihrem selig grinsenden Ehemann auf einem rosa Sofa und spricht in die Kamera. Texteinblendung: Doug and Shirley Hastings, Scott’s Eltern.

Ja, der Tanzfilm Strictly Ballroom beginnt als Mockumentary! Und der Übergang von diesem Genre in das des klassischen Tanzfilms mit konventionellem Handlungsbogen gelingt so galant, wie Scott von seinen einstudierten Schritten in frei improvisierte übergeht.

Bisschen Hintergrundwissen zum Angeben, gefällig? Hier geht’s zu 20 Dingen, die du nicht über Strictly Ballroom wusstest | von der Herald Sun (auf Englisch)

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

Baz Luhrmann, der keinen naturalistisch anmutenden Film à la Dirty Dancing machen wollte, etabliert in Strictly Ballroom einen Inszenierungsstil, der »too much« als genau richtige Dosis ans Publikum bringt. Ein Konzept, dass Luhrmann bis The Great Gatsby immer exzessiver verwirklicht hat. Seit dem ersten Film arbeitet Lurhmann eng mit seiner Ehefrau, der Szenen- und Kostümbildnerin Catherine Martin, zusammen. Die wilden Kameraflüge und opulenten Kulissen, die wir von den beiden Filmschaffenden gewohnt sind, fallen in Strictly Ballroom ob des geringen Budgets weg. Die finale Szene wurde gar während eines echten Tanzturniers gedreht, vor echten Zuschauer*innen, die in der Pause kurzerhand zum Mitmachen gegeben wurden.

Wir konnten nur zwei Takes drehen, wegen dem kleinen Zeitfenster. In einem der Takes stürzte einer der Tänzer, weshalb wir nur ein Take verwenden konnten. | John O’Connell, Choreograph von Strictly Ballroom

Barry Fife in Zeiten des Pöbelclowns

Strictly Ballroom ist insofern übrigens ziemlich up to date, als der Antagonist des Films, der konservative, schmierige Chef der Tanzvereinigung namens Barry Fife (Bill Hunter), eine geradezu erschreckende Ähnlichkeit zu Donald Trump hat. Dem pöbelnden Clown, der aktuell das Weiße Haus okkupiert.

Oh, und apropos Trump: Um spanisch sprechende Immigranten geht es auch in Strictly Ballroom. Und zwar stammt die weibliche Hauptfigur Fran (mitreißend gespielt von Tara Morice) von spanischen Einwanderern ab. Dieser familiäre Background führt den Film zu seinen vielleicht schönen Szenen, die sich nicht im Rampenlicht, sondern im Hinterhof abspielen. Dort, wo sich Generationen und Kulturen begegnen – und Paso Doble tanzen.

Fazit zu Strictly Ballroom

Witzige Sache zu Strictly Ballroom: Man sieht jede Wendung kommen und muss doch lachen. | Peter Travers für Rolling Stone, 12.02.1993

Es hätte eine weitere, abgelutschte 08/15-Neuauflage vom hässlichen Entlein werden können. Doch mit starken Dialogen, charmanten Schauspieler*innen und einer ordentlichen Portion Humor, gut über den Film verteilt, gelingt Strictly Ballroom ein bemerkenswerter Film nach bekanntem Muster. Wer Dirty Dancing liebt, wird Strictly Ballroom mindestens sehr mögen – und vielleicht ernsthafte Schwierigkeiten im Ranking der persönlichen Lieblingsfilme kriegen. Für mich schubst Strictly Ballroom den Kultfilm mit Jennifer Grey tatsächlich vom Thron. Da kann Baby noch so viele Melonen heranschleppen…

Hier nun Strictly Ballroom (im englischen Original), viel Vergnügen!

Weitere Filmkritiken:

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FEMALE TROUBLE mit Divine | Film 1974 | Kritik, Review http://www.blogvombleiben.de/film-female-trouble-1974/ http://www.blogvombleiben.de/film-female-trouble-1974/#respond Thu, 28 Jun 2018 07:00:24 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3972 »Für CHARLES WATSON«  lautet die Widmung im Vorspann des Films Female Trouble. Dazu das Bild von…

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»Für CHARLES WATSON«  lautet die Widmung im Vorspann des Films Female Trouble. Dazu das Bild von einem bunten Holz-Hubschrauber mit der Aufschrift »game is blame«. Dieses Kinderspielzeug wurde von besagtem Watson selbst gebaut, während seiner Zeit im Bau. Dort sitzt er heute immer noch ein, im völlig überbelegten Mule Creek State Prison in Kalifornien – für seine Beteiligung an den grausamen Taten der Manson Familie. Was muss das für ein Film sein, der einem mehrfachen Mörder im Gefängnis gewidmet ist?

Den Fuß in die Wunde halten

Ein irrer Film. Verbrochen hat ihn der berüchtigte John Waters, Ikone des Untergrund-Kinos. Diesen Ruf verdankt er seinem Durchbruch mit Pink Flamingos (1972), aber eben auch Female Trouble. Wer John Waters über die muntere Mainstream-Komödie Hairspray (1988) kennengelernt hat, mag es kaum glauben: Dieser Typ hat insbesondere in den 70er Jahren einige Meilensteine des schlechten Geschmacks gedreht, die bei vielen Menschen den Magen umdreht. Allein, dass diese Meilensteine die meisten Menschen ohnehin nicht erreichen – man muss schon gezielt nach diesen Filmen suchen. Im Internet ist das nicht schwer, dort tummeln sich John Waters‘ Werke dicht unter der Oberfläche. Denn wie bei allen extremen Auswüchsen des Kinos gibt es auch genug Menschen, die diese als Kultfilme feiern.

Harris Glenn Milstead alias Divine in dem Film Female Trouble

Inhalt: Female Trouble handelt von dem Teenager-Mädchen Dawn Davenport (Divine). In der Schule und daheim macht sie Probleme. Zu Weihnachten zerstreitet sie sich so sehr mit ihren Eltern, dass Dawn von zu Hause weg will. Ein Verbrechen, dass ihr daraufhin beim Trampen widerfährt, wird den Verlauf ihres Lebens bestimmen. Dawn gerät auf die schiefe Bahn und macht eine Karriere als Kriminelle.

Hinweis: Liebe Leser*innen, dieser Text enthält Spoiler. Es werden einige Einzelheiten zum Handlungsverlauf sowie das Ende besprochen. Wer zunächst den Film sehen möchte, findet diesen ganz unten verlinkt. Doch Achtung, Female Trouble ist eine trashige Tabu-Orgie und Perversionen-Parade, die Gewalt verherrlicht. Wird den wenigsten Menschen ehrlichen Herzens gefallen. Hoffe ich, irgendwie.

Totale: Female Trouble im Zusammenhang

Historischer Kontext

Female Trouble ist der zweite Teil einer losen Trilogie, die Regisseur John Waters selbst als »Trash Trilogy« bezeichnet. Dazu zählen des Weiteren Pink Flamingos (1972) und Desperate Living (1977). Ersterer ist Waters‘ berühmtester, explizitester und extremster Spielfilm, dessen finale Szene wohl nur von Hundeschiss-Fetischisten mit Genuss gesehen werden kann. Letzterer ist Waters‘ einziger Spielfilm ohne Ausnahme-Schauspieler und Drag-Queen Divine vor dessen Tod im Jahr 1988 und auch sein erster Film ohne David Lochary, der wenige Wochen nach der Veröffentlichung von Desperate Living unter bis heute ungeklärten Umständen starb. Im Drogenrausch versehentlich verblutet, ist eine gängige Vermutung.

In Female Trouble stehen Divine und David Lochary noch in tragenden Rollen vor der Kamera. Divine spielt die Hauptfigur Dawn Davenport sowie (als Doppelrolle) den Mann, der dieses Mädchen am Straßenrand vergewaltigt. David Lochary spielt den Inhaber eines Schönheitssalons, der Dawn gemeinsam mit seiner Frau später zu übelsten Verbrechen anstiftet, um diese in Bildern festzuhalten.

»Crime is beauty«, so die Idee.

Schuldbekenntnis eines Spaßmachers

John Waters selbst nennt Female Trouble »ein fiktives Biopic über eine Frau, die einer Gehirnwäsche unterzogen wird und daran glaubt, dass Verbrechen gleich Schönheit sei.« Hinsichtlich der Widmung im Vorspann, an den Mörder Charles Watson, schreibt Waters später in einem Text über Leslie Van Houten, ebenfalls Mitglied der Manson-Familie und verurteilte Mörderin, die John Watson als »wirklich gute Freundin« bezeichnet:

Ich bin auch schuldig. Schuldig, die Manson-Morde auf eine spaßige Klugscheißer-Weise in meine früheren Filme eingebaut zu haben. Ohne die geringste Empathie für die Familien der Opfer oder die Leben der gehirngewaschenen Manson-Killer-Kids, die ebenso Opfer waren, in diesem traurigen und schrecklichen Fall.

Inspiriert von Mordtaten, aber frei von Empathie für die Opfer. Das ist Female Trouble. Genug, um den Film als verachtenswertes Projekt unreflektierter Gewalt-Enthusiasten abzutun. Mir selbst indes ist dieser Streifen in einem ganz anderen Zusammenhang begegnet.

Persönlicher Kontext

Für mein Studium der Philosophie darf ich mich aktuell mit Judith Butlers Das Unbehagen der Geschlechter / Gender Trouble (1990) beschäftigen. Bis dato kann ich nicht viel mehr dazu sagen, als dass es kompliziert geschrieben ist. 1998 bekam Butler einmal den Ersten Preis in einer Bad Writing Competition. Mal abgesehen davon, dass solch Negativpreise schlicht gemein sind und mehr über das Wesen der Verleiher*innen solcher Trophäen aussagen, als irgendetwas anderes, hat Butler mit einem Kommentar in The New York Times schlagfertig darauf reagiert:

Wenn das Alltagsdenken [die Umgangssprache] manchmal einen bestimmten gesellschaftlichen Status Quo konserviert, und dieser Status Quo manchmal ungerechte soziale Verhältnisse als natürlich behandelt, dann macht es Sinn, in solchen Fällen das Alltagsdenken [und damit die Umgangssprache] herauszufordern. Eine Sprache, die diese Herausforderung annimmt, kann helfen, den Weg zu einer sozial gerechteren Welt zu weisen.

Ich spiele den Mann

Die ungerechten sozialen Verhältnisse, um die es Judith Butler geht, sind in Das Unbehagen der Geschlechter inbesondere die zwischen Frauen und Männern. Die Philosophin beschäftigt sich mit der Frage, ob es beim Frau-sein und Mann-sein nicht weniger um natürliche Unterschiede geht, als vielmehr um unterschiedliche Rollenbilder, die wir performen?

In diesem Zusammenhang kommt Butler im Vorwort zu Das Unbehagen der Geschlechter auf den Female Trouble zu sprechen, dessen Hauptdarsteller*in, jene berühmte Drag-Queen Divine auch als Heldin Hairspray (1988) auftritt. Divine wurde 1945 als Harris Glenn Milstead geboren, ein Junge, der schon früh Gefallen daran fand, in Frauenrollen zu schlüpfen – so auch in den Filmen seines Jugendfreundes John Waters.

Divine rüttelt an unseren Schubladen

Divines Darstellung von Frauen weist implizit darauf hin, daß die Geschlechtsidentität eine Art ständiger Nachahmung ist, die als das Reale gilt. Sein/Ihr Auftritt destabilisiert gerade die Unterscheidungen zwischen natürlich und künstlich, Tiefe und Oberfläche, Innen und Außen, durch die der Diskurs über die Geschlechtsidentitäten fast immer funktioniert.

Judith Butler wirft Fragen auf:

Ist die Travestie (also die Darstellung einer Bühne- oder Filmrolle durch Personen des anderen Geschlechts) eine Imitation der Geschlechtsidentität (also der inneren Gewissheit, einem bestimmten Geschlecht anzugehören)? Oder bringt sie die charakteristischen Gesten auf die Bühne, durch die die Geschlechtsidentität selbst gestiftet wird? Ist »weiblich sein« eine »natürliche Tatsache« oder eine kulturelle Performanz?

Antworten auf diese Fragen sucht man statt in Waters‘ Werk wohl lieber in Butlers Buch, dessen Originaltitel Gender Trouble, so legen es Judith Butler Ausführungen nahe, aber immerhin an den Film Female Trouble angelehnt ist.

Close-up: Female Trouble im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Films

Hey, spar dir deine Moral.
Schau, jede*r stirbt einmal.
Das, was ich gerne mag,
sind Mord und Totschlag.

Das ist eine Strophe aus dem Song Female Trouble. Gesungen von Divine, geschrieben von John Waters, begleitet dieses Lied den Vorspann des gleichnamigen Films und nimmt ein wenig seiner Haltung und Handlung vorweg.

Der Film beginnt mit einem Text-Insert: »Dawn Davenport *Youth* 1960«. In verspielter blaue Schrift auf violettem Hintergrund schließt sich diese Einblendung nahtlos an den schrillen Vorspann an. Immer wieder wird es solche Text-Inserts geben, die den Film in Kapitel unterteilen, nach den Lebensabschnitten der rastlosen Heldin.

Die erste Szene auf einem Schulkorridor führt Dawn Davenport als Schülerin ein, die ob ihres Haar- und Körpervolumen ins Auge sticht. Sie spricht mit einer Mitschülerin über das Weihnachtsgeschenk, das sie sich von ihren Eltern erhofft: irgendwelche hochhackigen Schuhe namens Cha Cha Heels. Dass sie diese später nicht bekommt, ist das Auslösende Ereignis der Films, das die Handlung ins Rollen bringt.

Hier ist dieser selige Moment bei der Bescherung, als Dawn Davenport nicht kriegt, was sie sich wünscht:

via GIPHY

Wer diesen Auftakt für schräg hält: Es ist das normalste Weihnachten der Welt, im Vergleich zu den folgenden Abenteuern der streit- und geltungssüchtigen Heldin.

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

In einer Szene sagt Tante Ida (gespielt von Edith Massey, die später im Film minus einer abgehackten Hand im Vogelkäfig landet und dort als Haustier gehalten wird) zu ihrem Sohn Gater, von dem sie sich so sehr wünscht, dass er schwul wäre:

Ich mache mir Sorgen, dass du in einem Büro arbeiten und Kinder haben und Hochzeitsjahrestage feiern wirst. Die Welt der Heterosexuellen ist ein krankes und langweiliges Leben.

Krank ja, langweilig nein, so würde ich den weiteren Verlauf des Films in aller Kürze kommentieren. Völlig entkoppelt von etwaiger sexueller Orientierung, die vor der Kamera ausgelebt wird.

Fazit zu Female Trouble

Aus der Sicht eines (im Vergleich zu John Waters, seiner Entourage und seinen Protagonisten) ziemlichen Otto-Normalos sage ich mal: Man muss diesen Film nicht gesehen haben, fällt nicht in den Kanon von Filmen für lockere Tischgespräche zwischen gelegentlichen Kinogänger*innen. Und man sollte bei diesem Film auch nicht unbedingt etwas essen (mein Fehler). Aber tut man sich Female Trouble trotzdem an, gewährt das Werk einen Blick in eine Parallelwelt, in der all unsere gesellschaftlichen Ideale auf den Kopf gestellt werden. Was ist schön, was ist richtig, falsch, anständig, abartig? Da diese gesellschaftlichen Ideale aber ohnehin nur der hauchdünne Vorhang auf einer Bühne voller verlogener Irrer ist, mag der schonungslose Schandtaten-Schaukasten Female Trouble gar sowas wie ein Kino der Katharsis sein. So weh es auch tut, dieser Film ist vermutlich näher dran am wirklichen Wesen der Menschen, als so bezaubernde Werke wie La La Land (2014) oder Tatsächlich… Liebe (2003).

Genug der Worte, hier gibt es den Film zu sehen: Female Trouble, 97 Minuten, viel Spaß!

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ZUSAMMEN UNTER EINEM HIMMEL | Kinderbuch 2017 | Kritik http://www.blogvombleiben.de/buch-zusammen-unter-einem-himmel-2017/ http://www.blogvombleiben.de/buch-zusammen-unter-einem-himmel-2017/#respond Sun, 24 Jun 2018 17:34:08 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3434 2017 war das Kinderliteraturjahr, indem der Wald als Trendthema boomte. So liest es sich in der…

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2017 war das Kinderliteraturjahr, indem der Wald als Trendthema boomte. So liest es sich in der aktuellen Ausgabe vom Eselsohr (der Fachzeitschrift für Kinder- und Jugendmedien, Heft 5, 2018). Obwohl der Wald auch im 2017-Bilderbuch Zusammen unter einem Himmel ein wiederkehrendes Motiv ist, nimmt die Illustratorin und Autorin Britta Teckentrup auf etwas Größeres Bezug. Diese Welt, auf der wir leben.

Wald, Welt, Wir

Stille Geschichte mit starker Botschaft

Zum Inhalt: Zugegeben, eine klassische Geschichte mit Drei-Akte-Struktur wird man in diesem Bilderbuch vergeblich suchen. Es gibt keine Hauptfigur, keinen Konflikt, kein Ziel, außer als Leser*in zu wissen, was sich hinter dem nächsten Bild, hinter der Perforation verbirgt. Wie ein warmes Flüstern, das unter die Haut geht, erzählt das Werk von der inneren Verbundenheit, die uns Lebewesen allesamt vereint. Denn ganz gleich, welches Aussehen, welche Herkunft uns auszeichnet, welcher Tierart wir angehören. Unter dem einen Himmel, da sind wir alle gleich.

Bloggerin Sonia Kansy mit dem Kinderbuch Zusammen unter einem Himmel

Politisch und poetisch

Es ist eine Königsklasse des literarischen Einstiegs, wenn die ersten Zeilen auf dem Schmutztitel bereits eine Grundstimmung hervorrufen. Britta Teckentrup beherrscht diesen meisterlichen Auftakt. »Für eine vereinte Welt« schreibt sie und lädt das Werk mit einer gesellschaftlichen Botschaft auf. Hier werden zu Beginn nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene und Eltern angesprochen. Denn wie das poetische Buch zeigt, macht das Groß- oder Klein-sein keinen Unterschied vor der Verantwortung, die jede*r für unsere Welt trägt. Mir fällt direkt eine Schar Politiker ein, denen ich das Buch gerne auf den Nachttisch legen würde.

Ein erwachsenes Kinderbuch

Mit dem Thema der Brüderlichkeit und Toleranz greift die Britta Teckentrup ein Thema auf, das in erster Linie gesellschaftlich relevant ist. In zweiter Linie sensibilisiert es aber auch die Kinder für Respekt untereinander. Neben dem sozialen Bildungsaspekt ist jedoch das Identifikationspotenzial für das Kind nicht so sehr ausgeprägt, wie es in anderen erzählenden Bilderbüchern der Fall ist (zum Beispiel in Hat das Nilpferd Streifen? aus dem Jahr 2006). Die fehlende Haupt- und Identifikationsfigur erschwert den Kindern zunächst den emotionalen Zugang zum Buch. Was dem jedoch entgegenwirkt, sind die Tätigkeiten der Tiere. So etwa das Singen, Spielen, Fürchten, Lieben und Träumen. Dinge, die ebenfalls Teil der kindlichen Lebenswelt sind. Und allein durch die formwandelnden Perforationen, die dem Buch eine Art roten Pfaden verleihen, wird die Neugier des Kindes auf die nächsten Seiten geweckt.

Zwischen Illusionen und Illustrationen

Was das Bilderbuch zum echten Hingucker macht, ist zum Einen die hochwertige Aufmachung durch die Perforationen. Insbesondere auf dem Cover und dem matten Papier, das angenehm in der Hand liegt, kommt die Aufmachung großartig zur Geltung. Zum Anderen und zum Wichtigen erhält das Werk Zusammen unter einem Himmel seinen Zauber durch die Zeichnungen von Britta Teckentrup. Mit deckenden und sanften Farben und Übergängen aus Aquarell und Buntstift und eher groben Zeichnungen wirken ihre Illustrationen wie Traumbilder, etwas verwischt, sanft und tiefgründig.

Allein aufgrund des visuellen Ausdrucks und der wenigen, aber großen Worte berührt das Buch den Leser auf einer höheren Ebene und bleibt im Gedächtnis. Für die Kinder gibt einiges zu entdecken. So etwa die vielen Häschen im Wald, die sich nur dezent von dem Hintergrund abgrenzen und mit dem Leser Verstecken spielen.

Fazit zu Zusammen unter einem Himmel

Das Bilderbuch Zusammen unter einem Himmel ist eine Überraschung unter den Wald-Kinderbüchern von 2017. Still, aber mit einer elementaren Botschaft zeigt Britta Tuckentrup, dass alle Lebewesen auf der Erde im Kern gleich sind. Und dass wir alle zusammen die gleichen Träume haben. Ein einfühlsames, kluges Bilderbuch, das auch Erwachsenen ans Herz gelegt werden sollte. Für Kinder könnte man mit einem Joker-Buch in der Hinterhand aufwarten. Nur für den Fall, dass dieses eine kurze Lesevergnügen zum Müde-werden vorm Schlafen-gehen nicht ausreicht. Ich vergebe 8 von 10 Sterne.


Titel Zusammen unter einem Himmel
Erscheinungsjahr 2017
Autor/Illustrator Britta Teckentrup (Autorin, Illustratorin)
Verlag arsEdition GmbH
Seiten 32 Seiten
Altersempfehlung Ab 4 Jahre
Thema Toleranz, Gesellschaft

 

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