Filme – Blog vom Bleiben http://www.blogvombleiben.de Kinderbücher, Kinofilme und mehr! Thu, 04 Oct 2018 10:18:48 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.9.8 http://www.blogvombleiben.de/wp-content/uploads/2017/03/Website-Icon-dark.png?fit=32,32 Filme – Blog vom Bleiben http://www.blogvombleiben.de 32 32 138411988 FINDET NEMO, FINDET DORIE, findet den Fehler | Filme 2003, 2016 http://www.blogvombleiben.de/film-findet-nemo-findet-dorie-2003-2016/ http://www.blogvombleiben.de/film-findet-nemo-findet-dorie-2003-2016/#respond Fri, 10 Aug 2018 07:00:42 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4854 »Du hattest mich bei Fisch«, so reagierte Pixar’s Chief Creative Officer gegenüber Andrew Stanton, nachdem dieser…

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»Du hattest mich bei Fisch«, so reagierte Pixar’s Chief Creative Officer gegenüber Andrew Stanton, nachdem dieser ihm lang und breit sein Herzensprojekt gepitcht hatte: Der Fisch-Film, aus dem später Findet Nemo (2003) werden würde. Als sich Stanton sein Werk mit 7 Jahren Abstand noch einmal ansah, da machte er sich Sorgen um Dorie: Sie weiß ja immer noch nicht, wo sie herkommt! »Sie könnte Marlin und Nemo schon am nächsten Tag vergessen, während sie herumstreunt, und wäre wieder am Ausgangspunkt – das gefiel mir nicht.« So kam es, dass der Schöpfer von Dorie ihr schließlich einen eigenen Film schuf: Findet Dori (2016).

Vorweg: Hier werden die Filme Findet Nemo und Findet Dori als Animationsfilme aus der Erwachsenen-Perspektive besprochen. In ihrem Dasein als Kinderfilme wird Sonia die beiden Pixar-Abenteuer in Zukunft nochmal näher unter die Lupe nehmen.

Marlin und Dorie in Findet Nemo

Im Meer der Möglichkeiten

Inhalt: Im ersten Film geht es darum, wie ein Familienvater erst zum Witwer wird und dann seinen Sohn verliert. Das Kind wird von einem unbekannten Mann gekidnappt und verschleppt, während sich der Vater auf der Suche nach ihm mit einer vergesslichen Freundin verirrt und in allerlei Gefahren begibt. Im zweiten Film erinnert sich diese vergessliche Freundin daran, dass sie ja auch eine Familie hat, von der sie als Kind getrennt wurde. Später findet sie heraus, dass ihre Eltern seither gefangen gehalten und zur Schau gestellt werden. Klingt gar nicht nach Kinderfilmen? ABER ES SIND DOCH NUR FISCHE! Na schau, dann ist alles nur noch halb so grausam…

Hinweis: Dieser Text enthält keine Spoiler. Bei JustWatch finden sich aktuelle Streaming-Möglichkeiten zu Findet Nemo und Findet Dorie.

Totale: Nemo & Dorie im Zusammenhang

Cineastischer Kontext

Es war nach Der Herr der Ringe III – Die Rückkehr des Königs der erfolgreichste Film des Jahres 2003. Und obwohl Pixar bereits eigene und sehr gute Erfahrungen mit Sequels hatte (Toy Story 2 wurde 1999 trotz turbulenter Produktionsphase von Publikum und Kritik gefeiert), dauerte es satte 13 Jahre (!) ehe Findet Nemo mit Findet Dorie eine Fortsetzung bekam. Regisseur Andrew Stanton gestand seine große Nervosität vor einem solchen Sequel mit all den Erwartungen, die Fans des Originals daran hätten – doch er und sein Team taten, was Dorie tun würde: Sich optimistisch ins Risiko stürzen! Und vergessen, dass es sich um ein Sequel handelt.

Was würde Dorie tun?

Um eine Chance zu haben, eine anständige Fortsetzung zu drehen, muss man vergessen, dass es eine Fortsetzung ist – und versuchen, den Film so eigenständig wie möglich zu machen. Als hätte es keinen Film davor gegeben. 

Andrew Stanton

Persönlicher Kontext

Als Findet Nemo ins Kino kam, war ich 14 Jahre alt – und ich habe diesen Film vielleicht etwas öfter gesehen, als es für 14-Jährige cool ist. Ich hatte sogar eine Findet-Nemo-DVD mit virtuellem Aquarium im Bonusmaterial. Und das hab ich benutzt. Stundenlang blubberten die animierten Fische über meinen alten Computer-Monitor, der auch die Ausmaße eines Aquariums hatte – die Illusion war perfekt (man muss dazu sagen, das ich ein Fisch-Nerd war, mit über einem Dutzend echter Aquarien in der Garage).

Als Findet Dorie dann ins Kino kam, da war ich natürlich schon viel zu alt für solche Filme. Also nahm ich die einmalige Chance wahr, 4 Kinder von befreundeten Familie sozusagen als »erwachsene Begleitung« mit ins Kino zu nehmen (wie gesagt: einmal, alle 4 Kids auf einmal – ich war nicht 4 Mal im Kino… das wäre ja total verrückt…) | Kurz die eigene statistische Erhebung: Die LKW-Szene in Findet Dorie kam bei den Kindern, gemessen an der Lach-Lautstärke, definitiv am besten an.

Schnuppe ob geschuppt oder gefiedert

Zu der Zeit hatte ich die Aquaristik als Hobby längst aufgegeben und der Fisch-Nerd war dem Film-Nerd gewichen. Aber so ein Herz für diese schuppigen, flossigen, quirligen Tiere, das hört wohl nie wirklich auf zu schlagen. 

Vögel sind im Übrigen auch echt in Ordnung. An dem Pixar-Kurzfilm Piper (2016), der als Vorfilm zu Findet Dorie im Kino gezeigt wurde, hatte ich jedenfalls meine Freude. Hier ein kleiner Einblick in dieser beeindruckend detailliert animierte Werk:

Close-up: Nemo & Dorie im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt der Filme

Findet Nemo beginnt mit einem Prolog, der die »Nachbarschaft« und Lage des neuen Zuhauses am äußeren Rand des Korallenriffs behandelt. Die anfängliche Harmonie wird, ziemlich abrupt, von einem Barracuda unterbrochen. Dieser Zwischenfall hat zur Folge, dass der kleine Clownfisch Nemo ohne Mutter und 399 Geschwister aufwächst. Dafür mit einem umso besorgteren Vater namens Marlin.

Die Auftaktszene nach dem Prolog zeigt die beiden an Nemos erstem Schultag. Der kleine Fisch hat, vermutlich aufgrund der Barracuda-Attacke von damals, eine unterentwickelte Brustflosse – seine »Glücksflosse«, wie Vater Marlin sie nennt. Nemo schwirrt so aufgedreht umher, als würde er durch Kaffee statt Salzwasser schwimmen – und sein Vater ist sehr bedrückt darüber, sein einziges Kind gehen lassen zu müssen. Nemo könne mit dem Schuleinsteig doch noch warten, meint Marlin, »so 5 bis 6 Jahre…«

Glücksflosse und Siebgedächtnis

Findet Dorie hat eine ähnliche Ausgangssituation: Ohne düsteren Prolog geht’s direkt zur kleinen Dorie. Ein Palettendoktorfischchen, das quasi nur aus Augen besteht. Riesigen, putzigen Kulleraugen. Dahinter ist nicht mehr viel Platz für ein vollausgereiftes Gedächtnis, so scheint es. Denn Dorie leidet, zur großen Sorge ihrer Eltern, an Amnesie. Sie vergisst sehr vieles sehr schnell. Und so wie Nemo im ersten Film seinem Vater entrissen wird, kommt Dorie ihren Eltern abhanden. Die Fischkinder müssen, mit Glücksflosse und Siebgedächtnis, ohne ihre Familien klarkommen.

Filmfehler gefunden? Wäre Findet Nemo wissenschaftlich korrekt, hätte es ein ziemlich kurzer Film werden können. Erstmal leben Clownfische nicht in monogamen Beziehungen, wie sie im Film zwischen Marlin und Coral (Nemos Mutter) gezeigt wird, sondern in Polyandrie: ein Weibchen, mehrere Männchen. Wenn das Weibchen stirbt (weil es zum Beispiel von einem Barracuda gefressen wird), verwandelt sich das stärkste Männchen – innerhalb von einer Woche! – in ein Weibchen. Denn Clownfische sind Hermaphroditen (siehe Blogbeitrag: Bio mit Beauvoir). Marlin hätte sich also, noch bevor Nemo aus dem Ei schlüpft, in ein Weibchen verwandeln und eine Bande verantwortungsvoller Männchen um sich versammeln können. Bei so viel Obacht wäre Nemo bestimmt nicht verloren gegangen. Und der Film hätte geheißen: Nemo – ein Leben ohne Abenteuer.

Hier noch weitere Filmfehler oder Logiklücken in Findet Nemo, informativ zusammengefasst von CinemaSins (auf Englisch):

Bleibender Eindruck | zur Wirkung der Filme

Findet Nemo ist ein Film, der überfürsorglichen Eltern einen Spiegel vor die Nase hält und Kinder dazu ermutigt, ihren Weg zu gehen. Vor allem aber führt der Film vor Augen, dass Behinderungen nicht gleich Einschränkungen sind.

Findet Dorie führt diese Idee noch einen Schritt weiter, mit einer ganzen Geschichte rund um das Meistern einer Benachteiligung. 

Aus dem Leben mit Behinderungen

Die Hauptfigur in Findet Nemo hat eine zu kleine Flosse und kann damit nicht so gut schwimmen. Doch in der Not und mit ähnlich ungleich-flossigen Vorbildern [der Halfterfisch namens Khan] findet Nemo zu Selbstbewusstsein. Findet Dorie hat eine Hauptfigur mit einem hemmenden Handicap (das schwache Gedächtnis), für das sie bestimmte Mechanismen entwickelt, die ihr in der Not helfen.

Dorie kämpft sich voran, wenn keine Hilfe in Sicht ist, und hat auf ihre eigene Weise Erfolg. (…) Die meisten Zuschauer*innen werden diese besondere Message des Films nicht bemerken – wohl aber diejenigen, die sie am ehesten brauchen, und die sich am meisten mit den Charakteren identifizieren werden können.

Tasha Robinson (The Verge)

Hier je eine kleine Vorschau zu den Filmen, via YouTube:

Bechdel-Test bestanden

Den Bechdel-Test hat Findet Dorie übrigens in allen 3 Kategorien bestanden: Kommt mehr als eine Frau (hier: Charaktere mit weiblicher Geschlechterrolle) vor? Check. Haben sie Namen? Check. Sprechen die Frauen miteinander über etwas anderes als Männer? Check.

Neben Dorie kommen etwa deren Freundin Destiny oder ihre Mutter Jenny vor – und sie quatschen über Themen wie Freundschaft und Familie. Doch selbst in einem so klaren Fall lädt das Gender-Thema immer gern zu einer Diskussion ein. Hier eine kleine Perle aus der Kommentarspalte zum Bechdel-Test:

Gender einfach streichen

Steve: Dori ist ein Fisch, keine Frau. Ein Fisch.

Arc: Es geht um Kontext. »Frau« meint hier nicht »Frauen«, sondern schlicht weiblich. Wenn man diesen Kontext nicht berücksichtigt, würden sich die meisten Animationsfilme und die Filme, in denen Kinder die Hauptrollen spielen, nicht für diesen Test qualifizieren. […]

Jake: Es sind wortwörtlich verdammte Fische in einem verdammten Kinderfilm! Wie um alles in der Welt kann irgendwer denken, dass deren Geschlecht irgendeine Tragweite für den Film haben sollte? Man könnte sämtliche Geschlechterrollen aus diesen Charakteren streichen und es würde keinen Unterschied für die Handlung machen!

Powers: Ja, Jake, das könnte man – das ist der ganze Sinn dieser Website. Der Punkt ist, dass die Filmemacher*innen diese Rollen weiblich gemacht haben, obwohl sie hätten männlich sein können. Und damit haben sie qualitativ wertvolle, weibliche, interagierende Figuren in einen Mainstream-Film platziert.

Fazit zu Findet Nemo und Findet Dorie

Ein vegetarischer Hai, »Meins«-schreiende Möwen, der 7-armige Octopus und die Popcorn-liebende Becky – das Universum von Nemo und Dorie ist voll von liebenswerten Ideen und Details. Technisch für ihre jeweilige Zeit perfekt umgesetzt und dramaturgisch gekonnt zu in sich geschlossenen Abenteuern verpackt, sind Findet Nemo und Findet Dorie heute schon Klassiker, die aus dem immer größer werdenden Meer der animierten Filme herausstechen.

Und hier nochmal für alle: Ein Aquarium! Nicht mehr virtuell, von einer verpixelten DVD, sondern in 4K und direkt aus dem Netz – 3 Stunden Fische gucken! Allein dafür hat sich die Erfindung des Internets schon gelohnt.

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DER ZUFALL MÖGLICHERWEISE von Krzysztof Kieślowski | Film 1987 | Kritik http://www.blogvombleiben.de/film-der-zufall-moeglicherweise-1987/ http://www.blogvombleiben.de/film-der-zufall-moeglicherweise-1987/#respond Tue, 07 Aug 2018 07:00:55 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4593 Ist unser Leben vorbestimmt oder vom Zufall beherrscht? Welche kleinen Dinge treten welche großen los? In…

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Ist unser Leben vorbestimmt oder vom Zufall beherrscht? Welche kleinen Dinge treten welche großen los? In Der Zufall möglicherweise erzählt der polnische Regisseur Krzysztof Kieślowski von einem konkreten Leben in einer konkreten Zeit und doch drei ganz unterschiedliche Biografien. Wohin der Weg geht und in welche Richtung das Schicksal ausschlägt, das entscheidet sich – natürlich – am Bahnhof. 

Witek rennt

Mit Der Zufall möglicherweise hat Krzysztof Kieślowski nicht nur möglicherweise, sondern ganz gewiss einige spätere Filme inspiriert. Bekanntestes Beispiel dürfte für das deutsche Publikum Lola rennt (1998) sein. Mit der Kamerafahrt in den Mund, zu Beginn von Lola rennt, spielt der Regisseur Tom Tykwer – der mit Heaven (2002) inzwischen ein Kieślowski-Drehbuch verfilmt hat – inszenatorisch elegant auf das Vorbild an. Ebenso mit dem Anrempeln einer prompt pöbelnden Passantin durch die rennende Lola (Franka Potente). Nehmen wir im Folgenden das Original unter die Lupe – Witek statt Lola.

Die Schauspieler Bogusław Linda und Monika Goździk in einem Standbild aus Der Zufall möglicherweise

Info: Zu der Zeit, da ich diesen Film suchte [Juli 2018], war Der Zufall möglicherweise (Original: Przypadek, Englisch: Blind Chance) im polnischen Original mit englischen Untertiteln in der Mediathek von Eastern European Movies verfügbar – eine empfehlenswerte Website für alle, die Interesse am osteuropäischen Kino haben. Allerdings wurde Der Zufall möglicherweise im Jahr 2017 vom Studio Filmowe TOR auch auf YouTube hochgeladen und ist dort in voller Länge zu sehen. (siehe unten)

Totale: Der Zufall möglicherweise im Zusammenhang

Historischer Kontext

Was den Film für ein internationales Publikum schwer zugänglich macht, ist seine Verankerung in der polnischen Geschichte vom Ende des 2. Weltkriegs bis Anfang der 80er Jahre. Der Zufall möglicherweise spielt vor dem Hintergrund des kommunistischen Polens, das scheinbar in zwei Lager zerfallen ist: Man ist entweder für oder gegen die Partei. Der Werdegang des fiktiven Studenten Witek Długosz dient als Beispiel, an dem gezeigt wird, wie ein Leben in diesem Polen laufen kann. Mal ist er als kommunistischer Funktionär in die Geschichte gestrickt, mal als Oppositioneller – und mal versucht er sich ganz aus dem Politischen rauszuhalten.

Obwohl der Film bereits 1981 gedreht wurde, lief er auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes und in den polnischen Kinos erst 1987. Anfang der 80er Jahre war Der Zufall möglicherweise – in einer Zeit, da in Polen aufgrund der Solidarność-Unruhen Kriegszustand herrschte – von der Zensur zunächst verboten worden. Zu unbequem war dem Regime der Inhalt dieses Films.

Persönlicher Kontext

Möglicherweise war’s der Zufall, der dafür sorgte, dass ich durchaus filmbegeisterter Mensch bis vor kurzem den Namen Krzysztof Kieślowski nicht kannte. Möglicherweise war’s aber auch blöde Ignoranz, weil mein Hirn den Namen nichtmal in Gedanken auszusprechen wusste. Inzwischen lerne ich – durch Zufall, möglicherweise – seit ein paar Jahren polnisch und möchte die Annäherung all denjenigen erleichtern: Man spricht ihn Kschischtof Kschlowski aus (hier sagt’s ein Muttersprachler: ).

Ein stimmungsvoller, wenn auch nur visueller Teaser zum Lebenswerk dieses großen Filmemachers vermittelt ein Bilderreigen, den das Museum of the Moving Image im Jahr 2016 veröffentlicht hat:

Wer Lola rennt kennt und mag, möchte vielleicht sehen, welchem Film Tom Tykwer die Kernidee entnommen hat. Mir jedenfalls ging es so.

Close-up: Der Zufall möglicherweise im Fokus

Erster Eindruck | zum Auftakt des Films

»This is the 1981 version of the film, with censored fragments restored.« 

Mit dieser Texttafel begann die Version, die ich gesehen habe. Dabei stimmt der Hinweis nicht ganz. Es gab noch immer eine Stelle im Film, in der das Bild schwarz wurde und nur die Tonspur weiterlief. In dieser zensierten Szene ging es um Polizeigewalt. Fast entschuldigend wies hier eine erneute Texteinblendung darauf hin, dass dieses Fragment das einzige gewesen sei, dass sich nicht habe restaurieren lassen.

Der Film beginnt mit einer Großaufnahme des Helden, Witek Długosz, der nervös dasitzt, den Mund aufreißt und »Nieee!« ruft. Die Kamera ist zu nah dran, als dass wir zuordnen könnten, wo er da sitzt. Und sie fährt noch näher heran, diese Kamera, fährt in den aufgerissenen Mund, ins Schwarz. In gelben Großbuchstaben erscheint der Name des Hauptdarstellers, der diesen Film über seine gesamte Laufzeit trägt: Bogusław Linda.

Kindheitserinnerungen aus der Subjektive

Nach den Vorspanntiteln folgt eine Kollage an Bildern, deren Sinn sich auf die Schnelle nicht erschließt: Ein blutiges Bein in einem Korridor, durch den eine Leiche geschleift wird. Ein dumm dreinschauendes Kind, das sich erst im Spiegel betrachtet, dann den Blick zu den Mathe-Hausaufgaben senkt. Neben dem Jungen sitzt der Vater, sieht ihm in die Augen?. Schnitt. Ein grüner Hang, auf dem ein Auto steht. Ein anderer Junge, der sich verabschiedet. Schnitt. Der voyeuristische Blick ins Lehrerzimmer, durchs Fenster. All diese Ausschnitte aus Kindheitstagen sind aus der Subjektiven gefilmt, Point of View ist jenes Kind, das sich im Spiegel betrachtet hat.

Aus der Kindheit geht’s in die späte Jugend oder das frühe Erwachsenenalter, auf jeden Fall raus aus der Subjektiven: Witek turtelt mit einer kurzhaarigen Frau an einem Gleis. Ein paar Typen rufen Obszönes, Witek rennt ihnen nach. Schnitt zu einem nackten, grauen Leichnam, der aufgeschnitten wird. Von der gelben Fettschicht schwenkt die Kamera hoch zu den herabschauenden Medizinstudent*innen. Eine von ihnen sticht hervor, durch ihren angewiderten Blick. Witek erzählt sie, die Tote sei ihre Lehrerin gewesen. Es folgt ein Schnitt zum gealterten Vater, der Witek erzählt, wie froh er war, als der Junge damals seinen Lehrer geschlagen habe. Denn Streber möge er nicht.

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

So geht es eine Weile. Kurze Szenen, chronologisch zwar und auf einen Helden fokussiert, doch durch die unüberschaubar großen Zeitsprünge unterbrochen. In diesem Prolog geht es Kieślowski nur um eine Art Quintessenz dessen, was aus dem Vorleben Witek erinnert werden soll. Bis zur schicksalhaften Szene am Bahnhof. Diese sehen wir zum ersten Mal nach 7 Minuten. So gerade eben erwischt Witek den Zug und der Film beginnt, endlich in gemäßigtem Tempo, mit verfolgbarer Handlung.

Wir werden zu jenem Bahnhof zurückkehren, ähnlich wie Mr. Nobody (2009) des Regisseurs Jaco van Dormael immer wieder zum Bahnhof zurückkehrt. Der Ort, an dem die Zeitstränge wie sich trennende Waggons auf unterschiedlichen Gleisen weiterfahren… Auf die Frage, ob er Der Zufall möglicherweise von Kieślowski gesehen habe, antwortet Jaco van Dormael in einem polnischen Interview:

Dieselben Dilemmata

Selbstverständlich. Unsere Filme entstanden zur selben Zeit [hier bezieht sich van Dormael auf seinen Kurzfilm È pericoloso sporgersi (1984), der wie ein früher Rohentwurf zu Mr. Nobody wirkt]. Offenbar waren wir von denselben Dilemmata beunruhigt. Und die Vorstellung verleiht mir heute noch eine gewisse Unruhe: Wir sitzen hier zusammen und reden, doch wie wenig muss man nur tun, damit Ihr oder mein Leben in völlig neuen, anderen Bahnen verläuft. Jede unserer Entscheidungen determiniert die nächste […]

Jaco van Dormael im Gespräch mit Barbara Hollender (aus dem Polnischen)

Bei Jaco van Dormael artet diese Idee wohlgemerkt in ein fantastisches Multiversum aus. Bei ihm eröffnet jede kleine Geste einen völlig neuen Zeitstrang. Bei Kieślowski ist der deterministische Gedanke von einer unausweichlichen Vorbestimmung hingegen wesentlich präsenter – und der Weg zum vorgezeichneten Schicksal bleibt in jedem Fall realistischer und näher an der Lebenswelt seines Protagonisten und der politischen Situation seiner Zeit. 

Fazit zu Der Zufall möglicherweise

Eine gewisse Faszination für die Zeit und den rätselhaft verstrickten Gang der Dinge ist wichtig. Zumindest, um als deutsche*r Zuschauer*in unter (grob über den Daumen gepeilt) 50 Jahren einen Zugang zu dem Film zu finden. Der Zufall möglicherweise bedient nicht unsere mit aufpolierten Bildern konditionierten Sehgewohnheiten. Er nimmt uns im Storytelling nicht bei der Hand (wie wir es vom Hollwood-Mainstream-Kino kennen, damit auch ja jede*r alles versteht) und setzt historisches Wissen voraus, das man ohne Bezug zu Polen kaum mitbringen wird.

Ich persönlich habe beschämend wenig Ahnung von der polnischen Geschichte. Dafür ist meine Faszination für die Zeit-Thematik im Film umso größer. Unabhängig von beidem ist das Schauspiel des Ensembles in Der Zufall möglicherweise wirklich stark. Und das Drehbuch ist so gut, dass es einen Sog entwickelt. Auch wenn man nicht alles verstehen mag, was in diesem Film vor sich geht, erlaubt er bestimmte Einblicke doch sehr klar und deutlich: Einblicke in die Zerrissenheit des Helden im Strudel des Zeitgeschehens. Egal, für welches politische Lager oder um welche Liebe Witek kämpft, man fiebert mit, wenn Witek rennt.

Hier gibt es den Film Der Zufall möglicherweise in voller Länge zu sehen (im polnischen Original mit englischen Untertiteln):

Übrigens: Der Zufall möglicherweise ist Teil der Criterion Collection. Hier gibt es weitere Informationen.

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GHOSTLAND, Horror von Pascal Laugier, Set-Unfall | Film 2018 | Kritik, Spoiler http://www.blogvombleiben.de/film-ghostland-2018/ http://www.blogvombleiben.de/film-ghostland-2018/#respond Mon, 09 Jul 2018 07:00:21 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4241 Er hat es wieder getan. Der Franzose Pascal Laugier lebt seit nunmehr 15 Jahren sein Faible…

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Er hat es wieder getan. Der Franzose Pascal Laugier lebt seit nunmehr 15 Jahren sein Faible für Horrorfilme in schöpferischer Funktion aus – als Drehbuchautor und Regisseur. Mit Ghostland findet er beinahe zu der Härte zurück, die ihn mit Martyrs (2008) bekannt gemacht hat. Überschattet wird Laugiers neuer Film allerdings von einem Unfall, der sich beim Dreh ereignete und Schauspielerin Taylor Hickson mit einer Narbe im Gesicht zurücklässt.

Vorfall im Geisterland

Deadline Hollywood spricht von der Ironie, dass das Kinoplakat zum Film Ghostland das Gesicht einer jungen Frau wie von Scherben zerschmettert zeigt. Die Anklageschrift spricht von mangelnden Industriestandards und wirft der Produktionsfirma vor, die Schauspielerin Taylor Hickson in eine absehbar gefährliche Situation gebracht hat. Regisseur Pascal Laugier wird indes in dieser Anklageschrift nicht erwähnt, obwohl er bei dem Unfall eine gewisse Rolle gespielt zu haben scheint. Mehr dazu im Absatz »Set-Unfall mit Taylor Hickson«.

Zum Inhalt: Eine Mutter und ihre zwei Töchter beziehen das Haus einer verstorbenen Verwandten. Doch schon in der ersten Nacht werden sie in dem düsteren Anwesen von üblen Gewaltverbrechern attackiert, die das Leben der Frauen grundlegend verändern.

Hinweis: Dieser Text enthält Spoiler zu allen Filmen von Pascal Laugier, aber nur im Absatz »Misogynistischer Folter-Porno?«, bis dahin, schönes Lesen! Eine weitere Rezension zu Ghostland, mehr auf den Inhalt als auf den Kontext bezogen, habe ich für kinofilmwelt.de geschrieben.

Zwei Mädchen flüchten Hand in Hand in einen Wald, Standbild aus dem Film Ghostland | Bild: Mars Films

Totale: Ghostland im Zusammenhang

Cineastischer Kontext

Pascal Laugiers erster Film (Haus der Stimmen) handelte von einer jungen Frau, die sich in ein spukendes Waisenhaus zurückzieht, um in aller Heimlichkeit ihr Kind auf die Welt zu bringen. Laugiers zweiter Film (Martyrs) erzählte die Geschichte von zwei jungen Frauen, die im Rahmen eines Racheakts eine ganze Familie hinrichten, ehe sie selbst bluten müssen. Sein dritter Film (The Tall Man) handelte von einer jungen Frau in einer Stadt, in der Kinder von einem »großen Mann« entführt werden – ein sehr (eher: zu) wendungsreicher Wannabe-Polit-Thriller mit Horrorelementen.

Im vierten Film sind nun zwei Frauen (mal als Jugendliche, mal als Erwachsene, also vier Schauspielerinnen) der rohen Brutalität zweier Gewaltverbrecher ausgesetzt. Es verwundert nicht, dass Filmkritikerin Antje Wessels den Regisseur bei einem Interview im April 2018 also auf seine Wahl immerzu weiblicher Hauptfiguren angesprochen hat. Und er so:

Für mich sind Mädchen »das große Andere«. Sie sind alles, was ich niemals sein werde. Und ein paar Wochen auf einem Set zu verbringen und Schönheiten, ich meine, Gesichter zu filmen, die mich faszinieren – auch das ist für mich ein Grund, Filme zu machen. Vielleicht war ich in der Schule einer der von den Mädchen zurückgewiesenen Jungs – und ich mache Filme, um geübt darin zu werden, ihnen zu gefallen. Um ihnen zu zeigen, dass ich selbst ein liebenswerter Typ bin.

Pascal Laugier im YouTube-Interview mit Filmkritikerin Antje Wessels

Ich persönlich finde, der heute 46-jährige Pascal Laugier hat sich nicht das beste Genre ausgesucht, um den »girls« zu gefallen. Aber hey, wo die Liebe hinfällt… und dass seine Liebe dem Horror-Genre gilt, das hat der Mann ja nun auf vierfache, sehr unterschiedliche Weise in Spielfilmlänge unter Beweis gestellt. Dabei ist sein Œu­v­re von solch wechselhafter Qualität, dass ich dem Herrn Laugier aktuell keine Träne nachweinen täte, wenn er sich vom Regiestuhl wieder aufs heimische Sofa begäbe.

In einem Abgesang über den »Retro-Wahn des Gegenwartskinos« schreibt Georg Sesslen (DIE ZEIT, N° 31, 26. Juli 2018) anlässlich des Remake von Papillon über ein »System der Selbstreferenz«.

Die Filme beziehen sich nicht mehr auf eine Art von äußerer Wirklichkeit, sondern auf andere Filme und andere Ereignisse innerhalb der Popkultur. Das heißt natürlich nicht, dass sie sich nicht auf das Leben ihrer Konsumenten beziehen würden, dann das besteht ja in der Regel zur Hälfte aus Popkultur-Konsum.

Dabei habe ich (nach kurzer Empörung: Wie herablassend schreibt dieser Typ bitte über mein Leben!?) an Ghostland denken müssen. Wie viele Zeilen, Szenen, Kulissen, Ideen, ja ganze Versatzstücke dieses Films sind (bewusst oder unbewusst) nicht Referenzen an etwaige namhafte Vertreter*innen der Horror-Genres? Tobe Hooper und Rob Zombie als nur prominenteste Beispiele.

Noch vor dem ersten Bild serviert Ghostland bereits die erste Referenz in aller Deutlichkeit, eine, die sich durch den gesamten Film zieht. Der Streifen fängt mit einem Zitat an.

Close-up: Ghostland im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Films

Zu Beginn des Films Ghostland sehen wir einen Schwarzweiß-Porträt des Schriftstellers Howard Phillips Lovecraft (1890-1937). Darunter – in Schreibmaschinen-Lettern getippt, erscheint die Zeile:

Freakin‘ awesome horror writer. The best. By far. | Elizabeth Keller

Wie aus der Zeit gefallen: Ein schwarz gekleideter Junge mit einem Hut rennt über einen Acker. Hin zu einer Straße, auf der gerade ein Wagen vorbeifährt. Mitten auf der Straße bleibt der Junge stehen und schaut dem Wagen nach. Aus dem Wagen, von der Rückbank aus, begegnet ein Mädchen (Taylor Hickson) seinem Blick. Ihre Schwester (Emilia Jones), auf dem Beifahrersitz, liest derweil eine selbst geschriebene Grusel-Geschichte vor. Anschließend wird sie von ihrer Mutter, am Steuer, für die Geschichte gefeiert und von ihrer Schwester beleidigt. Typisches Familiengezanke also, bis sich ein wild hupender Candy Truck von hinten nähert und den Wagen überholt.

Im Truck sieht man nur zwei dunkle Silhouetten, die den irritierten Frauen zuwinken. Spooky shit. Dann zieht der Wagen vorbei und der Titel erscheint: Incident in a Ghostland (der etwas längere, alternative Titel des Films)

An einer Tanke kauft die schriftstellerisch ambitionierte Tochter etwas zu knabbern. Draußen fährt jener Candy Truck vorbei, gruselig langsam, das Licht in der Tanke flackert, als hätte der Sicherungskasten Angst bekommen. Besagte Tochter wirft einen Blick auf die Titelseite einer Zeitung, die da rumliegt: »Familien-Killer schlagen zum fünften Mal zu!« (wenn man später erlebt, wie auffällig und unvorsichtig diese Killer unterwegs sind… dann muss man sich schon sehr wundern: Wie genau hat die Polizei denn bisher versucht, sie aufzuhalten?)

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

All die üblen Vorzeichen führen rascher als gedacht zur Konfrontation zwischen den Familien-Killern und der Familie. Dabei geht es brutal zur Sache. Die Gewalt-Eskalation zum Auftakt des Films ist derartig heftig in Szene gesetzt, dass sich schon hier die Spreu vom Weizen trennen wird: die Zuschauer*innen, die solche Filme lieber meiden, und diejenigen, die bleiben. Letztere bekommen einen Film zu sehen, der handwerklich sehr gut gemacht ist. Vieles, was an Pascal Laugiers vorausgegangenem Werk The Tall Man mies war (die Computer-Effekte, die unglaubwürdigen Twists, die politische Message) fallen weg. Stattdessen: Absolut solides Genre-Kino, dass zur Entspannung zwischen den Gewalt-Exzessen gekonnt Zeit- und Wirklichkeits-Ebenen wechselt. Samt Cameo-Auftritt von H. P. Lovecraft.

Die Kritik zum Film fällt sehr gemischt aus (siehe: englischer Wikipedia-Beitrag). Manch Filmrezensent*innen schlagen mit ihrem Lob ein bisschen über die Stränge. So schreibt Simon Abrams (The Village Voice):

[Ghostland] ist eine verstörende, effektvolle Kritik an misogynistischen Folter-Pornos. […] Der Film mag zuweilen daherkommen wir ein blutrünstiger Slasher-Klon, aber Laugiers gefolterte Mädchen erweisen sich immer wieder stärker als ihre brutal entstellten Körper.

Misogynistischer Folter-Porno? (Achtung, Spoiler!)

In Haus der Stimmen stirbt die junge Mutter mit ihrem Neugeborenen im Arm. Im Laufe von Martyrs schlitzt sich die eine Hauptfigur selbst auf, die andere wird gehäutet – und stirbt elendig. Am Ende von The Tall Man wird die weibliche Hauptfigur auf Lebenszeit weggesperrt, nachdem man ihr die Scherben aus dem Gesicht gepickt hat. In Ghostland, das stimmt, da überleben die beiden Mädchen die schier endlosen Gewalt-Attacken in den vorausgegangenen anderthalb Stunden.

Man kann nicht behaupten, ein Film sei nicht misogynistisch oder gar feministisch, nur weil die weiblichen Protagonistinnen am Ende irgendwie mit dem Leben davon kommen. Ghostland ist ein Folter-Porno, der Misogynisten gefallen wird. Ebenso, wie Der Soldat James Ryan kein Antikriegsfilm, sondern ein Kriegsfilm ist, der all denen gefällt, die Lust auf Kriegs-Action haben.

[Die Gewalt] dient als Mittel zum Zweck, um Zuschauer*innen daran zu erinnern, dass Traumata die menschliche Psyche schädigen können. Doch darüber hinaus scheint Ghostland nichts zu sagen zu haben. Der Mittel zum Zweck führt zu keinem tieferen Sinn oder einer größeren Idee, so dass die Unmenschlichkeit sich wirklich lohnt. Die Story ist zu hauchdünn, um zu rechtfertigen, was ihre Charaktere durchleben müssen. Dadurch wirkt die Gewalt als Ziel gesetzt und misogynistisch.

Day Ebaben (BloodyDisgusting), aus dem Englischen übersetzt

Das Kunstschaffen von Pascal Laugier

Pascal Laugier wurde am 16. Oktober 1971 geboren. Er begann seine Karriere als Assistent des Regisseurs und Filmproduzenten Christophe Gans (Silent Hill, Die Schöne und das Biest). So drehte Laugier zu dessen Pakt der Wölfe (2001) mit Vincent Cassel eine Making-of-Dokumentation (und er trat selbst in dem Film auf).

Später schrieb und inszenierte Pascal Laugier nach seinem Debüt Haus der Stimmen (2004) den Horror-Schocker Martyrs (2008), seit dem er dem New French Extremism zugeordnet wird. Das Gewalt-Spektakel brachte dem Regisseur einige Kontakte in Hollywood ein, wo er nach eigenen Aussagen, »drei oder vier verschiedene Projekte« unterzeichnete. Eines davon war ein Remake zu dem Horror-Klassiker Hellraiser (1987), von dem er jedoch wieder zurücktrat (oder zurückgetreten wurde). Hier ist Laugiers Sicht der Dinge:

Ich hatte das Gefühl, dass die Produzenten hinter dem neuen Hellraiser keinen wirklich seriösen Film machen wollten. Nun, für mich wäre ein neuer Hellraiser vor allem ein Film über die SadoMaso-Schwulen-Kultur, weil es von einem homosexuellen Begehren herrührt – und Hellraiser handelt von solchen Dingen. Ich wollte nicht die ursprüngliche Version von Clive Barker [Hellraiser-Schöpfer] betrügen.

Pascal Laugier im Interview mit Ambush Bug (AICN)

Die Produzenten hingegen seien eher an einem kommerziell erfolgreichen Remake für Teenager*innen als Zielgruppe interessiert gewesen. Statt eines Hellraiser-Remakes drehte Laugier stattdessen den Mystery-Thriller The Tall Man (2012). Im Jahr 2015 inszenierte außerdem er das Musikvideo zu City Of Love über gefallene (gruselig ausschauende) Engel und die Faszination für den menschlichen Körper. Die französische Popsängerin und Schauspielerin Mylène Farmer, die City Of Love sang, übernahm 6 Jahre nach Pascal Laugiers letztem Spielfilm die Rolle der Mutter in Ghostland. (Die lange Dauer zwischen seinen Projekten schreibt er Finanzierungsschwierigkeiten zu.)

Set-Unfall mit Taylor Hickson

Nun ist für einen Star für Mylène Farmer dieser Film nur eines von vielen Werken in einer langen Karriere. Für die meisten Cast- und Crew-Mitglieder*innen und Zuschauer*innen wird Ghostlandnur ein weiterer Horror-Film sein. Einer, der manchen mehr, manchen weniger gefällt, aber kaum das Zeug hat, lange von sich reden zu machen.

Allein für Schauspielerin Taylor Hickson stellt dieser Film eine Zäsur dar. Ein Schnitt, der ihr Leben in ein »Davor« und »Danach« unterteilt. Grund ist eine Szene, in der Hickson gegen eine Glastür hämmern sollte, härter, wie es der Regisseur Pascal Laugier wollte, so hart, bis das Glas brach und die junge Frau hindurch fiel. Dabei schlitzte eine Scherbe ihr Gesicht so sehr auf, dass Taylor Hickson mit 70 Stichen genäht werden musste. Die Narbe wird die Schauspielerin für den Rest ihres Lebens im Gesicht tragen. Zitat des Regisseurs:

Manchmal war ich der Bösewicht am Set. Die Crew verhielt sich sehr beschützend gegenüber den Schauspielerinnen und ich musste sie davon abhalten. Ich wollte, dass sich die Schauspielerinnen einsam und sozusagen miserabel fühlen – damit sie fähig waren, das darzustellen, was das Skript abverlangte. Also, yeah, hin und wieder fühlte ich mich wie der Bösewicht, aber die einzige Sache, woran ich dabei dachte, war der finale Film.

Pascal Laugier im Interview mit Darren Rae (Review Graveyard), 17. März 2009

Nie wieder mit Laugier

Dieses Zitat bezieht sich gar nicht auf Ghostland. Sondern auf Martyrs, dem anderen Gewalt-Schocker, den Laugier 10 Jahre zuvor gedreht hat. Als die Schauspielerinnen aus dem Film damals, Morjana Alaoui und Mylène Jampanoï, ein Interview gaben, kam dieser Gesprächsfetzen zustande (aus dem Englischen übersetzt):

Rob Carnevale (Indie London): Pascal scheint ein wirklicher netter, sanfter Typ zu sein… wie war er als Regisseur? MJ: Das ist nicht wahr… MA: Er hat eine sehr sanfte Seite und eine sehr gewaltsame Seite. Er hätte diesen Film nicht gemacht, wenn es diese gewaltsame Seite nicht gäbe. Und ich denke, dass er eine sehr gewaltsame Haltung gegenüber der Welt hat. RC: Würdet ihr wieder mit ihm arbeiten? MJ: Niemals! [Lacht.] MA: Ich ebenfalls nicht. MJ: Kann ich noch sagen, dass wir uns zwar darüber beschwert haben, aber das wir trotzdem eine exzellente Zeit dort hatten? Und auf professioneller Ebene, als Schauspielerinnen, haben wir viel über uns gelernt.

Fazit zu Ghostland

Horrorfilme sind heute, was öffentliche Hinrichtungen im Mittelalter waren: Ein Spektakel für Menschen, die von Gewalt fasziniert sieht (mich eingeschlossen). Und so wie Henker*innen damals sicher eine »gewaltsame Seite« hatten, haben sie heute Filmemacher*innen. Indem sie ihre Gewaltfantasien inszenieren und damit die Gewaltfantasien etlicher Anderer bedienen, schaffen sie ein Ventil für sadistischen Voyeurismus. Oder sie fördern ihn damit nur, so kann man es auch sehen. Ich persönliche gehöre eher der ersteren Meinung an. Doch mir graut es bei einem Regisseur, der sein filmisches Ergebnis höher wertet, als das Wohlbefinden aller Beteiligten.

Erst recht, wenn die Story derart dünn ist. Auch die Charaktere des Films bleiben substanzlos. Bloße Täter-/Opfer-Schablonen, wie man sie aus x-beliebigen Horrorfilmen kennt, die man sieht und wieder vergisst. Da warte ich doch lieber auf das nächste Werk des Meisters popkultureller Referenzen, zuweilen gar mit Wirklichkeitsbezug: Quentin Tarantino. Dessen nächster Streich soll vom mörderischen Treiben der Manson-Familie handeln.

Weitere Filmtipps:

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ROMEO UND JULIA im Wandel der Zeit | Filme 1968, 1996, 2013 | Vergleich http://www.blogvombleiben.de/filme-romeo-und-julia-1968-1996-2013/ http://www.blogvombleiben.de/filme-romeo-und-julia-1968-1996-2013/#respond Wed, 04 Jul 2018 07:00:50 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4118 Ist das Drehbuch nur gut genug, dann kann der Film nicht so schlecht werden. Das hat…

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Ist das Drehbuch nur gut genug, dann kann der Film nicht so schlecht werden. Das hat schon Alfred Hitchcock gepredigt: Drehbuch, Drehbuch, Drehbuch, die drei wichtigsten Dinge für einen Kracher-Film! Nehmen wir mal Romeo und Julia, ein Bühnenstück, das William Shakespeare vor über 400 Jahren ja schon beinahe in Drehbuch-Form niedergeschrieben hat. Im Folgenden geht’s um drei Filmadaptionen, die den Zeilen des Originals mehr oder weniger treu geblieben sind. Trotzdem wurden sie völlig unterschiedlich aufgenommen – von großer Bewunderung bis zum ultimativen Zerriss.

Was hätte Shakespeare getan?

Normalerweise schreibe ich zunächst eine kleine Inhaltsangabe zu der Geschichte, um die es geht, und/oder einen Hinweis, ob im nachfolgenden Text Spoiler enthalten sind. Das kann man sich bei Romeo und Julia getrost schenken, da der große Meister einem beides abnimmt: Im Prolog (der in jeder hier aufgeführten Filmadaptionen mehr oder weniger getreu zitiert wird) fasst William Shakespeare sein Stück zusammen und haut dabei selbst die dicksten Spoiler raus! Die Zeichnerin Mya L. Gosling (von Good Tickle Brain) hat diesem fragwürdigen Auftakt mal einem Comic gewidmet:

Der Prolog zu Romeo und Julia als Comic von Mya L. Gosling (Good Tickle Brain)

In diesem Sinne werde ich im Folgenden nicht en detail auf die Story eingehen. Die könnte ohnehin nicht besser zusammengefasst werden, als in dem Video Romeo und Julia to go (Shakespeare in 11,5 Minuten) von Michael Sommer.

Totale: Romeo und Julia im Zusammenhang

Historischer Kontext

William Shakespeare schrieb Romeo und Julia Ende des 16. Jahrhunderts, unter anderem unmittelbar inspiriert und beeinflusst von Arthurs Brookes Epos The Tragical History of Romeus and Juliet (1562). Ein fiktives Liebespaar mit diesen Namen geisterte längst durch die Werke europäischer Literaten – und das Motiv zweier tragisch Verliebter an sich ist natürlich noch viel, viel älter. Schon Hero und Leander, zwei Gestalten der griechischen Mythologie, mussten ihre glühende Liebe mit dem Leben bezahlen… kurzum: Bereits Shakespeare erfand das Rad nicht neu. Doch er schrieb eine sehr runde Version von Romeo und Julia, vom Arrangement der Szenen bis zur Sprache der Protagonisten, dazu starke Dialoge und nicht wenig Humor – ein Meisterwerk war geboren!

So wilde Freude nimmt ein wildes Ende,
Und stirbt im höchsten Sieg, wie Feu’r und Pulver
Im Kusse sich verzehrt. Die Süßigkeit
Des Honigs widert durch ihr Übermaß… | Lorenzo in Romeo und Julia (hier online zu lesen)

3 von über 30 Filmen

Apropos Übermaß: Kaum wurde rund 300 Jahre nach Shakespeares Tragödie das Kino erfunden, gaben sich Romeo und Julia als Filmpaar die Ehre. Von einem Kurzfilm im Jahr 1908 (der heute als verschollen gilt) bis in die Gegenwart zählt die Liste von Filmen basierend auf Romeo und Julia weit über 30 Werke. Hier wollen wir uns nur drei der populärsten oder jüngsten Verfilmungen annehmen:

  • Romeo und Julia (1968) mit Leonard Whiting und Olivia Hussey
  • William Shakespeares Romeo + Julia (1997) mit Leonardo DiCaprio und Claire Danes
  • Romeo und Julia (2013) mit Douglas Booth und Hailee Steinfeld

Persönlicher Kontext

In der Schule habe ich das Stück tatsächlich nicht gelesen. Stattdessen sah ich vor kurzem erst aus einer Laune heraus bei Netflix die Adaption von Baz Luhrmann und dachte, huch, so ein flippiges Spektakel im MTV-Look, DAS ist also Romeo und Julia, diese uralte Romanze, um die ich mich bis dato herumgedrückt habe? Mein Weltbild stand Kopf. Also las ich dann doch mal die Tragödie und sah mir zwei weitere Filme an, um wieder auf mein Leben klarzukommen. Nun haben wir schon Sommer 2018 und ich kann endlich mitreden, wenn es um das große Schmachten am Balkon geht. Jetzt, da die wohl wichtigste Verfilmung des Stoffs genau 50 Jahre her ist.

Olivia Hussey, Harold Perrineau, Jr. und Douglas Booth, je Schauspieler in Adaptionen von Romeo und Julia | Bild: Twenieth Century Fox
Die Schauspielerin Olivia Hussey und ihre Kollegen Harold Perrineau, Jr. und Douglas Booth. | Bild: Twenieth Century Fox

Close-up: Romeo und Julia im Fokus

Nackte Brüste und brüske Kritiker

1968 wurde Romeo und Julia erstmals mit jugendlichen Schauspielern in den Hauptrollen umgesetzt. In Shakespeares Stück sind die beiden Verliebten zwischen 13 und 14 Jahren alt. Arg jung aus heutiger Sicht, wenn man an die Leben-und-Tod-Duelle und das Hals-über-Kopf-Heiraten denkt. Als der Regisseur Franco Zeffirelli im Rahmen einer weltweiten Suche nach unbekannten Jungdarsteller*innen fündig wurde, waren Leonard Whiting 17 und Olivia Hussey 15 Jahre alt. Trotz Husseys Minderjährigkeit enthält der Film eine Szene, in der das Paar nackt im Bett liegt (nicht: rummacht, wohlgemerkt!) und für einen Moment Julias Brüste zu sehen sind. »Soft Porn«, pönte darüber ein Pastor der amerikanischen Grace Christian Fellowship und forderte eine Kürzung des Films, der im Englischunterricht seiner Gemeinde behandelt wurde. Zeffirellis Reaktion darauf:

Wenn er in ein Museum kommt, dreht sich dieser Mann auch von Aktgemälden weg? […] Ich weiß nicht, wie jemand Anstoß an dieser Szene nehmen könnte! | Franco Zefferelli, in: Pitch Weekly (März 1999)

Die Kirche störte sich wohlgemerkt offenbar mehr an der Nacktheit an sich, als am Alter der Jugendlichen. Apropos: Hier ein Filmtipp zu Spotlight (2015) über den Missbrauchs-Skandal in der römisch-katholischen Kirche in Boston.

Romeo und Julia im Interview

Aufgrund der amerikanischen Gesetzeslage war es Olivia Hussey wegen der Nacktszene nicht erlaubt, ihren Film in amerikanischen Kinos zu sehen. Der Jugendschutz hat sie vor dem Anblick ihrer eigenen Brüste bewahrt, well done, Amerika. Auf diesen absurden Umstand wurde die (dann 16-jährige) Hussey bei einem Interview im Veröffentlichungsjahr des Films – 1968 – angesprochen. Hier der entsprechende Ausschnitt aus dem Interview, während dem sie ganz entspannt ihre Zigarette raucht. Hach ja, andere Zeiten…

Knarren, Karren, Karneval – Shakespeare, bunt und queer

1997 nahm sich Baz Luhrmann des Stoffes an und inszenierte ihn in einer Art und Weise, die für ihn bald zum Markenzeichen werden sollte: bunt und schrill, Theater für die Leinwand. Sein Romeo + Julia gilt inzwischen als zweiter Teil seiner Roter-Vorhang-Trilogy / Red-Curtain-Trilogy, zusammen mit Strictly Ballroom (1992) und Moulin Rouge (2001).

Luhrmann behält die Sprache Shakespeare bei, verpackt dessen Stück jedoch in neuem Gewand, mit Knarren statt Schwertern in einer Mafia-Stadt der Gegenwart. Kluger Schachzug – verbietet sich damit doch jeder Vergleich mit der meisterlichen Adaption von 1968.

Was ich mit Romeo + Julia machen wollte, war einen Blick darauf zu werfen, auf welche Weise Shakespeare selbst einen Film aus einem seiner Stücke gemacht hätte, wenn er Regisseur gewesen wäre. Wie hätte er es angestellt? […] Wir wissen vom elisabethanischen Theater und dass er für 3.000 betrunkenen Zuschauer*innen gespielt hat, vom Straßenkehrer bis zur Königin von England – und seine Konkurrenz waren Bärenjagd und Prostitution. […] Er war also ein unermüdlicher Entertainer und Anwender unglaublicher Techniken und theatralischer Tricks. […] | Baz Luhrmann im Interview (19. Dezember 1996)

Der wohl interessanteste Charakter in Baz Luhrmanns Adaption ist aber weder Romeo (gespielt von Leonardo DiCaprio) noch Julia (Claire Danes), sondern Romeos Freund Mercutio (Harold Perrineau, Jr.). Der Wissenschaftler Anthony Johae schreibt:

Das Gegenteil von Liebe

Mercutio, die Drag-Queen, wird [während des Karnevals] »gekrönt« mit einer Frauenperücke und in ein weißes Kleid gehüllt. Außerhalb [des Karnevals] in der wirklichen Welt bacchalanischer Exzesse, da ist er ein schwarzer Mann, der weder zum hispanischen Haus der Capulets noch zum kaukasischen Haus der Montagues passt. Er wäre ein Außenseiter, wenn er nicht (platonisch oder anders) mit Romeo befreundet wäre.

Ist diese Freundschaft homoerotischer Natur? Einen Hinweis darauf bespricht Blogger*in lilymargaretjones in einem Beitrag über Mercutios Darstellung als queer in Luhrmanns Adaption. Es geht um die Szene, in der Tybalt gegenüber Romeo und Mercutio eine sexuelle Beziehung zwischen eben diesen beiden andeutet und Mercutio daraufhin erbost sein »Schwert« zieht. (Eigentlich eine Schusswaffe, doch die phallische Wortwahl bleibt bestehen).

Da das Gegenteil von Liebe nicht Hass sondern Gleichgültigkeit ist, könnte Mercutio’s empfindliche und defensive Reaktion auf den Vorwurf der Homosexualität andeuten, dass er selbst schwul ist.

Abgesehen davon: Interessant ist nicht nur Mercutios Freundschaft mit Romeo, der unberührt bleibt von Mercutios offener Darstellung von Weiblichkeit, sondern auch Mercutios Verhältnis zu Benvolio und den anderen Montague-Jungs. Niemand zeigt sich homophobisch gegenüber Mercutio. Das zeigt, dass Mercutio entweder gar nicht (in welcher Art auch immer) queer ist, oder dass es in Luhrmanns Verona-Beach-Universum schlicht »okay« ist, queer zu sein – oder beides.

Apropos queer und das Spiel mit Geschlechtsidentitäten, hier gibt’s einen Filmtipp zu Female Trouble (1974) sowie weiterführende Literatur zum Gender-Thema: Eine Einführung in Judith Butlers Das Unbehagen der Geschlechter (1990).

Alles glänzt… so schön neu

2013 dann das: Eine Neuverfilmung der Tragödie wieder im historischen Gewand, so wie der Klassiker von 1968 nur unendlich prunkvoller. Co-Produziert wurde Romeo und Julia (2013) von Swarovski – dem Kristallglas-Hersteller.

Von zahlreichen Kritiker*innen wurde diese Adaption regelrecht zerrissen. Zum Einen werde Shakespeares Sprache nicht angemessen vorgetragen (dazu kann ich mangels Fachkenntnis nix sagen). Zum Anderen, weil das Original-Stück in großem Maße umgeschrieben worden sei. Tatsächlich fließen in Shakespeare Tragödie plötzlich Floskeln ein, wie »mit guten Vorsätzen ist die Hölle gepflastert«. Witzig, dass nun dieser Film selbst als so ein Pflasterstein gesehen werden kann, der die Hölle dekoriert. Denn die Geschäftsfrau Nadja Swarovski meinte es nur gut:

R+J für Generation Z

Wir dachten, es sei sehr wichtig, Romeo und Julia auch der jüngeren Generation auf eine sehr angenehme Weise zu übermitteln.

Der Film sieht grandios aus in Sachen Kulissen, Kostümen, Lichtsetzung – und fährt prominente Schauspieler*innen auf. Etwa Natascha McElhone, Paul Giamatti oder Ed Westwick, der Zielgruppe dieses Films sicher bekannt aus der Jugendserie Gossip Girl. Nun, wenn der Film jugendlichen Zuschauer*innen gefällt und (auf neumodische Weise) an Shakespeare heranführt, dann kann’s doch herzlich egal sein, was ach so gestandene Filmkritiker*innen von der Umsetzung halten. Sie sind einfach nicht gemeint.

Kritiker wie Ty Burr (The Boston Globe) zum Beispiel, der doch ernsthaft ins Felde führt, der Film verstoße gegen die Kardinal-Regel von Romeo-und-Julia-Verfilmungen, dass der Romeo (gespielt von Douglas Booth) »niemals hübscher sein dürfe als die Julia« (Hailee Steinfeld). Das meint auch Justin Chang (Variety). Shame on you, guys. Mit solch oberflächlichen, irrelevanten Bemerkungen wollt ihr eure tiefgründige Kritik untermauern, die neumodische Verfilmung aus 2013 werde dem großen Shakespeare nicht gerecht? Pah. Über solchen Sexismus hätte Shakespeare seine verkokste Nase gerümpft.

Fazit zu Romeo und Julia

Nun, welcher der drei Filme ist denn nun der Beste?

Wie gesagt, Baz Luhrmanns Romeo + Julia (1996) läuft außer Konkurrenz. Das Ding funktioniert als eigenwilliges Kind seiner Zeit, den videoästhetisch trashigen 90er Jahren. Romeo und Julia aus dem Jahr 2013 ist bei aller Kritik ein Augenschmaus, ein wirklich schöner Film, dessen Soundtrack mir persönlich sehr gefällt (Filmkritikerin Susan Wloszczyna hingegen gar nicht, »Fahrstuhl-Musik«). Was ich an der Tonspur auszusetzen hätte: dass Romeo in der deutschen Synchronisation wie Bart Simpson klingt. Macht das Reinfühlen in die Romanze ein kleines bisschen unmöglich. Dann doch lieber auf Englisch schauen, nix verstehen und einfach die schönen Bilder genießen.

Absoluter Favorit in Sachen großartiger Adaption ist und bleibt Romeo und Julia (1968). Der Film ist grandios gespielt von allen Beteiligten, mit jeder Menge Temperament und Humor. Das gegenseitige Anhimmeln der jungen Liebenden ist so übertrieben wie glaubwürdig. Wenn Romeo (Leonard Whiting) den Baum zu Julias Balkon hochklettert oder im nebligen Morgengrauen freudig springend durch Wald und Wiese rennt, dann strahlt die Figur ein jugendliches Verliebtsein aus, an dass Leonardo DiCaprio und Douglas Booth nicht herankommen. Auch Olivia Hussey spielt die Rolle der Julia so vielseitig, dass sie weit mehr ist, als ein begehrenswertes love interest. Hussey schmachtet und schwärmt und scherzt und schimpft und schluchzt und reißt die Zuschauer*innen in jeder ihrer Emotionen mit. Chapeau!

Sterben im Staub · Liebe statt Krieg

Besonders stark ist auch die Schwertkampf-Szene rund um Mercutio, Tybalt und Romeo auf den leergefegten, glühenden Plätzen Veronas. Voller Spannung und Witz inszeniert, wandelt sich ein anfangs harmloses Duell zu einem packenden Kampf um Leben und Tod. Mit wilden Schlägen und Wälzen im Staub, unschön, aber umso echter. Dagegen können DiCaprios tränenreicher Schuss und das bisschen Schwert-Kling-Kling der 2013er-Verfilmung einpacken. Als Erzähler in der italienischen Fassung ist übrigens Vittorio Gassman zu hören, bekannt aus: Il sorpasso / Verliebt in scharfe Kurven.

Romeo und Julia als junge Verliebte, die sich trotz ihrer verfeindeten Familien in die Arme fallen – das kann man übrigens auch in der Adaption von 1968 als Kinder ihrer Zeit beschreiben. Sie funktionierten prima als Identifikationsfiguren für die 68er-Generation, die nichts mit den Kriegen ihrer Eltern am Hut haben wollte. Make love, not war.


Weitere Filme über Liebe (und andere Katastrophen):

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Kreative Kinder an der Kamera | Sonias Rückblick zum Bundes.Festival.Film. http://www.blogvombleiben.de/kreative-kinder-an-der-kamera/ http://www.blogvombleiben.de/kreative-kinder-an-der-kamera/#respond Mon, 02 Jul 2018 06:35:58 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=4155 Das 31. Bundes.Film.Festival ist vorbei. Doch nicht traurig sein, das nächste kommt bestimmt! Hier gibt’s einen…

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Das 31. Bundes.Film.Festival ist vorbei. Doch nicht traurig sein, das nächste kommt bestimmt! Hier gibt’s einen kleinen Rückblick zu den Highlights der kleinen Stars auf großer Leinwand und hinter den Kameras: Was haben uns kreative Kinder für besondere Filme beschert?

Vorweg: Hier ein Gesamt-Rückblick zu Tag 1 und Tag 2 des diesjährigen Bundes.Festival.Film. in Hildesheim.

Festivalperlen aus Kinderhand

Oma und Hund (gebastelt aus Knete) laufen die Straße entlang, dazu der Text: Kreative Kinder an der Kamera | Bildrechte: Ferdinand und Fanny Maurer

Geschwisterliebe bis zum Mond

Ein Attribut, das man Kindern gerne zuschreibt, ist die unerschrockene Direktheit, mit der sie Dinge beim Namen nennen. Oder andersrum: wortwörtlich verstehen. Mit diesem Spirit ist auch der 8-jährige Gaetano Romagnoli (Sohn des Kölner Filmemachers Marco Romagnoli) an seinen bereits zweiten Film herangegangen. In seinem Film, der in dokumentarischer Weise seine beiden Geschwister begleitet, geht es um des Bruders Versuch, seine Schwester auf den Mond zu schießen.

Doch wie kann das am besten gelingen? Aus dem Off kommentiert Gaetano die Ideen seines jüngeren Bruders. Und dieser lässt sich so einiges einfallen, um seine Schwester loszuwerden. Denn beim Essen genervt zu werden, das mag er nicht. So verfolgt die Kamera, welche in der Hand von Gaetona sicher liegt, wie sein Bruder aus einem Gugelhupf-Pappeimer einen Astronautenhelm mit zwei Gucklöchern bastelt. Der passt zwar seiner kleinen Schwester, aber bringt sie noch nicht zum Mond. Doch sein Bruder bleibt hartnäckig. Im Kaufhaus ergibt sich die nächste Gelegenheit. So steigen die beiden Kinder in den Aufzug. Ob der wohl zum Mond fährt?

Hier gibt’s weitere Infos zum Projekt sowie einen Filmausschnitt.

Obwohl die Story visuell und kameratechnisch aus der Perspektive von Regisseur und Kameramann Geatano erzählt wird, versetzt dieser sich in seinen Bruder und schlüpft im Off in seine Haut. Dies ist bemerkenswert, da Kinder mit 8 Jahren kognitiv erst am Anfang stehen, andere Perspektiven einzunehmen. Womöglich dürfte die Einbindung seiner Schwester den Zugang zu der Gedankenwelt seines Bruders erleichtert haben. Ab zum Mond ist ein Kinderfilm, der sowohl kameratechnisch als auch storymäßig die Perspektive eines jungen Bruders einnimmt und die Beziehung zwischen Geschwistern authentisch und spielerisch einfängt. An dieser Stelle: Herzlichen Glückwunsch, Gaetano zum Hauptpreis in der Altersgruppe A (bis 10 Jahre) und den tollen Film!

Pizza gut, Advent gut

Ein Weihnachtsmann rattert mit einem Schlitten den Asphalt entlang. Seine Mission: Den Schulkindern eine Advents-Überraschung in den Schulranzen zu legen. Doch plötzlich wird er selbst Opfer einer Überraschung. Jemand hat doch tatsächlich seine Geschenke gestohlen. Zack wird die Polizei und auch fündig. Nach so viel Advents-Überraschung muss eine Versöhnungspizza her.

Der Kurzfilm Advent-Überraschung ist das Werk der 7- 8-jährigen Eric Hendrich, Anton Kleinhanß und Julius Kleinhanß. Die zackigen Dialoge zwischen Weihnachtsmann, Polizist und Schurke, die Animationen des flotten Schlittens und die klassische Story eines Raubüberfalls mit Pizza-End sind für die Jury des Bundes.Film.Festival Grund genug, den Film in der Altersgruppe A (bis 10 Jahre) auszuzeichnen. Ich kann dem nur beipflichten, zumal die Nägel-mit-Köpfen-Mentalität der Protagonisten und die schlichte Auflösung des Konflikts die Wahrnehmung von Kindern authentisch widerspiegelt und die Regie in Kinderhand behalten wurde.

Für weitere Infos zum Projekt und einen Filmausschnitt einfach hier entlang.

Bemerkenswert war auch der Auftritt der jungen Filmemacher auf dem Bundes.Festival.Film., bei dem nach jeder Filmvorführungen die Kreativen hinter den Projekten zum Gespräch auf die Bühne treten. Dort standen die Jungs nicht nur gekonnt Rede und Antwort, sie drehten den Spieß sogar um und richteten Fragen ans Publikum: »Was glaubt ihr wohl, aus wie vielen Einzelbildern dieser Stop-Motion-Film entstanden ist?« Etwas waren über 1.300!

Welche Story wird erzählt?

Etwas düsterer geht es in dem Kurzfilm Hypothetic Crimestory von Rasmus Dankert und Simon Kleefuss (15 Jahre) zu (weniger kreative Kinder als bereits gestandene Jungfilmemacher!). Die Zuschauer*innen befindet sich an einem Tatort. Zwei Jungen gehen diesem auf den Grund. Und das Opfer schreibt darüber.

Die Filmemacher liefern in knapp 9 Minuten eine spannende und angespannte Story, ganz im Stile des Krimigenres. Getunkt in bläulicher Farbgebung und mit geschmeidigen Kameraschwenks wird die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven und Zeitsträngen erzählt. Oder doch nur aus einer? Das Gedankenspiel ist den Filmemachern visuell und dramaturgisch so gut gelungen, dass sie sich eine Auszeichnung in der Altersgruppe B (11-15 Jahre) verdient haben. Weiter so!

Hier gibt’s weitere Infos zum Projekt sowie einen Filmauschnitt.

Meerjungfrau frisch vom Baum

Mit so einem Titel kriegt man mich. Hauptsache verrückt, Nonsense, Hauptsache irgendwie unlogisch. Das sind die Vorzüge meines Kopfes, weshalb Mathe mich mal plusweise kann. Der Kurzfilm der Feriengruppe Kind & Werk e.V.  mit Sonja Wessel von der Medienwerkstatt sprudelt nur so von kindlichem Spieltrieb und Fantasie. Im zauberhaften Scherenschnitt-Stil, inspiriert von Silhouetten-Animationsfilmerin Lotte Reiniger (1899-1981), kreierten kreative Kinder im Alter zwischen 8 und 13 Jahren einen visuell wie erzähltechnisch wunderlichen Film.

Einige Hintergrundinfos samt Filmausschnitt gibt es auf der Website des Deutschen Jugendfilmpreises.

Das Besondere: Vom Papier, das geschöpft, die Figuren, die gemalt und ausgeschnitten, die Bewegtbilder, die in über 1.500 Einzelbildern festgehalten, eigenständig animiert, mit Kinderstimmen eingesprochen wurden  bis hin zur Geschichte, die sie zu einem bunten Kosmos verschmolzen haben, schafften die Kinder alles gemeinsam. Mit leichter Unterstützung von Sonia Wessel. Das verdient den Team-Award. Für mich der Film, der beim Bundes.Film.Festival. am stärksten die Fantasie anregte. Danke für diese Reise und die vielen Lacher. Ich bin schon sehr gespannt auf weitere Werke und grüße den Krakensprecher.

Der Törtchendieb: Kreative Kinder mit Knete!

Was haben wir gelacht, als die Knetoma mit ihrem Hund einen Berg Törtchen verschlingt, sich neue besorgt und kurzerhand um eben diese beraubt wird. So geht es in der Stop-Motion-Animation chaotisch zu: Raub im Törtchenladen, witzige Knetfiguren in einer Pappstadtkulisse und eine hysterische Verfolgungsjagd. Damit treffen Ferdinand (14) und seine Schwester Fanny (13) – zwei ganz besonders kreative Kinder! – beim kindlichen und dem Jury-Humor voll ins Schwarze. Und am Ende haben die beiden Filmemacher für Groß und Klein eine süße Überraschung. Bitte mehr davon! Der Film wurde sogar in zwei Kategorien ausgezeichnet und gewann in seiner Altersklasse den Hauptpreis, herzlichen Glückwunsch!

Hier gibt’s auch zu diesem wunderbaren Film weitere Infos und einen Filmausschnitt.


Mehr zum Thema:

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31. Bundes.Festival.Film. in Hildesheim | Rückblick, Tag 1 http://www.blogvombleiben.de/bundesfestivalfilm-2018-tag-1/ http://www.blogvombleiben.de/bundesfestivalfilm-2018-tag-1/#comments Tue, 26 Jun 2018 07:27:46 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3974 Wenn sich Jesus und kranke Sadisten das Rampenlicht teilen, dann lohnt sich der Blick auf die…

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Wenn sich Jesus und kranke Sadisten das Rampenlicht teilen, dann lohnt sich der Blick auf die Bühne. Und auf die Leinwand, natürlich, auf der sich Rapperinnen anranzen und kleine Möchtegern-Astronauten zum Mond schießen wollen. Bunt ging’s zu beim 31. Bundes.Festival.Film. in Hildesheim. 38 Filme an einem Wochenende voller Eindrücke und Begegnungen – hier ein Rückblick zur Sause rund um den Thega Filmpalast.

Auftakt zum 31. Bundes.Festival.Film.

Der Veranstaltungsort hätte nicht besser gewählt sein können. Damit ist erstmal Hildesheim selbst gemeint. Die Gastgeberstadt des 31. Bundes.Festival.Film punktet zwar nicht mit einer 1A-Lage (aus Richtung Aachen von der A2 runter, darf man noch ne knappe Stunde durch die Pampa gurken, geil), aber ist man einmal da, ist alles nah. Der Thega Filmpalast als Hauptschauplatz des Festivals liegt in Sichtweite zu dem Hotel, das alle Filmemacher*innen beherbergte – und fußläufig zu den Locations, in denen sich eine spannende Panel-Diskussion und eine gebührende Aftershow-Party abspielten, nach der Preisverleihung am Samstagabend. Doch der Reihe nach.

Die Schauspieler Langston Uibel und Maja-Celiné Probst in dem lange nachwirkenden Kurzfilm Liebesstreifen, gezeigt auf dem Bundes.Festival.Film. | Bild: Liebesstreifen/Wendefilmkollektiv
Die Schauspieler Langston Uibel und Maja-Celiné Probst in dem Kurzfilm Liebesstreifen. | Bild: Wendefilmkollektiv

Hier geht’s zur Geschichte des Deutschen Jugendfilmpreises, der seit 1988 (unter wechselndem Namen) alljährlich auf dem Bundes.Festival.Film verliehen wird.

Hier geht’s zu einem Beitrag über die Jury zum Deutschen Jugendfilmpreis und über die Gastgeberstadt.

Los ging’s am Freitagnachmittag mit einem ersten Filmblock, der inhaltlich schon bestens auf die Bandbreite des Bundes.Festival.Film einstimmte. In anderthalb Stunden gab es fünf kurze Filme zu sehen, je gefolgt von Gesprächen mit den kreativen Köpfen hinter den Projekten. Mit dabei: jung und alt, Jungen, Mädchen, Laien und Semi-Profis, Freunde, Familien und Filmnerds natürlich. Nach der Jurysitzung im März, bei der wir fünf Juror*innen noch ob mancher Hintergrund-Geschichten zu den eingereichten Filmen rätselten, war es großartig, die Gesichter zu gesichteten Werken kennenzulernen.

Filmblock 1: Unsichtbare Schüler und große Kunst

Ein Streich mit Folgen | Wenn Schüler*innen Unfug machen, kann das Ärger geben. Oder es kommt ein richtig cooler Film dabei rum. Highlight dieses heiteren Streifens ist der Auftritt eines verschollenen Schülers, der einst mit Chemikalien einen Streichen spielen wollte… | 8.47 Minuten, von Schüler*innen (14-15 Jahre) der Albert-Schweitzer-Schule in Denkendorf, Baden-Württemberg.

Vielleicht | Ein Videoslam aus der Generation Y, die für ihr Faible fürs »maybe« bekannt ist. Aber macht der Hang, die Entscheidung vor sich her zu schieben, das Leben wirklich leichter? | 2.49 Minuten, von Designerin und »GIF-Girl« Hanna Viellehner (hier ihr Online-Portfolio), zusammen mit Sophia Stöhr und Lena Schell (20-24 Jahre) aus Oberbergkirchen, Bayern.

Ricardo Porro – Der Salto Mortale | Das Porträt eines Mannes namens Ricardo Porro, der als junger Architekt in Kuba erst ein, zwei, drei Häuser entworfen hat. Dann gab Fidel Castro ihm den Auftrag, Kunstschulen für Havanna zu entwerfen. Das Mammutprojekt, das Porro als seinen »Salto Mortale« bezeichnet, schildert dieser Dokumentarfilm. | 19.38 Minuten, von Roberto Santana (61) aus Erfurt, Thüringen. Hier gibt’s weitere Infos + einen Filmausschnitt.

Dieter Rupp als melancholischer Träumer

Ein Mann, der vom Fliegen träumt | In Bildern, die an Federico Fellinis traumwandlerischen Szenen aus Achteinhalb (1963) erinnern, erzählt dieser wortkarge Kurzfilm von einem Mann, der einen Traum verfolgt. In der Hauptrolle: der Schauspieler Dieter Rupp (Frohzusein, Jenes innere Wesen). | 11.48 Minuten, von Pascal Rosengardt (19) aus Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Angst vor | Bei einem Spaziergang bleibt der Hund plötzlich stehen – oder sitzen, vielmehr. Und er bewegt sich nicht mehr vom Fleck, obwohl es um ihn und sein ratloses Herrchen herum langsam Nacht wird. | 4.13 Minuten, von Welf Reinhart (22) aus Kassel, Hessen. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Mit seinen 61 Jahren war der Filmemacher Roberto Santana nicht für den Deutschen Jugendfilmpreis nominiert, sondern den Deutschen Generationenfilmpreis. Dieser wurde 1998 gegründet und richtet sich an Filmemacher*innen bis 25 Jahre, die sich inhaltlich mit dem Thema Alter(n) auseinandersetzen – sowie an Filmemacher*innen über 50 Jahre. Auch gemeinsame Projekte beider Altersklassen sind zugelassen und werden in der Preiskategorie »Generationenübergreifend« gewürdigt. Dazu gehörte etwa Angst vor des 22-jährigen Welf Reinhart.

Der Deutsche Generationenfilmpreis

Die Jury für den Deutschen Generationenfilmpreis setzte sich in diesem Jahr zusammen aus: Sarah Kuschel (Kulturwissenschaftlerin an der Uni Hildesheim), Phan Thieu Hoa Nguyen (Studentin der Kulturwissenschaft und ästhetischen Praxis, ebenfalls in Hildesheim), Ben Scharf (Drehbuchautor aus Berlin), Paul Scholten (ehemaliger Wettbewerbsteilnehmer aus Pforzheim) und Claudia Telschow (Bund Deutscher Film-Autoren, Filmfestival FILMthuer, aus Jena). Dieser Jury wohnte ich nicht bei, womit ich im Rahmen des diesjährigen Programms des Bundes.Festival.Film. einige starke Filme selbst erstmals zu sehen bekam.

Filmblock 2: Dem Vater so nah, der Heimat so fern

Hypothetic Crimestory | Im Look & Feel der BBC-Serie Sherlock Holmes wickelt dieser Kurzfilm ein Verbrechen von hinten auf. Dabei spielt er gekonnt mit Zeit- und Erzählebenen, so dass am Ende die Frage offen bleibt: Wessen Geschichte wurde hier eigentlich erzählt? | 5.40 Minuten, von Rasmus Dankert (15) aus Rheinbach, Nordrhein-Westfalen. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Meerjungfrau frisch vom Baum | In farbenfrohen Scherenschnitt-Bildern geht es in diesem Märchen um das Schicksal einer Meerjungfrau, die von zwielichtigen Forschern entführt wird. Dabei werden alle menschlichen, tierischen und fantastischen Rollen von den Kindern (8-13 Jahre) gesprochen, die dieses Projekt umgesetzt haben | 5.24 Minuten, von der Feriengruppe Kind & Werk e.V. / angeleitet durch Sonja Wessel aus Weilheim, Bayern. Hier geht’s zur Website der Medienwirkstatt von Sonja Wessel.

Babam | Ein Filmemacher-Sohn porträtiert seinen Fischhändler-Vater und geht dabei so nah ran, wie möglich. Dieser bemerkenswert persönliche Dokumentarfilm hat es auch ins Programm 2018 der Werkstatt der Jungen Filmszene in Wiesbaden geschafft. | 29.31 Minuten, von Cemil Sorgun (25) aus Berlin. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Schönheit und Schrecken auf dem Bundes.Festival.Film.

Wie die Weltrettung zur Welt kam | In verrückten Episoden, die sich Culture Clash und damit einhergehende Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit zum Thema machen, lässt dieser Film eine albanisch-arabische Hochzeit entgleisen – und findet doch zu einem schönen Ende. | 15 Minuten, von dieWeltrettung.org (19-25 Jahre) aus Drochtersen-Hüll, Niedersachsen.

Detailverliebt | Ein Film in Blau und Gelb und voller schöner Einfälle. Es geht um zwei junge Menschen der digital-vernetzten Gegenwart, die sich im Real Life begegnen – mit amüsanten Folgen. | 12.50 Minuten, von Joschua Keßler (22) aus Darmstadt, Hessen. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Zwischen den Fronten | Wie die Flucht aus Syrien vor die Küste Lybiens führt. Erzählt in beeindruckend durchdachten und animierten Bildern, die trotz ihrer Schönheit den Schrecken vermitteln. | 7.33 Minuten, von Nora Johanna Brockamp (22) aus Ludwigsburg, Baden-Württemberg. Dieser Film ist bei Amazon verfügbar.

Moderiert wurde das Bundes.Festival.Film. übrigens, wie schon im vergangenen Jahr, von Filmemacherin Lena Liberta. Selbst gelernte Regisseurin, konnte sie den Filmemacher*innen auf der Bühne auf Augenhöhe begegnen und hat immer wieder ihren Blick für Details der Kameraarbeit oder Erzählweise miteinfließen lassen – ein echter Mehrwert für die Gespräche zwischen den Filmbeiträgen beim Bundes.Festival.Film.

Filmblock 3: Aufs Maul

Blaue Flecken | Hamburg in Schwarzweiß, zwei Rapperinnen unterwegs. Wir folgen Ella und Dahlia durch einen Tag mit Höhen und Tiefen, eingerahmt von den intimen Momenten der Ideenfindung. Ella ist es, die sich am blanken Blatt Papier abarbeitet und versucht, Zeilen von Bedeutung niederzuschreiben. Dahlia hingegen denkt eher ans Feiern – das kann auf Dauer nicht gut gehen, zwischen den beiden. | 16.38 Minuten, von Martin-Oliver Czaja (24) aus Bremen, aktiv auf Facebook und Vimeo | Hier gibt’s weitere Infos zum Film, sowie einen Teaser zu Blaue Flecken

Fair teilen. Fair kochen. Lokale Rebellen gegen Lebensmittelverschwendung | Ein liebevoll gemachtes Porträt der »Offenbacher Küche«. Dieses Projekt setzt sich für Alternativen gegen das massenhafte Wegwerfen von Lebensmitteln ein. | 9.20 Minuten, von der Video-Gruppe 55+ im Mehrgenerationenhaus des KJK Sandgasse, Offenbach am Main. Weitere Infos + Filmausschnitt.

Ein Thema, viele Herangehensweisen

Borderline | Eine technisch gesehen beeindruckende Plansequenz. Über 6 Minuten lang folgt die Kamera dem scheinbaren Waldspaziergang von ein paar Deutschen. Bloß, dass es kein Spaziergang ist… ein weiterer, anderer, streitbarer Film über Flüchtlinge in Europa. | 6.09 Minuten, von Pascal Fenkart (23) aus Offenburg, Baden-Württemberg. Hier ein Filmauschnitt inklusive dem kontroversen Ende.

Tage des Meeres | Und wieder ein politischer Film zum Thema Flüchtling, und wieder ganz anders. Eine Collage aus kunstvoll arrangierten Bildern, Home-Video-Aufnahmen aus der Nachbarschaften und realen Mitschnitten aus Nachrichten, alles in grober Auflösung gehalten. Unscharf, so wie die Situation eben ist, bleibt dieser Experimentalfilm. Am Ende baden wir in demselben Wasser, in dem unsere Mitmenschen ertrinken. | 4.44 Minuten, von Jan & Eva Walentek (72, 69) aus Winnenden, Baden-Württemberg. Hier geht’s zu einem Interview mit Jan Walentek, der beim Bundes.Festival.Film. mit seinen Beiträgen ein Stammgast ist.

Liebesstreifen | Die einfühlsame Geschichte zweier Liebender, die sich nicht lieben können. Sie versuchen es, an einem idyllischen Sommertag im Grünen – doch irgendetwas Unaussprechliches steht zwischen ihnen. Für mich eines der Highlights des Bundes.Festival.Film., dieser so leise, so intime, so wunderschöne Film. | 12.31 Minuten, von Adrian Schwartz (23) aus Offenburg, Baden-Württemberg. Hier geht’s zur Facebook-Seite des Wendefilmkollektivs, dem Adrian Schwartz angehört.

Der Messias und die Motorrad-Gang

Das Abendmahl | Jesus als Anführer einer Motorrad-Gang mit einem Rudel wirklich eindrucksvoller Aposteln. Diese Neuverfilmung des Neuen Testaments hätt‘ ich mir auch drei Stunden lang angesehen. Grandios in Szene gesetzt, diese krassen Charaktertypen vor der Kamera! | 13.41 Minuten, von Harald & Steven Takke (22) aus Frankfurt am Main, Hessen. Hier geht’s zum YouTube-Kanal der TAKKE TWINS, zwei Typen, die man sich merken kann.

Sommerhaus | Zu guter Letzt noch ’n bissel Kunstblut und Sadismus. Schön als Abschluss des ersten Tages vom Bundes.Festival.Film., wenn alle Kiddis schon zurück im Hotel sind: Ein junger Mann im abgelegenen Sommerhaus, allein, bis ein Zweiter angekrochen kommt. Wortwörtlich. Der eine Mann gibt dem Ankömmling etwas zu trinken und einen Schlafplatz. Der andere Mann übernimmt als Gegenleistung ein paar Aufgaben rund ums Haus – ein Hin und Her, das ruckzuck ausartet. | 10.52 Minuten, von Niklas Kielmann (18) aus Kiel, Schleswig Holstein. Hier ist das Ding:

Zum zweiten Tag und der Preisverleihung des Bundes.Festival.Film. gibt es in Kürze mehr.

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JURASSIC WORLD: Das gefallene Königreich | Film 2018 | Kritik, Review http://www.blogvombleiben.de/film-jurassic-world-das-gefallene-koenigreich-2018/ http://www.blogvombleiben.de/film-jurassic-world-das-gefallene-koenigreich-2018/#respond Mon, 25 Jun 2018 05:00:58 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3947 Film-Franchises gibt es ja ungefähr seit den Dinosauriern. Oder zumindest den Riesenaffen. Mit King Kong und…

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Film-Franchises gibt es ja ungefähr seit den Dinosauriern. Oder zumindest den Riesenaffen. Mit King Kong und die weiße Frau wurde bereits 1933 der erste Film einer Reihe geschaffen, die just im vergangenen Jahr ihre x-te Fortsetzung fand. Darin tauchten auch immer mal wieder Dinosaurier auf, seit Jurassic Park III (2001) ein schwacher Trost für alle Liebhaber der ledrigen Riesenviecher. Oder waren sie gefiedert? Na, so wissenschaftlich genau muss ein Dino-Kino-Franchise nicht sein – Hauptsache, es lässt’s krachen! Und so freuen wir uns gigantisch über Jurassic World: Das gefallene Königreich, den zweiten Teil der neuen Trilogie, mit der die Urviecher 2015 endlich wieder aus der Versenkung geholt wurden.

Mit Raptoren auf Spatzen schießen

 

Die Schauspieler Ted Levine und Daniella Pineda, Standbilder aus Jurassic World: Das gefallene Königreich | Bild: Universal Pictures

 

Totale: Jurassic World: Das gefallene Königreich im Zusammenhang

Cineastischer Zusammenhang

Nach den ersten 3 Filmen – Jurassic Park (1993), Vergessene Welt: Jurassic Park (1997) und Jurassic Park III (2001) – wurde es lange still um die Dino-Filmreihe. Ganze 7 Godzilla-Filme erblickten seit 2001 weltweit das Licht der Kinosäle (oder landeten direkt im DVD-Regal). Auch ansonsten wurden die ehrwürdigen Urtiere eher für schändliche filmische Zwecke wiedererweckt. Als da wären: Dinocroc vs. Supergator (2010) oder Age of Dinosaurs – Terror in L.A. (2013, von Joseph J. Lawson, auch bekannt für Nazi Sky – Rückkehr des Bösen!).

Nun hätte, ehrlich gesagt, ein Jurassic Park 4 (wie er lange im Gespräch war) nicht weniger trashig geklungen. Die Zahl 4 ist schlichtweg nicht sexy. Welche Filmreihe liebt man denn bitte für ihren Teil 4? Die 3 trifft bei uns Menschen einen Nerv, vom flotten Dreier bis zu allen (anderen) sprichwörtlich guten Dingen. Aber die 4 suggeriert den Abstieg in die Belanglosigkeit. Das erklärt auch die Unbeliebtheit vieler Politiker. Legislaturperioden von 4 Jahren sind einfach eines zu lang…

Schockierender Hinweis (um den Teil-4-Trash-Faktor nochmal zu unterstreichen): Für Jurassic Park 4 wurden zeitweise Mensch-Dino-Hybride in Erwägung gezogen. Wesen also, die halb Homo Sapiens, halb Tyranno Saurus Sonstwas sind. Davon haben wir doch nun wahrlich genug…

Trilogien hingegen sind sexy – und wie! Nachdem die Planung für Jurassic Park 4 nach dem Tod des Drehbuch- und Romanautors Michael Crichton im Jahr 2008 auf Eis gelegt wurden, besinnten sich auch die Jurassic-Park-Produzenten auf diese altbekannte Gewissheit. Im Januar 2010 hieß es dann, die Vorbereitungen für eine Fortsetzung sollen wieder aufgenommen werden, doch völlig anders als geplant: Teil 4 werde der Beginn einer neuen Trilogie.

Die Puppen-Dinos sind zurück

Nach Jurassic World (2015) wurde das Budget für den neuen Teil 2 nochmal um über 100 Millionen Dollar aufgestockt. Damit konnte neben den CGI-Effektfeuerwerken wieder verstärkt auf state of the arts Puppenspieler und Animatroniker gesetzt werden. Es wurden extra Szenen ins Drehbuch geschrieben, die es ermöglichten, Dinos nur teilweise (siehe: das T-Rex-Weibchen im Fahrzeug-Laderaum) und/oder in langsamen Bewegungen (siehe: die gefesselte, betäubte Velociraptorin) zu zeigen. Diese wurden nicht am Computer animiert, sondern »in echt« gebaut und gesteuert. Für diese Rückbesinnung zu den Wurzeln (Animatronik sorgte schon im allerersten Jurassic Park für die denkwürdigsten Szenen) wird Jurassic World: Das gefallene Königreich gebührend gefeiert.

Auch sonst gibt es nennenswerte Reminiszenzen an die 90er-Jahre Jurassic-Park-Filme. Von verfütterten Ziegen über zerdrückte Geländewagen, fliehende Urviecherherden und Türöffno-Saurus bis hin zu Dino-OPs gibt es einige Motive, die Jurassic-Fans Krokodilstränen der Freude in die Augen treiben.

Persönlicher Zusammenhang

Ich hatte das Vergnügen, Jurassic World: Das gefallene Königreich im OH·KINO in Wrocław (Breslau) zu sehen. Englisches Original mit polnischen Untertiteln und Karamell-Popcorn, yay! Auf dem Roadtrip nach Polen hatten wir zuvor eine Nacht in Dresden verbracht, inklusive Besuch im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr. In der dortigen Dauerausstellung kreuzte – zu unserer Überraschung – ein imposanter Elefant unseren Weg. Lebensgroß, ausgestopft. Er führte eine Parade von Tieren an, die von Menschen über die Jahrhunderte für ihre kriegerischen Zwecke missbraucht wurden. Von Sprengstoffspürhunden und Brieftauben über Schafe, deren traurige Bestimmung es war, Minenfelder zu erschließen. Sogar ein Löwe ist in dem Museum zu sehen, mit der Info, dass sich NS-Mann Hermann Göring einen solchen gehalten hat, auf seinem feudalen Anwesen in Carinhall. Einfach nur, um seine Gäste zu beeindrucken. Da hatte wohl jemand etwas zu kompenisieren…

Dass Jurassic World: Das gefallene Königreich also von Bonzen handelt, die Dinosaurier für Millionenbeträge ersteigern möchten, erscheint absolut logisch und sinnvoll. Manche der grimmig dreinschauenden Herren im Film wollen sicher nur ein fettes Urzeit-Haustier, um ihr zartes Ego zu streicheln. Andere denken (natürlich) an Dinosaurier für militärische Einsätze. Es gibt gar einen Dialog, in dem explizit davon gesprochen wird, dass Menschen im Krieg immer Tiere eingesetzt hätten. Da werden sogar Elefanten genannt! Und das nur 2 Tage, nachdem ich erstmals über Elefanten im Krieg gelernt habe! Das ist die fiese Art des Universums, mir zu sagen: »Na, du kleiner Wurm? Genießt du die Matrix?«

Close-up: Jurassic World: Das gefallene Königreich im Fokus

Erster Eindruck | zum Inhalt des Films

Jurassic World: Das gefallene Königreich beginnt Unterwasser, mit Lichtern eines U-Boots, die sich aus der Dunkelheit abheben. Ebenso, wie die Rahmenhandlung von Titanic (1997) anfängt. Bloß, dass der Tauchgang keinem Schiffswrack gilt, sondern dem Skelett eines Dinosauriers. Doch nicht irgendein Skelett! So wie es in Titanic um das größte Schiff im Jahre 1912 geht, dreht sich die Fortsetzung von Jurassic World zunächst um den furchterregendsten Saurier, der im Jahr 2015 noch gewütet hat. Wir erinnern uns an den epischen Kampf zwischen Tyrannosaurus Rex, ein paar Raptorinnen und besagtem Superlativ-Saurier, dem aus verschiedenen Spezies gezüchteten Hybriden Indominus Rex. Der Kampf endete damit, dass das Mosasaurus-Weibchen (die gut bezahnte Unterwasser-Echse, Rex Machina) aus ihrem Becken sprang und Indominus Rex mit zu sich in die Tiefe riss.

Dort unten also sägt nun – 3 Jahre nach dem Untergang von Jurassic World – ein U-Boot mit zwielichtigen Männern an dem Indominus-Skelett herum, um einen Knochen zu bergen. Dieser Knochen ist für die Männer ungefähr so wertvoll, wie das »Herz des Ozeans« für die ihrerseits zwielichtigen Wrack-Plünderer in Titanic. Nur dass Letztere halt in Ruhe den Tresor an die Oberfläche hieven können, während Erstere im Mosasaurus-Becken die Bekanntschaft von Mosasaurus machen. Blöder Zufall, bei so einem großen Becken…

Was hat Mosasaurus die 3 Jahre seit dem letzten Film gefressen, um in ihrem Becken nicht zu verrecken? Achtung, Achtung! Wer so früh mit Logikfragen anfängt, wird in Jurassic World: Das gefallene Königreich Kopfschmerzen kriegen. Stattdessen lieber zurücklehnen, entspannen und die Dino-Action genießen. Über 2 Stunden lang gibt’s die volle Dröhnung, ab dem Vulkanausbruch sogar ziemlich pausenlos: Auf der Insel, Unterwasser, im Schiffsbauch, Keller, Kinderzimmer, auf Dächern und in Käfigen. Neben den üblichen Verdächtigen unter den Dinos natürlich auch wieder mit einem neu gezüchteten Hybrid-Horror-Viech, das die Saurier-Sause erst so richtig in Schwung bringt!

Bleibender Eindruck | zur Wirkung des Films

Ich hab’s genossen, keine Frage. Jurassic World: Das gefallene Königreich ist ein Action-geladenes Dino-Spektakel mit ordentlich Schauwerten. Tatsächlich hätte ich mir gar etwas weniger Action gewünscht. Nur einmal stapft ein Brachiosaurus gemächlich durchs Bild. Diesem schönen Tier und seinen herbivoren Homies ein Weilchen beim Grasen zuschauen, das wär auch schön gewesen. Stattdessen konzentriert sich Jurassic World: Das gefallene Königreich auf die Idee vom »Dino als Kriegswaffe«. Das nimmt teilweise wirklich bescheuerte Züge an.

Es gibt eine Szene, in der ein Auktionär (verkörpert von Schauspieler Toby Jones) seinem vor Geld stinkenden Publikum vorführen will, wie übelst krass der genmodifizierte Hybrid-Dino namens Indoraptor im Käfig neben ihm drauf ist. Dazu richtet der Auktionär ein Gewehr auf einen Mann im Publikum. Als der rote Laserpunkt der Zielvorrichtung auf der Brust des (jetzt nervösen) Mannes flackert, drückt der Auktionär einen bestimmten Knopf am Gewehr. Sofort rastet der Indoraptor in Richtung des nervösen Mannes aus – nur der Käfig hält den Dino davon ab, den Mann zu zerfetzen.

Wann wird’s wissenschaftlicher?

Das soll also effiziente Kriegsführung sein? Mit einer Waffe auf einen Mann zielen, um dann per Knopfdruck einen wütenden Dino auf diesen Mann loszulassen? Um den Mann zu töten, oder was? Und dazu hätte man nicht einfach den guten alten Abzug neben dem fancy Dino-Knopf betätigen können!? »Raptoren auf Menschen loslassen« ist Hollywoods Pendant zu »mit Kanonen auf Spatzen schießen«. Immerhin: Wesentlich bildgewaltiger, als die Spatzen-Variante.

Übrigens hat Colin Trevorrow, Drehbuchautor der beiden Jurassic-World-Filme angekündigt, im dritten Teil werde man sich wieder auf reale Dinosaurier konzentrieren, ohne die genmodifizierten Neuschöpfungen. Jurassic World 3 soll tatsächlich ein »science thriller« werden. Zur Erinnerung daran, wie weit die Dinos in Jurassic World nach heutigem Kenntnisstand von ihren urtümlichen Vorfahren entfernt sind: In Münster gibt es seit 2014 das erste befiederte Velociraptor-Modell in Deutschland zu sehen. Schaut dezent anders aus, als die coole Raptorin Blue:

Die Post-Credit-Szene nach dem Abspann

Apropos Teil 3: Nach dem Abspann lieferte Jurassic World: Das gefallene Königreich noch ein Schmankerl für alle Kinobesucher*innen, die bis zum Ende sitzen geblieben sind und gewissenhaft die Namen aller Beteiligten durchgelesen haben. Fun Fact: Ich heiße David, weil meine Eltern solche Leute sind, die sich Filmcredits durchlesen. Um 1989 herum dachten sie dabei eines schönen Filmabends: »Hey, David, der Name ist gut.« Ich persönlich hoffe ja, es war David Fincher.

NACH DEM ABSPANN jedenfalls gibt es noch ein letztes Bild von ein paar Pteranodons, die um das Eiffelturm-Dublikat in Las Vegas kreisen.

Eine globale Plage?

Denn: Die Dinos sind am Filmende ja ausgebüxt, alle miteinander. Und jetzt streunen sie frei durch die Welt. Die Flugsaurier an Amerikas Eiffelturm zu zeigen ist eine schönes Sinnbild für diese Dino-Klone, die ja ihrerseits »nachgemacht« sind von den urzeitlichen »Originalen«. Gleichzeitig stellt der Eiffelturm ein Symbol für Europa dar und eröffnet damit neue Dimensionen. Die Dinos haben nicht nur ihre Insel verlassen, nein, sie könnten auch den Kontinent verlassen. Jurassic WORLD eben.

Sehr, sehr coole Vorstellung. Den Film möchte ich gerne sehen. Es gibt sogar schon einen Starttermin. Am 11. Juni 2021 kommt Jurassic World 3 in die Kinos. Einfach schonmal freihalten. ABER: Ich hoffe sehr, die Macher*innen finden für die weltweite Ausbreitung der Dinos eine glaubwürdige Erklärung. Denn ein paar Dutzend große Echsen einzufangen, die im weiteren Umkreis der Villa rumlaufen, aus der sie entflohen sind, das sollte mit heutigen Mitteln doch zu händeln sein? Für den glaubwürdigen Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation braucht es bitteschön ein bisschen mehr, als die Szene von einer Velicoraptorin, die sich ihren Weg durch eine City beißt.

Fazit zu Jurassic World: Das gefallene Königreich

Ach, das war ein großer Spaß! Die Spannung ist natürlich mäßig, weil man nie wirklich damit rechnen muss, dass die Dinos das kleine Mädchen zerreißen. Wann immer die junge Schauspielerin Isabella Sermon um ihr Leben bangt, können sich die Zuschauer*innen entspannt zurücklehnen: Ist immer noch Jurassic World, nicht Game Of Thrones. Hier ist die Welt noch in Ordnung, Dinos hin oder her. Abgesehen davon, dass sich Jurassic World: Das gefallene Königreich im Vergleich zum ersten Teil der neuen Trilogie zwar Mühe gibt, erneuten Sexismus-Vorwürfen auszuweichen, dies aber nur bedingt gelingt. Die weibliche Hauptrolle Claire Dearing (gespielt von Bryce Dallas Howard) bleibt im Schatten von Chris Pratt und dort trotz anderen Schuhwerks (die Stöckelschuhe aus dem ersten Jurassic World sind gewichen) eher im ständigen Opfer/Beute-Modus.

Die Journalistin Anne Cohen (Refinery29) kann tatsächlich nur der Rolle von besagter Isabella Sermon etwas Positives abgewinnen. Ansonsten findet sie erschreckend viele gute Argumente dafür, dass Jurassic World bis dato sexistischer ist, als der erste Jurassic-Park-Film in den 90er Jahren. In diesem Sinne überlasse ich der fiktiven Paläontologin Dr. Ellie Sattler mal das letzte Wort:

Über Sexismus in Überlebenssituationen können wir diskutieren, wenn ich zurück bin. | Ellie Sattler, in: Jurassic Park (1997)


Weitere Filmkritiken:

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Deutscher Jugendfilmpreis 2018 – die Jury und die Gastgeberstadt http://www.blogvombleiben.de/deutscher-jugendfilmpreis-2018-die-jury/ http://www.blogvombleiben.de/deutscher-jugendfilmpreis-2018-die-jury/#respond Wed, 20 Jun 2018 07:06:38 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3923 Anfang dieser Woche bin ich von einer Reise nach Polen heimgekehrt. Verwandte in Jawor besuchen und Jurassic…

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Anfang dieser Woche bin ich von einer Reise nach Polen heimgekehrt. Verwandte in Jawor besuchen und Jurassic World in Breslau anschauen. Schöne Städte, tolle Dinos, prima Reise. Ende der Woche geht’s gleich weiter, Richtung Hildesheim. Auch dort stehen ebenfalls Filme auf dem Programm. Allerdings kürzere Streifen von jüngeren Kreativen, beim Bundes.Festival.Film.! Nach der Sitzung der Jury im März (hier geht’s zum Rückblick) bin ich gespannt, die Köpfe hinter den Projekten kennenzulernen!

Hildesheims Tochter und Filmdeutschlands Nachwuchs

Von Freitag bis Sonntag, 22. bis 24. Juni ist das Bundes-Festival.Film. in Hildesheim zu Gast, und damit zum ersten Mal in Niedersachsen. Zur Umsetzung arbeiten Ministerien, Behörden und Facheinrichtungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zusammen – das hat schon Tradition: Bereits 1988 wurde das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) mit der Durchführung dieses Festivals beauftragt, vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, so die offizielle, etwas zungenbrecherische Abkürzung). Das Bundes.Festival.Film. ist ein Wanderfestival.

Hinter der Idee mit dem Bundes.Festival.Film. an immer neuen Austragungsorten zu gastieren, steckt der Anspruch, dass sich das Festival und die jeweiligen lokalen Veranstaltungspartner gegenseitig mit frischen Impulsen bereichern. | Thomas Hartmann, Festivalleiter / Deutsches Kinder- und Jugendfilmzentrum

Diane Krüger und die Stadt Hildesheim, dazu der Text: Deutscher Jugendfilmpreis, die Jury und die Gastgeberstadt

Impulse für die Weiterentwicklung

Im Auftakt 1988 jedenfalls wurden beeindruckende 350 Videos zu dem Wettbewerb Jugend und Video eingereicht. Ausgetragen wurde das erste Bundesfestival übrigens in Bonn, damals noch Bundeshauptstadt. Hier habe ich mal die Historie zusammengefasst: Deutscher Jugendfilmpreis – wie alles begann

Seither setzt das Festival jährlich Impulse für die Weiterentwicklung der Film- und Medienarbeit in den gastgebenden Regionen und beteiligt die jeweiligen Partner an der inhaltlichen Ausgestaltung und Organisation der Veranstaltung. In der Kulturstadt Hildesheim trifft das Bundes.Festival.Film. auf besonders engagierte Mitveranstalter und Kooperationspartner.

So heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung zum Bundes.Festival.Film., in der auch Dr. Ingo Meyer zitiert wird, stolzer Oberbürgermeister der Gastgeberstadt Hildesheim:

Der Film ist ein zentraler und populärer Bestandteil der Kultur in Hildesheim. Dank der renommierten kulturwissenschaftlichen Studiengänge der Hochschulen gilt Hildesheim als Ideenschmiede und Ausbildungsstätte für Kunst und Kultur.

Im Jahr 2019 soll das Bundes.Festival.Film noch einmal in der Stadt Hildesheim gastieren.

Da, wo die Diane herkommt

Eine berühmte Tochter der Stadt Hildesheim ist übrigens die Schauspielerin Diane Krüger, bekannt aus Meisterwerken wie Inglorious Basterds und Mr. Nobody (beide aus dem Jahr 2009). In Mr. Nobody werden bekanntlich auf grandiose Weise die Zeitebenen aus dem Leben eines Helden (gespielt von Jared Leto) miteinander verstrickt. Wir begleiten ihn als Kind und Mann und Greis, generationsübergreifendes Storytelling, ja ja… hey, apropos Generationen!

Ein weiteres Merkmal des Wanderfestivals ist sein generationsübergreifender Ansatz. Sowohl dem Bundesministerium als auch dem Land Niedersachsen ist dieser Aspekt wichtig. Das Teamwork von jüngeren und älteren Filmemachern werten sie als demokratiebildend und bestens dafür geeignet, eine positive Gesprächskultur unter den Teilnehmenden und Gästen des Festivals zu stiften.

Who is Who – die Jury hinterm Deutschen Jugendfilmpreis

Das ist Pressemitteilungs-Deutsch für: »Hier kommen Jung und Alt ins Gespräch.« Aus Hunderten von Einreichungen schafften es nach Sichtung durch das Vorauswahl-Gremium rund 100 Filme in die Auswahl, die von der 5-köpfigen Jury im März gesichtet und besprochen wurden. Hier mal eine kleine Vorstellungsrunde der Damen und Herren, mit denen ich da vor einigen Monaten im dunklen Kämmerchen über Filme von Kindern und Jugendlichen diskutieren durfte:

Philipp Eichholtz, Stargast und alter Hase: Zum wiederholten Male in der Jury zum Deutschen Jugendfilmpreis am Start, ist Philipp Eichholtz, seinerseits gestandener Regisseur. Sein Film Rückenwind von vorn mit Victoria Schulz eröffnete in diesem Jahr die Perspektive Deutsches Kino auf der Berlinale, andere Werke von ihm (wie der wundervolle Luca tanzt leise mit Martina Schöne-Radunski) laufen bei Netflix und dem Indie Film Netzwerk realeyz. Philipps neuester Film Kim hat einen Penis wird in der Reihe »Neues Deutsches Kino« beim Filmfest München seine Weltpremiere feiern.

Ilona Herbert arbeitet als Redaktionsleiterin in der Jugendfernsehredaktion matz im Medienzentrum München, wenn sie nicht gerade in klösterlicher Abgeschiedenheit in einer Bande Filmenthusiasten Filme suchtet und ihren Senf hinzugibt. Dabei war Ilonas Perspektive bei der Jurysitzung im März stets besonders kenntnisreich: Gerade aus dem süddeutschen Raum hatte sie die jungen Filmemacher*innen, deren Werke wir sichteten, bereits auf dem Schirm und kannte sie von anderen Festivals, bei denen sie ebenfalls mit in der Jury sitzt. Sie ist auch Mitveranstalterin des Münchner Jugendfilmfests flimmern&rauschen.

Verschiedene Blickwinkel

Louis Huwald, das Jury-Küken mit dem Blick fürs Künstlerische. Louis und ich wurden als ehemalige Teilnehmer zur Jurysitzung eingeladen. Mit Grün Blau Gelbe Legosteine räumte Louis noch im Vorjahr (2017) einen der Wettbewerbs-Preise ab. In diesem Jahr entschied der frisch eingeschriebene Student an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf mit, welche Filme 2018 ausgezeichnet werden sollen. Er selbst zeichnete sich dabei durch die Fähigkeit aus, seinen eigenen Geschmack voll in den Hintergrund zu stellen und die ganz eigenen Stärken eines Werks zu bemerken. Als freischaffender Filmeditor und Montage-Student galt sein Blick dabei nicht selten dem Schnitt.

Vera Schöpfer leitet seit 2014 die Junge Akademie für Dokumentarfilm YOUNG DOGS im Dortmunder U. Damit einher geht ein Faible für Dokumentarfilm, das bei der diesjährigen, fiktionslastigen Filmauswahl ein wenig kurz kam. Vergangenes Jahr hat Vera, ihrerseits ehemalige KHM-Studentin und selbst Filmemacherin, die Geschäftsführung im Scope Institute übernommen. Dabei handelt es sich um eine gemeinnützige Bildungseinrichtung für Film und digitale Medien in Köln. Kommendes Wochenende wird Vera aber anderorts unterwegs sein: Sie ist in Hildesheim mit dabei, wenn wir Jury-Mitglieder*innen die Ehre haben, die Filmemacher*innen hinter den Werken persönlich kennenzulernen und auszuzeichnen!

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HAUS DES GELDES mit Alba Flores | Serie, 2017-18 | Kritik, Review http://www.blogvombleiben.de/serie-haus-des-geldes-2017-2018/ http://www.blogvombleiben.de/serie-haus-des-geldes-2017-2018/#respond Fri, 15 Jun 2018 04:00:16 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3893 2018 ist das Jahr der Netflix-Originale. Der Streaming-Dienstleister haut so viele eigene Produktionen raus, dass er…

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2018 ist das Jahr der Netflix-Originale. Der Streaming-Dienstleister haut so viele eigene Produktionen raus, dass er etablierte Studios nervös machen dürfte und seine Nutzer*innen regelrecht überfordert: Alle vier, fünf Tage ein neuer Film und noch sehr viel mehr Serien, wer soll das alles gucken!? Zumal Filme wie Cargo (2018) den Eindruck verstärken, dass da Quantität vor Qualität den Ton angibt. Wie steht es nun um eine in jüngster Zeit sehr prominente Serie, die auf Netflix von sich reden macht? Film- und Serien-Fachmann Markus Hurnik hat Haus des Geldes für uns mal unter die Lupe genommen.

Gastbeitrag von Markus Hurnik

Hinweis: Liebe Leser*innen, dieser Beitrag enthält keine Spoiler.

Der perfekte Überfall, mal wieder

Heute sollte ich mich auf Netflix  beim Haus des Geldes wiederfinden, eine Serie aus spanischer Produktion, die in den letzten Monaten innerhalb Europas deutlich an Popularität gewonnen hat. Das »Haus des Geldes« ist die spanische Zentralbank in Madrid. Diese soll durch den »perfekt« geplanten Überfalls eines »Professors« mit seinem bunt zusammengewürfelten Team, um ihr Geld erleichtert werden.

Schauspielerin Alba Flores in der Serie Haus des Geldes

 

Starker Start, aber stärkere Konkurrenz

Die Serie startete spannend und die ersten 3-4 Folgen wussten zu begeistern. Doch dann kam die Ernüchterung. 22 Folgen und jede ungefähr 40 Minuten lang! Viele würden nun sagen, das ist doch super und endlich habe ich für längere Zeit Unterhaltung aus einem Guss, doch leider zerstört die lange Zeitspanne jegliche Langzeitspannung. Denn eine klassische Heist-Geschichte sollte Tempo und Emotionen haben und sich nicht in sich verlieren. Jedoch tut Haus des Geldes genau dies. Was fulminant startet, verweilt ab einem gewissen Punkt immer mehr auf Einzelschicksalen, während  die Story nur noch vor sich hin dümpelt. Das am Anfang entwickelte Gefühl, »hey, das ist ein perfekt geplanter Coup, das wird eine richtig coole Erfolgsstory für die Bankräuber und die Bösen werden als die wahren Helden etabliert«, löst sich schnell in Luft auf.

Gerade nach Filmen wie Bube, Dame, König, grAS, Snatch oder Oceans sind die Erwartungen an eine solche Handlungsentwicklung hoch. Der Bösewicht als Held und als der perfekte Verbrecher. Dieser Punkt ist für viele Serien und Filme entscheidend. Denn derjenige, welcher Banküberfall-Filme, wo Coups respektive Handlungsweisen nicht zu viele moralische Fragen aufwerfen bevorzugt, wünscht sich eine solche Handlung. Das Bedürfnis, dass ein Plan reibungslos läuft und der moralische Zeigefinger nicht zu sehr erhoben wird. Schwarzer Humor, moralisch fragwürdige Handlungen und Erfolgsmomente der Gangster, der Filmfans begeistert von der Couch aufspringen lässt, entscheidet durchaus über Erfolg und Misserfolg einer Serie, je nachdem, wie sehr man sich mit den Charakteren identifiziert.

Dummheit nervt

Auch sind die Handlungen der einzelnen Charaktere der Serie teilweise absolut nicht plausibel und »dumm«. es ärgert einen extrem, wenn einer der Protagonisten immer wieder absolut unüberlegt, dumm und irrational handelt – völlig unmöglich bei einem solch perfekt geplanten Verbrechen.

Dabei macht Haus des Geldes auch vieles richtig. So gibt es tolle Charaktere, den »Professor« (Álvaro Morte) – den Kopf der Bande, seine linke Hand und Nairobi, die flippige Gangster-Braut (Schauspielerin Alba Flores, siehe Bild). All diese sorgen für tolle Momente und ein großartiges Mittendrin-Gefühl. Tokio (Úrsula Corberó) dagegen ist mehr schmuckes Beiwerk. Ihre Rolle beim Überfall bleibt nebulös. Die Geiseln wiederum treten in der Masse nicht weiter in Erscheinung und man fokussiert sich auf einzelne Charaktere, die leider aber keine schauspielerischen Meisterleistungen präsentieren.

Fazit zu Haus des Geldes

Deutliche Schwächen an allen Ecken und Enden. Haus des Geldes eignet sich für Fans des klassischen Fernseh-Dauerkrimis, der nur wenig Besonderes bietet. Die Serie ist sicher etwas besser als der Durchschnitt, mehr aber auch nicht. Kurz um, wer gerade eine »Langzeitbeschäftigung« sucht und alle großen Knüller am Serienhimmel durchgeschaut hat, kann sich bedenkenlos Haus des Geldes anschauen.


Zum Autor

Markus Hurnik (28), langjähriger Berliner und Vorortbewohner, den es beruflich inzwischen zunehmend in sächsische Gefilde verschlägt. Er hat in seinen frühen Jahren für die Verlagsgruppe Randomhouse Jugendbücher rezensiert. Anfang der 2000er kam er vermehrt ins Kino und wurde filmabhängig. Studiert hat Hurnik etwas vollkommen Kunstfernes, vis-à-vis der Filmstudios Babelsberg.

Stammkino: Cineplex Titania Palast, Berlin
Lieblingskinos: Programmkino Ost, Dresden Thalia, Potsdam
Lieblingsfilme (eine Auswahl): La Grande Bellezza, Metropolis, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, Wall- E, Train to Busan

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SOMMERPAUSE und Blick in die Zukunft: Wo geht die Reise hin? http://www.blogvombleiben.de/sommerpause-und-blick-in-die-zukunft/ http://www.blogvombleiben.de/sommerpause-und-blick-in-die-zukunft/#respond Mon, 11 Jun 2018 09:45:04 +0000 http://www.blogvombleiben.de/?p=3851 Nicht nur der SpokenWordClub verabschiedet sich in die Sommerpause, auch auf dem Blog vom Bleiben wird’s…

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Nicht nur der SpokenWordClub verabschiedet sich in die Sommerpause, auch auf dem Blog vom Bleiben wird’s was ruhiger, in dieser Woche. Da kann die Sonne noch so lässig am Himmel chillen, der Juni ist ein ereignisreicher Monat. Er reißt aus der Routine und lässt keine Zeit zum Schreiben über die schönen Dinge des Lebens. Warum und wieso und wann es womit weitergeht, dazu alles Weitere in diesem Sommerpausen-Abschieds-Beitrag mit Blick in die Zukunft!

Stellungnahme eines Gehirnchens

Ging schonmal gut los: Heute Morgen habe ich verschlafen. Als ich schließlich aufwachte, baumelte mein Arm taub wie ein Fremdkörper an meiner Schulter. Hatte wohl drauf gelegen, schäbiges Gefühl, aber na ja, das vergeht. Kaum glaubte ich, wieder Herr über den Arm zu sein, klatschte ich damit Sonias Kaffeetasse vom Tisch. Braune Brühe über Jeans und Couch und Teppich, Volltreffer. Mangels Küchentüchern tupften wir die Flecken mit Taschentüchern aus den Fasern. Natürlich von beiden Seiten des Teppichs, den die Suppe sickert ja direkt durch zum Zimmerboden. Jetzt hängt der Teppich falsch herum über der Couch, sieht aus wie ein schlecht verhülltes Museumsstück. Daneben steht der Couchtisch quer im Raum und ringsum zerstreut liegen braune Knäuel dampfender Taschentücher, als hätte hier jemand ne mega ekelhafte Erkältung. Montagmorgen, du machst deinem bescheidenen Ruf mal wieder alle Ehre.

Eine blonde Frau, deren Haare ihr Gesicht verdecken. Dazu der Text: Sommerpause und Blick in die Zukunft

 

Viele Filme, wenig Zeit

Soviel vom Start in den Tag, der den Start in die Sommerpause markiert. Eigentlich wollte ich heute noch über den Tanzfilm Strictly Ballroom (1992) von Baz Luhrmann schreiben, den ich gestern zum ersten Mal und mit Begeisterung gesehen habe. Und warum dann nicht gleich auch über Baz Luhrmanns Romeo + Julia (1997) und Moulin Rouge (2001), die mit dem Erstgenannten zusammen die »Roter-Vorhang-Trilogie« bilden. Das habe ich gestern im Zug der Recherchen noch gelernt, ehe der Alltag mich ausbremste. Und der Alltag ist es jetzt auch, der mich daran hindert, über all diese schönen Filme und weitere zu schreiben, zumindest für eine Weile.

Erst nächste Woche gibt es wieder Filmfutter auf dem Blog vom Bleiben. Dann mit einem Fokus auf Kurzfilme, denn: Das Bundes.Festival.Film. 2018 startet bald in Hildesheim! Und da simma dabei! Dutzende Kinder- und Jugendfilme, die ich in der Jurysitzung im März bereits sehen durfte und damit verraten kann – es wird kunterbunt, fantastisch, abgedreht, wunderschön! Bin sehr gespannt, wie Kindermedien-Crack Sonia die Beiträge finden wird. Wir werden vom Programm berichten! Ganz im Sinne unserer Agenda für den Spätsommer und was da komme.

Die Zukunft des Blog vom Bleiben

So langsam zeichnet sich am Horizont ein Schwerpunkt ab, auf den wir dieses Blogprojekt nach der Sommerpause weiter ausrichten möchten. Kurz und knackig formuliert: Kindermedien und Kinomomente. Also Kulturgut für groß und klein, von Bilderbüchern bis hin zu Blockbustern, aber eben auch lesens- und sehenswerten Perlen zwischen diesen kulturellen Eckpfeilern. Jeden Tag lernen wir aktuell dazu, was »Bloggen mit System« angeht, und wollen dem Schwerpunkt auf Dauer mehr Profil verleihen.

In diesem Sinne sagen wir schonmal vielen, vielen Dank für das bisherigen Feedback zu dem Content, den wir in den vergangenen Wochen und Monaten über den Blog vom Bleiben ins Internet hinausgepustet haben. Wenn auch du, liebe*r Leser*in, uns mitteilen möchtest, was du bis dato gelungen und besonders, was du noch verbesserungsbedürftig findest – sowie natürlich auch, was dich als mögliche Blogbeitrag-Themen mal interessieren würde – nur her mit deiner Meinung! Wir lechzen danach und lernen daraus. Unser Ziel ist es, zu bemerkenswerten Büchern (wie Ritter und Drachen), Filmen (wie Whale Rider) und Internetfunden (wie AMA oder This Is America) solche Beiträge zu schreiben, die zu neuen Gedanken anregen und im Gedächtnis bleiben. Euer Feedback zu unserer Umsetzung dieses Ziels, immer gern via Kontaktformular über die sozialen Kanälen!

Vielen Dank für den Support und bis bald!

2018, komm her Du geiles Stück! #vorgluehen

Ein Beitrag geteilt von David Johann Lensing (@blogvombleiben) am

Die Zukunft und ihre Berechenbarkeit

Apropos Zukunft und Sommerpause: Dass wir in den kommenden Tagen nicht die Zeit zum Schreiben finden, liegt nicht an äußeren Zwängen, sondern daran, dass wir im Zuge einer qualifiziert freiheitlichen Entscheidung andere Prioritäten setzen müssen. Denn ein Tag hat ja nur 24 Stunden und selbst wenn man die Freiheit hat, alles zu tun, hat man noch lange nicht die Zeit, wirklich ALLES zu tun. Darüber quatsche ich ausführlicher in einem YouTube-Video über äußere und innere Freiheit. Unter diesem Video hat ein Zuschauer zum Stichwort Handlungs- und Willensfreiheit eine kleine Diskussion dazu angestoßen, ob nicht alles vorbestimmt sein könnte. Vorausgesetzt, alles sei durch physikalische Gegebenheiten zu erklären, dann müsse doch auch alles auf physikalischer Ebene berechenbar sein.

Das Paradoxon, das besagter Zuschauer in eben diesem Gedankengang mit auf den Weg gab, war der Einfluss des Menschen, der seine Zukunft berechnet, dadurch kennt, dadurch beeinflusst und damit die eigene Rechnung rückwirkend zerlegt. Ein Szenario, das wir aus etlichen Science-Fiction-Filmen zum Thema »Zeitreise« kennen.

Blumen in Nullen und Einsen

Die Theorie, das alles im Leben vorbestimmt bzw. festgelegt sei, ordnet man dem Determinismus zu (vom Lateinischen determinare – festlegen). Für mein Empfinden klingt Vorbestimmung zu bedeutungsschwanger, nach einer Art Planwirtschaft für das gesamte Sein auf Erden. So als hätte irgendein Höheres Wesen eine Art von Ziel, auf das diese Vorbestimmung hinausläuft. Im Gegensatz dazu gefällt mir die Vorstellung vom Dataismus. Diese Theorie besagt, wenn ich sie richtig verstanden habe, dass sich letztendlich jeder Organismus (sagen wir: eine Blume) in Nullen und Einsen darstellen ließe. So wie das digitale Bild von einer Blume als Datei nur aus Nullen und Einsen besteht.

Das Leben als Algorithmus

Die Zahlenfolge zur »binären Beschreibungen« der echten Blume wäre weeesentlich länger, als die zur Beschreibung des digitalen Abbilds. Das Gleiche würde demnach auch für Menschen gelten – und das Leben wäre dieser Theorie nach ein ewiger Datenverarbeitungsprozess. Ein Algorithmus, der im Vergleich zu den Algorithmen, die wir so gerade noch überblicken können, viel zu komplex für unsere von animalischen Trieben und menschlichen Marotten okkupierten Gehirnchen. Den Dataismus habe ich über Yuval Noah Hararis Buch Homo Deus (2015) kennengelernt. Harari selbst sagt, dass diese Idee totaler Mumpitz sein könnte. Aber es gibt sie eben, in der Vorstellungswelt der Menschen, ähnlich wie den Determinismus. Harari schreibt:

Sobald Big Data Systeme mich besser kennen, als ich selbst mich kenne, dann wird die Autorität von Menschen zu Algorithmen wechseln.

Von Fahrassistenten zu Partnervermittlern

Seine logische Schlussfolgerung daraus ist, dass dieser Prozess daraus hinausläuft, dass Menschen den Algorithmen ihre wichtigsten Entscheidungen überlassen werden. Nicht etwa nur im potentiell lebensbedrohlichen Straßenverkehr (wie es durch Assistenzsysteme heute schon möglich ist), sondern auch hinsichtlich der Wahl der besten Vertreter für bestimmte Ämter (um in Zukunft vielleicht einen Präsidenten wie Donald Trump zu verhindern – was auch immer diesen Clown ins Weiße Haus gebracht hat, menschliche Schwarmintelligenz möchte ich es nicht nennen). Das ginge sogar soweit, dass uns Algorithmen sagen würden, wen wir heiraten sollten (Tinder ist nur ein kleiner Wisch für dich, aber ein großer für die Robo-Kuppler der Zukunft).

Tatsächlich schwingt im Dataismus ja ein gewisser Determinismus mit. Wenn das Leben ein Algorithmus ist, dann ließe es sich berechnen und damit vorausrechnen und damit in die Zukunft sehen. Was ist dann mit dem Paradoxon, dass im oben erwähnten YouTube-Kommentar zur Sprache gebracht wurde? Konkret heißt es darin: Wenn jemand mithilfe einer Maschine (also künstlicher Intelligenz) errechnen könnte, dass er oder sie morgen bei einem Flugzeugabsturz stirbt, dann würde diese Person doch eher nicht ins Flugzeug steigen und damit wissentlich in den Algorithmus eingreifen. So, wie die visionäre (und doch herrlich bescheuerte) Horrorfilmreihe Final Destination es uns eindrucksvoll zeigte.

Blonde Frau, deren Haare ihr Gesicht verdecken.
Freie Sicht nach vorn – oder den Überblick verloren? Welches hübsche Gesicht sich hinter dem Haarschopf verbirgt, gibt’s hier zu sehen.

Die rasenden Zahlenkolonnen

Dieser Gedanke geht mir einen Schritt zu weit. Ich kann mir vorstellen, dass alle Organismen sich in Zahlenfolgen darstellen ließen. Nur theoretisch, natürlich, denn praktisch nimmt das Leben als Prozess ja ständigen Einfluss auf die Zahlenfolgen. Nur weil ein Organismus stirbt, ist er damit nicht »fertig« beschrieben und man könnte eine gewaltige Zahl hochhalten: DAS ist dieser Organismus. Stattdessen zersetzt sich der Organismus ja über den Tod hinaus und seine Überbleibsel setzt das Leben neu zusammen, der Algorithmus läuft ständig weiter. Ich könnte mir so gerade noch vorstellen, dass es eines fernen Tages Rechenmaschinen gibt, die solche sich ständig in Hochgeschwindigkeit hinfort schreibenden, multiplen Zahlenkolonnen in Echtzeit darstellen könnten. Doch das hieße noch lange nicht, in die Zukunft rechnen zu können. Das ist schlichtweg ein ganz anderes Thema.

Der Dataismus entzaubert für mich nicht das »Wunder Leben«, nur weil man es halt in Zahlen darstellen könnte. Was die vielen, interagierenden, sich neu aufzweigenden Datenströme ausgelöst hat und wo sie hingehen, das bleibt dabei ein Rätsel. Nur weil eine Instanz künstlicher Intelligenz aufgrund seiner Big-Data-Kenntnis mir sagen würde: Hey, du und Sonia, ihr passt perfekt zueinander, ihr Zwei solltet heiraten, nur deshalb weiß diese Künstliche Intelligenz noch lange nicht, dass dies so geschieht. Es heißt einfach nur: Im Hier und Jetzt, auf Basis der vorliegenden Daten, seid ihr wie füreinander geschaffen.

Unsere unerträglichen kleinen Gefängnisse

Selbst die einfachste »Zukunftangelegenheit« – zum Beispiel: Ich möchte heute Mittag eine Tiefkühlpizza essen – steht in Wirklichkeit im Zusammenspiel mit Milliarden von anderen Abläufen, von denen ich gerade nur eine Handvoll zum Besten geben könnte: Die Frostertür klemmt mal wieder und  ich komm nicht an die scheiß Pizza ran, ich stolpere auf dem Weg in die Küche, muss ins Krankenhaus, ein Freund ruft an, lädt zum Essen ein, blah, blah, blah, und in Wahrheit eben Milliarden Blahs mehr.

In die ferne Zukunft gedacht wirkt die Vorstellung, dass sich tatsächlich SÄMTLICHE Abläufe in einer Sache mit berücksichtigen lassen und somit die Zukunft berechenbar ist, vielleicht möglich. Aber das ist eine ferne Zukunft, in der homo sapiens mit seinem jetzigen Geistes-Apparat keine Rolle mehr spielt, ja, vielleicht gar nicht mehr existiert. Wir sind zu dumm dafür. Solche Szenarien in ihrer Konkretion zu überdenken und besprechen, das liegt wortwörtlich außerhalb unserer Vorstellungskraft. Ich kann damit gut leben, ich komm schon auf Dreisatz nicht immer klar. Aber solch genialen Köpfe wie Stephen Hawking einer war, da könnte es durchaus sein, dass die Grenze der menschlichen Vorstellungskraft ein unerträglich kleines Gefängnis ist.

Also dann, nächste Woche melde ich mich mit neuen Blogupdates zurück! Behaupte ich jetzt mal. Ganz wagemutig.

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