Seit 2013 war der 99Fire-Films Award für mich ein Termin, der im Kalender rot eingekringelt wurde: Immer wieder das Januarwochenende, das mein kreatives Filmschaffen fürs neue Jahr einläutete. 99 Stunden sind eine tolle Wettbewerbsdauer, um darin 99 Sekunden Film zu produzieren – wiederum ein tolles Format. Rund anderthalb Minuten, um es krachen zu lassen! Wie ein Spielfilm auf Speed. Dieses Mal heißt der Streifen: „Wer zuletzt lutscht“
Es geht nicht um Kurzfilme
Beim 99Fire-Films 2018 war nun vieles anders. Es war kein Januarwochenende mehr, das schonmal vorweg. Am Donnerstag, 1. Februar, schickten die Veranstalter die Rundmail an sämtliche Teilnehmer. 10 Uhr, wie immer, Themenbekanntgabe, Bedingungen, Eckdaten. Die arg offensive Einbindung des Hauptsponsors war in diesem Jahr Anstoß zu einer Debatte, die eigentlich jedes Jahr geführt wird, mit mal mehr, mal weniger Elan (in diesem Jahr: mehr).
Auch mich hat dieser Wetzstein eine Weile beschäftigt. Quintessenz: Der 99Fire-Films 2018 ist weniger der „größte Kurzfilm-Wettbewerb der Welt“, dazu steht der Kurzfilm als Kunstform viel zu wenig im Fokus. Wer Feedback möchte, zu Dramaturgie, Kamera, Schnitt, ist bei anderen Kurzfilmfestivals besser aufgehoben. Der 99Fire-Films generiert vielmehr Aufmerksamkeit, fördert dadurch letztlich aber doch (quantitativ) bundesweit das Filmschaffen und bringt Filmemacher zusammen. Es hat einen Netzwerk- und einen schlichten Trainingseffekt, deshalb kann ich eine Teilnahme durchaus empfehlen möchte. Es geht halt nicht um die Kunstform Kurzfilm an sich, sondern das Schaffen von Werbefilmen. Immerhin: Tatsächlich steht das Schaffen mehr im Fokus, als der eigentliche Werbefilm. Die Ergebnisse, selbst die Gewinnerfilme, eignen sich selten für eine 1:1 Übernahme in eine Kampagne des Sponsors. Für Veranstalter und Geldgeber sind stattdessen eher die Ideen interessant – und die Köpfe dahinter.
Meine Vorbereitung zum 99Fire-Films-Dreh sieht alljährlich so aus, dass ich mich zunächst umhöre, wer Zeit und Lauen hätte, an Wochenende XY vor oder hinter der Kamera mitzumischen. Bevor es aber zur konkreten und finalen Zusammenstellung des Teams kommt, wird erstmal ein schöner Drehort gesucht.
Dreh in der Bücherstadt
In der Nähe meiner Heimatstadt Bocholt liegt der niederländische Ort Bredevoort, gleich hinter der Grenze. Schon einige Male hat es mich dorthin verschlagen, um schubkarrenweise Bücher außer Landes zu bringen. Bredevoort nennt sich nicht umsonst die „Bücherstadt“. Wenn man dort durch die Gässchen schlendert (je nach Wochentag ausgestorben wie eine Kulisse aus „The Walking Dead“), stechen die vielen kleinen Bücherläden ins Auge. Mehr noch: Bücherregale, ganze Schränke, stehen dort an Straßenecken und in den Gassen. Mit Sparbüchsen dabei und dem freundlichen Hinweis, doch was reinzuwerfen, wenn man Lesestoff mitnehmen möchte. Vieles davon ist natürlich in niederländischer Sprache verfasst, manches auf Englisch. Und dann gibt es noch „Bücher Mammut“, ein Antiquariat mit allerlei deutschsprachiger Literatur von anno dunnemals. Der Inhaber Rainer Heeke war so freundlich, uns in diesem wundervoll urigen Bücherladen den Film „Wer zuletzt lutscht“ drehen zu lassen.
Ein befreundeter Filmemacher, Mark Lorei sein Name, teilt meine Faszination für die Bücherstadt und hat ihr gar einen kleinen filmischen Beitrag gewidmet. In diesem Sinne, ein paar Impression aus Bredevoort:
Vor der Kamera: Anke Sabrina Beermann
Die weibliche Hauptrolle in unserem kurzen Werk „Wer zuletzt lutscht“ über Zeitreise, Hexenverbrennung, Liebe und so ’n Zeugs, hat die Schauspielerin Anke Sabrina Beermann übernommen. Wie so oft war es der Zufall, der uns einander vorstellte. Wenige Monate zuvor haben wir für eine Demoszene (hier zu sehen: „Fly away, Cinderella!„) miteinander gearbeitet. Sehr kurzfristig ist sie an diesem ersten Februarwochenende zum Team hinzugestoßen. Zwischen meiner Facebook-Nachricht, ob sie spontan Zeit und Laune hätte, beim 99Fire-Film mitzuwirken, und der Abfahrt ihres Zuges vom Köln HBF Richtung Drehort, vergingen gerade mal 13 Stunden.
Hier geht’s zu einem Schauspiel-Profil von Anke Sabrina Beermann, samt Fotogalerie und Showreel.
In unserer Produktion „Wer zuletzt lutscht“ hat sie die Rolle der etwas rotzigen Kundin übernommen, die dem Buchhändler erst auf den Keks geht, ihm dann um den Hals fällt, dazwischen fast das Zeitliche segnet, aber ich will nicht zu viel verraten. Es war jedenfalls eine tolle Erfahrung, mit ihr zu drehen! Ein einfallsreiches, pointiertes Spiel vor der Kamera – und sehr entspannt zwischen den Takes. Letzteres nicht unwichtig bei einer Produktion, die man durchaus chaotisch nennen kann. Das bleibt nicht aus, wenn man (A) unter Zeitdruck arbeitet und (B) rund ein Dutzend Komparsen in einen kleinen Buchladen stopft, wo man (C) ständig aufpassen muss, dass keine der Filmleuchten die Kulisse anzündet, weil… na ja.
Die Herren
Die männlichen Hauptrollen haben Florian Sauret und Manuel Bors übernommen, die beide ihrerseits einen besonderen Zugang zum Schauspiel mitbringen. Florian Sauret ist in Bocholt der stadtbekannte „Chef-Nachtwächter“. Als solcher vereint er eine hohe Affinität zu alter Geschichte und großer Schauspiellust in sich. Beim 99Fire-Films 2017 arbeiteten wir erstmals zusammen – und ich hoffe, das wir noch bei vielen weiteren Filmprojekten das Schauspiel Florians voll zur Entfaltung bringen können. Manuel Bors ist schon ein „alter Hase“ in Sachen Filmdreh. Er betreibt einen eigenen YouTube-Channel und hat schon in diversen meiner Filmprojekte vor und hinter der Kamera mitgewirkt.
Wie es zur Idee des diesjährigen 99Fire-Films Beitrags kam, kann man hier nachlesen.
Wer zuletzt lutscht
Den Titel ausbaldowern, das hebe ich mir meistens für die paar Stunden nach Fertigstellung des Rohschnitts auf, wenn man einen Eindruck vom „Gesamtwerk“ hat und weiß, wie welche Shots geworden sind. In diesem Jahr heißt unser Beitrag also: „Wer zuletzt lutscht“. Nun denn, langer Rede kurzer Film – hier ist der Streifen: